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Die Galileo-Mission

Zwei Jahre lang wird die Raumsonde, die während ihrer sechsjährigen Reise bereits an der Venus, zweimal an ihrem Ausgangsort Erde sowie an zwei Planetoiden vorbeigeflogen ist, den größten Planeten des Sonnensystems und seine Monde von nahem untersuchen.

Am 7. Dezember 1995, genau 2241 Tage nach ihrem Start, traf die Raumsonde Galileo endlich an ihrem eigentlichen Ziel ein: Jupiter. Bereits fünf Monate zuvor hatte sie eine Instrumentenkapsel abgestoßen, die auf einer ballistischen Bahn weiterflog und jetzt mit einer Geschwindigkeit von fast 50 Kilometern pro Sekunde in das dünne Gas der oberen Jupiteratmosphäre eintauchte; dabei leuchtete sie wie ein Meteor hell auf.

Innerhalb weniger Minuten öffnete sich ein Bremsfallschirm, und die Reste des teilweise abgeschmolzenen Hitzeschildes fielen ab. Beim weiteren Eindringen in die Gashülle des Riesenplaneten sendete das nun ungeschützte Modul etwa eine Stunde lang Daten über deren Zusammensetzung, Temperatur und Druck sowie über den Aufbau der Wolken an das Mutterschiff, das 200000 Kilometer höher vorbeizog.

Galileo übermittelte die Signale nicht gleich den auf der Erde wartenden Wissenschaftlern, sondern speicherte sie zunächst auf Magnetband. Nach dem Verstummen der Atmosphärensonde zündete eine Steuerrakete für fast eine Stunde, um das Raumfahrzeug auf eine weitgestreckte Umlaufbahn um Jupiter zu bringen. Damit gesellte es sich als künstlicher Mond zu den 16 bekannten natürlichen Satelliten des Planeten. Die vier größten – Io, Europa, Ganymed und Kallisto – hatte der italienische Naturforscher Galileo Galilei (1564 bis 1642) vor 385 Jahren entdeckt; ihm zu Ehren trägt die Sonde seinen Namen.

Das Galileo-Projekt war bereits Mitte der siebziger Jahre initiiert worden, nachdem Pioneer 10 und 11 als erste Instrumentensysteme den Jupiter passiert hatten und die beiden Nachfolgersonden Voyager 1 und 2 vorbereitet wurden. Um den Gasplaneten und seine sonderbaren Monde länger als nur wenige Stunden während eines Vorbeiflugs untersuchen zu können, legte 1976 ein Forscherteam unter der Leitung von James A. van Allen von der Universität von Iowa in Iowa City der amerikanischen Luft- und Raumfahrtbehörde NASA einen Missionsplan vor, der zwei Geräte umfaßte: eine relativ einfache Eintauchkapsel zur Untersuchung der Atmosphäre sowie einen Orbiter, der den Planeten etwa zwölfmal in zwei Jahren umrunden und dabei Informationen über ihn, seine Trabanten und sein gigantisches Magnetfeld übermitteln würde (siehe Kasten auf den Seiten 46 und 47 sowie Bild 4).

Nach Genehmigung der Mission sollte Galileo im Januar 1982 als erste interplanetare Raumsonde von einer amerikanischen Raumfähre aus gestartet werden. Doch sowohl das Space-Shuttle-Programm als auch die Entwicklung der dreistufigen Feststoff-Rakete, die Galileo den erforderlichen Schub für einen Flug zum Jupiter geben sollte, verzögerten sich durch technische Probleme. Nachdem die Verantwortlichen mehrere Alternativen diskutiert und wieder verworfen hatten, wurde das Antriebssystem durch eine einzige schubstarke Rakete mit flüssigem Wasserstoff als Treibmittel ersetzt. Der Start wurde nun auf Mai 1986 festgesetzt.

