Zahntechnik: Der Virtuelle Artikulator
Kronen, Brücken, Inlays und Onlays müssen sich perfekt in das natürliche Gebiss einpassen. Derzeit fertigt der Zahntechniker Gipsabdrücke von Ober- und Unterkiefer, spannt sie in eine Artikulator genannte Vorrichtung und simuliert Kiefer- und Kaubewegungen. Blaupapier, fachlich Okklusionspapier, färbt den Gips an Kontaktstellen.
Die mechanische Vorrichtung imitiert die Verhältnisse beim Patienten freilich nur sehr grob. Ohnehin verrät das Verfahren nicht, wie sich die Zahnkontakte im Laufe einer Kaubewegung verändern. Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Graphische Datenverarbeitung in Darmstadt, der Universitätsklinik Greifswald und des Medizintechnik-Unternehmens Kettenbach in Eschenburg entwickeln deshalb einen "Virtuellen Artikulator", der patientenspezifische Vorgänge wie das Vorschieben des Unterkiefers im Detail simuliert und auf einem Monitor darstellt.
Als Datenbasis dienen Ultraschall-Messungen individueller Bewegungsmuster. Dazu klebt der Zahnarzt mit einem für den Mundraum zugelassenen Sekundenkleber Ultraschallsensoren an den Unterkiefer, deren Positionen relativ zu einem Referenzpunkt an der Stirn während der Kaubewegung gemessen werden. Die Bewegungen der Messpunkte werden auf Kiefermodelle übertragen, die zurzeit noch durch einen räumlichen Scan konventionell gefertigter Gipsabdrücke entstehen. Künftig sollen intraorale Kameras solche Daten direkt im Mund des Patienten erheben.
Bei der anschließenden Bewegungssimulation berechnet die Software, an welchen Stellen einander gegenüberliegende Zähne Kontakt haben, und stellt diese Flächen rot dar. Auch Punkte, die sich lediglich sehr nahe kommen, hebt das Programm farblich hervor. Der Zahntechniker kann verfolgen, wie sich Kontaktpunkte beim Kauen über die Zahnhöcker bewegen.
Letztlich soll die gesamte Fertigungskette von Zahnersatz digitalisiert, der Virtuelle Artikulator schon beim Design verwendet werden. Als digitaler Datensatz lässt sich eine Krone dann von einer computergesteuerten Fräsmaschine aus Vollkeramik fertigen und muss nur noch in einem Ofen gesintert werden. Das Ziel sind höhere Qualität der Produkte, ein abgekürzter Herstellungsprozess und geringere Kosten.
Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 2002, Seite 88
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
Schreiben Sie uns!
Beitrag schreiben