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Diaprojektion mit Atomen

Mit einem Strahl neutraler Atome einheitlicher Geschwindigkeit und einer Anordnung von Permanentmagneten als Linse läßt sich auf die gleiche Art Optik betreiben wie mit Licht. Dies könnte eine Möglichkeit sein, noch feinere Strukturen auf Mikrochips zu erzeugen und deren Integrationsdichte dadurch weiter zu erhöhen.

Eine Kamera erzeugt das Bild eines Objektes, indem sie daran reflektiertes oder gestreutes Licht durch Glaslinsen auf den Film fokussiert. Daß man statt Licht auch Teilchenstrahlen verwenden kann, beweist das Elektronenmikroskop, bei dem elektrische Felder die gestreuten Elektronen bündeln. Bislang ungeklärt war dagegen, wie gut sich Strahlen aus neutralen Atomen für Abbildungszwecke einsetzen ließen.

Eine Hauptschwierigkeit bestand dabei darin, geeignete Linsensysteme zu finden. Zwar kann man ausnutzen, daß die meisten Atome paramagnetisch sind und sich somit in gewissem Sinne wie kleine Stabmagnete verhalten, deren Bewegung mit inhomogenen Magnetfeldern beeinflußbar ist. Die dazu benötigten sehr hohen Feldstärken waren bis vor kurzem aber nicht mit Permanentmagneten zu erreichen.

Deshalb benutzten zum Beispiel Hartmut Friedburg und Wolfgang Paul an der Universität Göttingen in den fünfziger Jahren Elektromagnete mit Strömen von mehr als 100 Ampere, um Linsen mit handhabbaren Brennweiten im Zentimeterbereich zu erhalten. Solche Spulenwicklungen sind aber viel zu unpraktisch für Teilchenstrahl-Systeme, die sehr kleine Strukturen abbilden sollen.

Seit einigen Jahren stehen mit Samarium-Kobalt- und Neodym-Eisen-Bor-Gemischen nun geeignete Materialien zur Herstellung von Permanentmagneten zur Verfügung, die Flußdichten von mehr als einem Tesla (dem 20000fachen des Erdmagnetfeldes) erlauben und gegen Entmagnetisierung widerstandsfähig sind. Aus ihnen lassen sich zylindrische Strukturen zusammensetzen, bei denen um ei-ne zentrale Öffnung herum mehrere Segmente mit jeweils anderer Magnetisierungsrichtung derart angeordnet werden, daß sich insgesamt eine dreizählige Hexapolsymmetrie ergibt (das heißt, bei Drehung um 120 Grad wird das Feld in sich selbst überführt).

Solche Hexapolmagnete wirken auf paramagnetische Atome wie eine optische Linse auf Lichtstrahlen. Klaus Hal-bach von der Universität von Kalifornien in Berkeley hat Formeln abgeleitet, mit denen sich die Felder sehr präzise berechnen lassen. Mit ihrer Hilfe ist es uns – damals noch am Institut für Quantenoptik der Universität Hannover – zusammen mit Wilhelm Kaenders und Alexander Richter gelungen, etwa handtellergroße Linsen für Abbildungen mit Atomstrahlen zu konstruieren.

Allerdings wirft diese Fokussierungsmethode ein zweites schwieriges Problem auf. Die Brennweite magnetischer Linsen hängt nämlich vom Quadrat der Geschwindigkeit der Atome im Strahl ab. Nun bewegen sich die Partikel in einem konventionellen Atomstrahl aber unterschiedlich schnell; dadurch ergibt sich statt eines scharfen Brennpunktes ein breit ausgeschmierter Fleck und damit eine verwaschene Abbildung.

Man muß deshalb die Teilchengeschwindigkeiten einander angleichen. Das kann durch sogenannte Laser-Kühlung geschehen, die zudem eine bremsende Wirkung hat (siehe Spektrum der Wissenschaft, Mai 1987, Seite 64). Im einfachsten Fall wird den Atomen ein Laserstrahl entgegengeschickt. Absorbiert eines ein Photon, so erfährt es durch dessen Impuls einen Rückstoß entgegen seiner Flugrichtung. Bei der anschließenden spontanen Wiederaussendung des Lichtquants fliegt dieses in zufälliger Richtung davon, so daß sich der dadurch verursachte Rückstoß bei mehreren Absorptions-Emissions-Vorgängen ausmittelt.

Angesichts der Winzigkeit des Effekts eines einzelnen Photons ähnelt das Verfahren freilich dem Versuch, einen rollenden Güterwaggon durch Bewerfen mit Tennisbällen aufzuhalten. Deshalb werden je nach Element bis zu 100000 Photonen benötigt, um ein Atom zum Stillstand zu bringen. Mit einem intensiven Laserstrahl dauert der Vorgang gleichwohl nur wenige Millisekunden, wobei Bremskräfte vom Vielhundertfachen der Erdbeschleunigung auftreten. Durch geeignete Wahl der experimentellen Parameter kann im Prinzip jede gewünschte Endgeschwindigkeit eingestellt werden.

