Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Molekülsimulationen: KI berechnet Moleküle realistischer

Ob für die Medikamentenentwicklung oder neue Materialien: Heute läuft nichts ohne Simulationen von Molekülen und deren Eigenschaften. Mit manchen Situationen haben gängige Algorithmen aber Probleme. Ein auf maschinellem Lernen basierender Ansatz bildet die Realität jetzt besser ab.
3D-Illustration

Wie schwierig ist es, exakt vorauszuberechnen, wie zwei Stoffe miteinander chemisch reagieren? So schwierig, dass es selbst mit Supercomputern heute noch nicht gelingt. Denn hier geht es um quantenmechanische Kalkulationen, die auf der berühmten Schrödingergleichung beruhen. Damit lässt sich zum Beispiel ausrechnen, welche Energie ein Teilchen in einer bestimmten Umgebung besitzt – etwa die Energiezustände, die ein Elektron in einem Wasserstoffatom annehmen kann. Aus den Energiewerten lassen sich wiederum beispielsweise die Spektrallinien des Wasserstoffatoms genau berechnen.

Obwohl die Gleichung allumfassend ist und sich mit ihr theoretisch die Energiewerte der Elektronen in jedem Molekül berechnen lassen, ist ihr Nutzen begrenzt: Denn jedes Teilchen, das hinzukommt, wechselwirkt mit jedem anderen Teilchen. Dadurch werden die mathematischen Ausdrücke schnell unglaublich kompliziert, weshalb sich Atome, die komplexer sind als das Wasserstoffatom, nur noch näherungsweise berechnen lassen – also alle anderen. Bei Molekülen ist es ebenso schwierig: Nur für das einfachste denkbare Molekül H2+ – bestehend aus zwei Wasserstoffatomen, die sich ein Elektron teilen – erhält man eine exakte Lösung. Sobald mehr als ein Elektron im System vorhanden ist, muss man die Rechnung bereits vereinfachen und erhält dementsprechend nur eine ungefähre Lösung.

Um dem Problem beizukommen, begannen Theoretiker bald nach der Veröffentlichung der berühmten Schrödingergleichung, zahlreiche ausgeklügelte Näherungen zu ersinnen. In Verbindung mit den immer leistungsfähigeren Computern gelang es Fachleuten in den folgenden Jahrzehnten damit zunehmend besser, Geometrien und andere Eigenschaften von Molekülen vorauszuberechnen.

Doch in den 1960er Jahren stellten die Physiker Walter Kohn und Pierre Hohenberg derartige Berechnungen auf ganz neue Füße: Sie machten sie unabhängig von der Wellenfunktion der Elektronen, wie sie in der Schrödingergleichung auftritt. Stattdessen betrachteten die beiden Wissenschaftler die Elektronendichte, bildlich vorstellbar wie eine Flüssigkeit, die sich an manchen Stellen dichter, an manchen weniger dicht über das Molekül verteilt. Sie zeigten, dass die Energie eines Moleküls direkt von der Verteilung der Elektronendichte abhängt, und tauften ihren bahnbrechenden Ansatz Dichtefunktionaltheorie (DFT). Man müsste jetzt nur noch einen Algorithmus – mathematisch gesprochen ein Funktional – finden, der die Elektronendichteverteilung mit der Energie des Moleküls verknüpft …

Kennen Sie schon …

Spektrum Kompakt – Quantencomputer - Neue Erkenntnisse und Verfahren

Diskutiert und selten gesehen: der Quantencomputer verspricht Fortschritt von Technik bis Medizin - doch stecken seine Berechnungen noch in den Kinderschuhen. Wie funktionieren die futuristischen Rechner und weshalb genügt der heimische PC ihren Zwecken teilweise nicht?

Spektrum - Die Woche – Wo Bäume mehr schaden als nützen

Drei Milliarden neue Bäume in der EU, zehn Milliarden in den USA, 70 Milliarden in China. Doch die ambitionierten Ziele für Aufforstungen könnten lokale Ökosysteme und Tierbestände gefährden. Außerdem in der aktuellen »Woche«: wieso der Hype um ultradünne Halbleitermaterialien berechtigt ist.

Spektrum der Wissenschaft – Das Geheimnis der Dunklen Energie

Seit ihrer Entdeckung ist der Ursprung der Dunklen Energie rätselhaft. Neue Teleskope und Theorien sollen Antworten geben. Außerdem: Mit DNA-Spuren aus Luft oder Wasser lässt sich die Verbreitung verschiedenster Arten störungsfrei erfassen. Lassen sich riesigen Süßwasservorkommen, die unter mancherorts unter dem Meeresboden liegen, als Reserven nutzen? RNA-Ringe sind deutlich stabiler als lineare RNA-Moleküle und punkten daher als Arzneimittel der nächsten Generation. Ein Mathematiker ergründete auf Vanuatu, wie die Sandzeichnungen der Bewohner mit mathematischen Graphen zusammenhängen.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

  • Quellen

Goerigk, L. et al: A look at the density functional theory zoo with the advanced GMTKN55 database for general main group thermochemistry, kinetics and noncovalent interactions. Physical Chemistry Chemical Physics 48, 2017

Kirkpatrick, J. et al.: Pushing the frontiers of density functionals by solving the fractional electron problem. Science 374, 2021

Van Noorden, R. et al.: The top 100 papers. Nature 514, 2014

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.