Im Januar 1986 jedoch, kurz nachdem Galileo vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) in Pasadena (Kalifornien) quer durch die USA zum Kennedy-Raumfahrtzentrum auf Kap Canaveral (Florida) transportiert worden war, explodierte die Raumfähre Challenger beim Start, wobei alle sieben Besatzungsmitglieder starben. Daraufhin wurden alle weiteren Shuttle-Missionen auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. Zudem erachtete man nun Galileos Flüssigwasserstoff-Rakete als zu gefährliche Fracht für ein Shuttle. Das einzige Antriebssystem, das für die Raumsonde noch hätte verwendet werden können, eine zweistufige Feststoff-Rakete, war nicht schubstark genug.

Eine Gruppe von Missionsplanern am JPL fand schließlich eine neuartige Lösung – einen interplanetaren Schleuderkurs: Galileo könnte nahe an Venus und zweimal wieder an der Erde vorbeifliegen, wobei die Sonde zusätzliche Energie aus der Bahnbewegung der Planeten gewinnen würde. Mit diesem trickreichen Verfahren (Swing-by-Technik und speziell im Falle von Galileo VEEGA genannt nach der englischen Bezeichnung Venus Earth Earth gravity assist) ließe sich die zu geringe Anfangsgeschwindigkeit erhöhen, so daß letztlich doch Jupiter zu erreichen wäre. Die komplizierte Bahn würde zudem zweimal durch den Planetoidengürtel zwischen Erde und Mars führen, wodurch erstmals zwei dieser wenige Kilometer großen Gesteinsbrocken aus nächster Nähe beobachtet werden könnten (Kasten rechts). Damit ließen sich sogar noch mehr wissenschaftliche Informationen erhalten als ursprünglich geplant.

Flug durch das innere Sonnensystem

Am 18. Oktober 1989 startete endlich die Raumfähre Atlantis mit Galileo in ihrer Ladebucht. Nach dem Aussetzen in der Erdumlaufbahn und dem Zünden der Feststoff-Raketen ging die Sonde auf Kurs – in Richtung Venus.

Auf dem Weg dorthin und während des gesamten Weiterflugs waren einige der Bordinstrumente in Betrieb (Kasten auf Seite 42). Das Magnetometer registrierte das interplanetare Magnetfeld sowie den Sonnenwind, jenen Strom geladener Teilchen, der von unserem Zentralgestirn ausgehend das ganze Sonnensystem durchquert. Auch ein im extremen Ultraviolett empfindliches Spektrometer lieferte von Anfang an aufschlußreiche Daten; aus ihnen ließ sich ermitteln, wie die Strahlung der Sonne von der heliographischen Breite abhängt. Damit wiederum vermochten die Forscher Modelle der Sonnendynamik zu verfeinern.

Selbst die Radiosender von Galileo, eigentlich nur für die Datenübermittlung vorgesehen, erbrachten zusätzliche Erkenntnisse. Als nämlich das Raumfahrzeug von der Erde aus gesehen gerade hinter der Sonne verschwand, mußten die Funkwellen sie tangential passieren. Anhand der Effekte in den empfangenen Signalen ließen sich Informationen über die turbulenten Prozesse auf der Oberfläche der Sonne gewinnen sowie über die Art und Weise, wie Materie von dort in den Sonnenwind übergeht.

Damit die Hauptantenne von Galileo auf diesem ersten Abschnitt der Reise durch die intensive Sonnenstrahlung keinen Schaden nahm, blieb sie hinter einem Schutzschild regenschirmartig zusammengeklappt. Die Sonde verfügt zwar noch über zwei kleine, weniger empfindliche Antennen, doch ließ sich wegen deren geringer Leistung kein nennenswerter Datenstrom über große Entfernungen übermitteln.

Deshalb war das Bandlaufwerk an Bord so programmiert, daß es die während des Vorbeiflugs an Venus aufgenommenen Meßwerte aufzeichnete. Als die Sonde sich dann im Dezember 1990 wieder der Erde näherte, wurden die Daten über die erdwärts gerichtete Low-Gain-Antenne übertragen. Die geringe Entfernung ermöglichte trotz der niedrigen Sendeleistung eine fehlerfreie Übermittlung. Damit wurden den Wissenschaftlern unter anderem Infrarotaufnahmen von der Venusatmosphäre zugänglich, auf denen erstmals Struktur und Dynamik der unteren Wolkenschichten zu erkennen waren (Bild 2).