Wie aber läßt sich erreichen, daß nicht alle Atome gleichmäßig, sondern vor allem die schnellen abgebremst werden, so daß sich eine einheitlich niedrige Endgeschwindigkeit ergibt? Dafür nutzt man den sogenannten Doppler-Effekt: Einem Atom erscheint das Wellenpaket eines entgegenkommenden Lichtquants um so stärker gestaucht (und damit in der Frequenz erhöht), je schneller es darauf zu fliegt (so wie ein Sirenensignal um so höher klingt, je schneller sich das Rettungsfahrzeug nähert). Man beginnt deshalb mit einem Laserstrahl niedriger Frequenz und bremst mit ihm die schnellsten Atome ab. Durch allmählichen Übergang zu höheren Frequenzen werden dann immer langsamere Teilchen erfaßt. Ist man so schließlich am unteren Ende der ursprünglichen Geschwindigkeitsverteilung im Strahl angelangt, sind so gut wie alle Atome auf dieses einheitlich langsame Tempo abgebremst.

Für einen derart laser-präparierten Cäsium-Atomstrahl resultieren Linsenbrennweiten von einigen Zentimetern, die um weniger als einen Millimeter divergieren. Durch Kombination von starken permanentmagnetischen Linsen mit Laser-Kühlverfahren ist es demnach möglich, mit Atomstrahlen auf die gleiche Weise Optik zu betreiben wie mit Lichtstrahlen und gewöhnlichen Linsen.

Um dies zu demonstrieren, haben wir einen atomoptischen Diaprojektor gebaut (Bild 1). Die Rolle der Lichtquelle übernimmt dabei ein Ofen, in dem Cäsium bei 130 Grad Celsius verdampft wird. Aus einer ein Millimeter großen Öffnung strömen die Atome in Strahlform in ein evakuiertes Rohr und wer-den dort durch gegenläufiges Laserlicht auf einheitliche Geschwindigkeit abgebremst. Anschließend treffen sie auf eine Plexiglasmaske mit kleinen gebohrten Löchern als Dia. Eine permanentmagnetische Hexapollinse lenkt die durchgetretenen Atome schließlich so ab, daß sie in der Nachweisregion zu einem scharfen Bild der Maske zusammentreffen.

Um es sichtbar zu machen, erzeugen wir in der Bildebene per Laser eine Art dünnen Lichtvorhang quer zum Atomstrahl, der die hindurchfliegenden Ato-me zum Leuchten anregt. Dieses zweidimensionale Lumineszenzmuster wird mit einer Videokamera aufgenommen und in eine Falschfarbendarstellung umgesetzt (Bild 2). Je nach Wahl der atomaren Geschwindigkeit (das heißt der Brennweite der Linse) und der Position des Lichtvorhangs kann ein vergrößertes oder auch verkleinertes Bild der Maske erzeugt werden.

Optik mit Atomstrahlen betreiben zu können ist allerdings nicht nur von rein wissenschaftlichem Interesse. Ersetzt man den Lichtvorhang durch ein Substrat, auf dem sich die Atome in einem der Maske entsprechenden Muster abscheiden, ergeben sich auch interessante praktische Anwendungsmöglichkeiten zum Beispiel bei der lithographischen Chip-Fertigung (vergleiche den Beitrag auf Seite 70 dieses Heftes).

Von entscheidender Bedeutung ist dabei die minimal erreichbare Strukturgröße. Sie wird bei idealer Atomstrahlpräparation zum einen dadurch begrenzt, daß das Feld des Hexapolmagneten nur näherungsweise die ideale Geometrie für ei-ne atomoptische Abbildung hat. Daraus resultieren sogenannte geometrische Abbildungsfehler, wie sie auch bei lichtoptischen Linsen auftreten. Weitere Ungenauigkeiten könnten durch Stöße der Atome untereinander entstehen. Außerdem breitet sich der Strahl strenggenommen nicht geradlinig aus, sondern wird von der Gravitation abgelenkt – ein Effekt, der bei langsamen Atomen schon im Bereich von Millimetern liegen kann.

Doch sollten nach unseren Rechnungen Fleckgrößen unter 100 Nanometern (millionstel Millimetern) möglich sein, wenn die Linsenöffnung zur Verringerung von Abbildungsfehlern auf ein Millimeter Durchmesser abgeblendet wird. Bei Durchmessern von 0,5 Millimetern dürfte mit etwa zehn Nanometern die Beugungsgrenze erreicht werden, die aus der quantenmechanischen Wellennatur der Cäsium-Atome resultiert.

Das Verfahren ist universell einsetzbar. Wir arbeiten mit Cäsium-Atomen, weil sie sich leicht mit unseren vorhandenen Lasern manipulieren lassen. Mit der gleichen Linse kann man aber auch andere chemische Elemente fokussieren, sofern sie paramagnetisch sind und eine geeignete Absorptionsbande für die Laser-Kühlung aufweisen.

Derzeit ist nicht absehbar, ob unser Verfahren jemals ernsthaft mit lichtoptischen Lithographietechniken konkurrieren kann, die inzwischen routinemäßig kleinste Abmessungen von 350 Nanometern erreichen. Grundsätzlich aber bietet die Atomoptik einen neuen Zugang zur Herstellung von Strukturen im Bereich unter 100 Nanometern – ein Feld, in dem auch industriell intensiv geforscht wird.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 2 / 1996, Seite 16
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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