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Evolution: Der Preis unserer Langlebigkeit

Menschen werden viel älter als andere Primaten. Die biologischen Gründe hierfür reichen weit in die Urzeit zurück. Allerdings erkaufen wir unser langes Leben mit Alterskrankheiten – verursacht durch die gleichen Genmutationen.
Affe und Mensch

Ein heruntergekommener Stadtteil von Lima an einem Sonntagmorgen. Im Hinterhof des peruanischen Nationalen Instituts für Neurowissenschaften wartet gespannt eine Gruppe gut gekleideter Männer. Bald erscheint ein kleiner weißer Transporter. Als der Fahrer die hintere Tür öffnet, sieht man fast ein Dutzend eingehüllte Körper: Mumien. Vorsichtig heben zwei der Leute die erste auf eine bereitstehende Krankenliege und rollen sie in die Röntgenabteilung des Instituts.

Einer der Wissenschaftler, die zusammen mit Regierungsmitarbeitern das Ausladen überwachen, ist Caleb Finch. Seit Monaten hat der Biologe und Alternsforscher von der University of Southern California in Davis diesen Moment herbeigesehnt. Die bis zu 1800 Jahre alten Mumien stammen von Frauen, Männern und Kindern, die in der peruanischen Küstenwüste begraben wurden. Die Toten waren nur in Stoffe gewickelt und mumifizierten dann in der Trockenheit auf natürliche Weise.

Finch sucht nach einer Erklärung dafür, warum Menschen so viel älter werden als andere Primaten, ja selbst als die Menschenaffen. In reichen Industrienationen beträgt die durchschnittliche Lebenserwartung von Neugeborenen inzwischen an die 80 Jahre, in vielen Drittweltländern etwa 60 Jahre, die eines Schimpansenbabys in Afrika dagegen nur etwa 13 Jahre.

Unsere heutige hohe Lebenserwartung wird meist auf Fortschritte der Medizin und Hygiene sowie eine gesündere Lebensweise zurückgeführt: auf das Zurückdrängen von Infektionskrankheiten mit Antibiotika und Impfstoffen, auf sauberes Trinkwasser und eine durchdachte Abwasserentsorgung, aber auch darauf, dass wir zu jeder Jahreszeit frisches Gemüse und Obst essen können.

Ohne Zweifel haben solche Errungenschaften das Leben der Menschen in den letzten 200 Jahren maßgeblich verlängert. Dennoch erklären sie die menschliche Langlebigkeit im Vergleich zu anderen Primaten letztlich nicht zufrieden stellend. Finch verfolgt deswegen eine andere These, die sich auf Befunde der physischen Anthropologie, Primatologie, Genetik und Medizin stützt. Er vermutet, dass beim Menschen schon früh in der Evolution ein Trend zum langsameren Altern und zu einer generell längeren möglichen Lebensspanne einsetzte. ...

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  • Quellen und Literaturtipps

Finch, C. E.: Evolution of the Human Lifespan and Diseases of Aging: Roles of Infection, Inflammation and Nutrition. In: Proceedings of the National Academy of Sciences USA 107, S. 1718 - 1724, 2010

Thompson, R. C. et al.: Atherosclerosis across 4000 Years of Human History: The Horus Study of Four Ancient Populations. In: Lancet 381, S. 1211 - 1222, 2013

Wang, X. et al.: Specific Inactivation of Two Immunomodulatory SIGLEC Gens during Human Evolution. In: Proceedings of the National Academy of Sciences USA 109, S. 9935 - 9940, 2012

Literaturtipps:
Hundert Jahre und mehr? Geheimnisse eines langen Lebens. Spektrum der Wissenschaft Dossier 4/2008

Mensch 2.0. Können wir unsere biologischen Fesseln sprengen? Spektrum der Wissenschaft Spezial BMH 3/2014
Beide Hefte sind Artikelsammlungen zum Thema Alterung.

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