Anthropologie: Immer Ärger mit den Zähnen
Kürzlich hat sich meine Tochter ihre Weisheitszähne ziehen lassen. Als ich sie vom Kieferchirurgen abholte, erschien mir die Szenerie im Wartezimmer geradezu absurd: Wie am Fließband trotteten die Patienten schicksalsergeben in die Praxis, um mit eisgekühlten Bandagen am Kopf, einem geschenkten T-Shirt, einem Zettel mit Anweisungen für die Nachsorge sowie einem Rezept für Antibiotika und Schmerzmittel wieder herauszukommen.
Die Entfernung der Weisheitszähne entspricht bei uns in den USA schon fast einem Initiationsritus für junge Erwachsene. Aus meiner Sicht stimmt damit aber etwas Grundlegendes nicht. Als Anthropologe und Evolutionsbiologe studiere ich seit nunmehr drei Jahrzehnten die Zähne des Menschen und seiner Vorfahren sowie von etlichen weiteren biologischen Arten. Dabei kam ich zu der Überzeugung: Unsere Zahnprobleme sind nicht normal. Die meisten anderen Wirbeltiere haben mit ihrem Gebiss längst nicht so viele Schwierigkeiten wie wir. Schief stehende Zähne oder Karies kommen bei ihnen eher selten vor. Auch unsere fossilen Ahnen litten kaum unter falsch sitzenden Weisheitszähnen, und Zahnfleischentzündung kannten wohl nur die wenigsten.
Tatsächlich erweisen sich unsere Zähne als zutiefst widersprüchlich …
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