Galileo konnte auch die Erde aus interplanetarer Perspektive beobachten und machte beeindruckende Filmaufnahmen unseres Heimatplaneten. Sie untersuchte die Außenbereiche des Erdmagnetfeldes und lieferte die seit Ende des amerikanischen Apollo-Programms ersten Messungen der Mondrückseite. Diese Bilder enthüllten vulkanische Aktivitäten aus der Frühzeit des Erdtrabanten in Gebieten, die nicht von Astronauten besucht werden konnten, und bestätigten überzeugend das Vorhandensein eines riesigen alten Einschlagbeckens, das als Südpol-Aitken-Becken bezeichnet wird.


Schwierige Kommunikation

Bald nach diesem Zwischenerfolg trat ein schwerwiegendes technisches Problem auf. Weil die Raumsonde nun weit genug von der Sonne entfernt war, gab die Bodenkontrolle per Funk den Befehl, die Hauptantenne zu entfalten. Die Motoren liefen kaum zehn Sekunden lang und blockierten dann. Eine spätere Analyse ergab, daß mehrere – möglicherweise drei – Streben nicht ausgefahren worden waren. Die Antenne war damit genauso nutzlos wie ein lädierter Regenschirm.

Trotz intensiver Anstrengungen gelang es auch in der Zwischenzeit nicht, den Mechanismus zu öffnen. Die Ingenieure vermuten, daß die Streben dauerhaft verklemmt sind – vermutlich wegen Schmiermittelverlusten während der langen Transporte, als die Sonde zunächst 1986 von Kalifornien nach Florida und wieder zurück gefahren wurde, um schließlich 1989 erneut zum Startplatz gebracht zu werden.

Einige bange Monate lang schien damit die Orbitalmission von Galileo zum Scheitern verurteilt zu sein. Die Meßdaten der Atmosphärensonde konnten immerhin über die Low-Gain-Antenne zur Erde übermittelt werden, die seit dem Start für die Kommunikation genutzt wurde; doch die Information über die Erkundungen aus der Jupiter-Umlaufbahn hing empfindlich von der Hauptantenne ab, deren Übertragungsrate 134000 Bit pro Sekunde betragen hätte (dies entspricht etwa der doppelten Kapazität eines ISDN-Kanals). Nach zahlreichen Krisensitzungen gelangte das Planungsteam aber schließlich zu der Überzeugung, daß sich ein Großteil der wissenschaftlichen Erkenntnisse auch mit der kleinen Antenne gewinnen lassen müßte, obwohl diese von Jupiter aus nur 10 Bit pro Sekunde übertragen kann.

Die dringendste Sorge war zu jenem Zeitpunkt das bevorstehende Rendezvous mit Gaspra, das erste eines Raumfahrzeugs mit einem Planetoiden überhaupt. Die seit langem ausgearbeiteten Beobachtungspläne beruhten auf der raschen Kommunikation über die Hauptantenne. Man wollte über sie sowohl Steuerungssignale übertragen, um die Sonde nahe an den Himmelkörper heranzubringen, als auch die von ihm aufgenommenen Meßdaten zur Erde senden.

Nach fieberhafter Arbeit fanden die Ingenieure heraus, wie sie anstelle der mindestens 20 geplanten Bilder, die für das Annäherungsmanöver erforderlich waren, mit fünf auskommen konnten. Man ließ einfach den Kameraverschluß längere Zeit geöffnet, so daß die zur Orientierung dienenden Sterne als Strichspuren erschienen; somit konnte eine Langzeitaufnahme mehrere kurz belichtete Bilder ersetzen. Die verfügbare Zeit reichte gerade aus, um diese kritischen Aufnahmen, mit denen die exakte Position von Galileo festgelegt wurde, über die Low-Gain-Antenne zu empfangen. Zahlreiche astronomische Institute in der Welt unterstützten das Vorhaben durch genaue Verfolgung der Bahn von Gaspra.

