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Die Altersbestimmung der troianischen Quellhöhle



In der Wasseranlage nahe der Unterstadt bedecken dicke Kalkschichten die Wände. Wie in Tropfsteinhöhlen entstehen "Kalksintertapeten" Lage für Lage, wenn im Grundwasser gelöstes Kalziumhydrogenkarbonat als Kalkstein ausfällt. Dabei wird auch in Spuren gelöstes Uran mit abgelagert (etwa ein bis zwei Mikrogramm pro Gramm Gestein). Etwa 0,005 Prozent dieser geringen Menge ist radioaktives 234Uran, das in 230Thorium zerfällt. Weil Thorium in Grund- und Sickerwässern normalerweise kaum vorkommt, muss ein Nachweis im Kalkstein vom radioaktiven Zerfall des Uran-Isotops herrühren. Das heißt: Je jünger eine Schicht der Tapete ist, desto weniger 230Thorium kann sie enthalten.

In den vergangenen Jahrzehnten entwickelte sich die Massenspektrometrie so weit, dass es heute möglich ist, in Tropfsteinen und Kalksintern wenige Femtogramm (10-15 Gramm) des Isotops auf etwa ein Prozent nachzuweisen. Deshalb lässt sich die 230Thorium/Uran-Datierung heutzutage auch für gerademal etwa hundert Jahre alte Proben anwenden (die früher gebräuchliche Bestimmung über den radioaktiven Zerfall war erst ab einem Alter von mehr als 15000 Jahren verlässlich und genau genug).

Dazu darf allerdings nach der Gesteinsbildung kein Austausch von Uran und Thorium mit der Umgebung mehr stattfinden. Auch Verunreinigungen wie Ton, Sand oder Kalkstein aus der Umgebung dürfen kaum im Gestein enthalten sein. Die Eignung von Proben für eine verlässliche Datierung lässt sich mit Hilfe des häufigeren Isotops 232Thorium untersuchen. Das entsteht nämlich nicht durch den Zerfall von Uran und ist deshalb in "sauberem" Kalksinter nur in geringsten Konzentrationen vorhanden. Tone und Sande enthalten hingegen sehr viel davon und machen sich entsprechend stark bemerkbar. In unserem Fall zeigte sich auf diese Weise, dass Material tieferer Schichten direkten Kontakt mit Lehm und Kalkstein der Tunnelwände hatten und für eine Datierung nicht geeignet war.

Um nun die Häufigkeit der interessierenden 230Thorium-Isotope in einer Probe zu bestimmen, lösen wir das Gestein auf und trennen Uran und Thorium von den übrigen Bestandteilen ab. Alle Arbeiten erfolgen in einem Reinraum, um eine Verunreinigung der Proben auszuschließen. Die Häufigkeit der Isotope 230Thorium, 232Thorium, 234Uran und 238Uran kann nun mit einem Massenspektrometer bestimmt werden. Die Messungen wurden gegen Standards geeicht, und so eine Reproduzierbarkeit von etwa 0,8 Prozent gewährleistet.

Unsere Analysen der Sintertapeten belegen, dass die Proben mit zunehmender Tiefe der Schicht immer älter werden. Solche aus maximal 1,5 Zentimetern Tiefe waren 2000 Jahre alt (mit einer Genauigkeit von etwa 200 Jahren), zwischen 1,5 und 3,0 Zentimeter Tiefe datierten sie auf bis zu 5000 Jahre vor heute. Demnach entstand die Wasseranlage schon lange vor dem Troia des Priamos.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 7 / 2000, Seite 70
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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