Das Magnetband an Bord von Galileo, das während des Vorbeiflugs an der Venus eingesetzt worden war, diente nun zum Speichern der Bilder des Kleinplaneten. Weil die Sonde sich der Erde noch einmal nähern würde, konnten die Aufzeichnungen dann über die kleine Antenne übermittelt werden. Durch diese Strategie ließen sich die wichtigsten Experimente trotz des Verlusts der Hauptantenne durchführen.


Rendezvous mit Gaspra und Ida

Dennoch wollten wir gleich nach der Begegnung einige Bilder haben, um den Lohn unserer Mühe zu sehen. Die Navigation war äußerst präzise. Die ersten Nahaufnahmen, die je von einem Planetoiden gemacht wurden, offenbarten einen unregelmäßig geformten Felskörper, der zwar zahlreiche kleine Einschlagskrater, aber weniger große aufweist als erwartet. Viele der Objekte im Planetoidengürtel müssen demnach kleiner sein als zuvor angenommen. Und wie es scheint, war Gaspra vor relativ kurzer Zeit – etwa vor 300 bis 500 Millionen Jahren – von einem größeren felsigen Himmelskörper abgesplittert.

Als Galileo im Dezember 1992 zum zweiten und letzten Mal die Erde passierte, wurden die restlichen Daten übertragen. Interessanterweise zeigten sie, daß das interplanetare Magnetfeld in der Nähe von Gaspra seine Richtung geändert hatte, so als ob es einem magnetischen Hindernis gegenüberstünde. Falls Gaspra ein Magnetfeld besäße, könnte der Planetoid auf solche Weise den Sonnenwind beeinflußt haben. Offensichtlich sind die magnetischen Eigenschaften dieser Gesteinsbrocken wesentlich interessanter als ursprünglich vermutet.

Die zweite Begegnung mit der Erde bot eine gute Gelegenheit, die Bordinstrumente zu kalibrieren. Zudem lieferte Galileo von der bis dahin wenig untersuchten nördlichen Polregion des Mondes ausgezeichnete Bilder und sozusagen als Abschiedsgeschenk einen schönen Film, auf dem unser Heimatplanet und der Mond nebeneinander zu sehen sind.

Durch den nahen Vorbeiflug an der Erde in nur 300 Kilometern Höhe gewann die Raumsonde am 8. Dezember 1992 endlich die Richtung und Geschwindigkeit, um zu Jupiter vordringen zu können. (Als Folge davon bremste sie die Erde auf ihrer Bahnbewegung um einen winzigen Betrag ab. Glücklicherweise ist dieser Effekt weitaus geringer als die Störungen durch die Gravitationswirkung der anderen planetaren Körper, so daß wir dazu nicht noch eine Umweltverträglichkeitsstudie anfertigen mußten!) Die Flugbahn wurde so korrigiert, daß Galileo am 7. Dezember 1995 bei Jupiter eintreffen würde. Doch zuvor, am 28. August 1993, sollte die Sonde noch dem Planetoiden Ida begegnen.

Dieses Ereignis war eine neue Herausforderung. Diesmal würde kein weiterer Vorbeiflug an der Erde die Chance bieten, das Kommunikationsproblem zu umgehen. Die Ida-Daten konnten mit maximal 40 Bit pro Sekunde übertragen werden. Dennoch wollten die Forscher Galileo halb so weit an Ida vorbeifliegen lassen wie an Gaspra. Da Ida zudem doppelt so groß ist, würde jede Aufnahme die vierfache Fläche umfassen.

Die Navigationsexperten taten alles, um noch bessere Steuerungsdaten zu erhalten als für Gaspra. Verfahren zum Durchsuchen der Bandaufzeichnungen wurden entwickelt, damit Bilder, auf denen nur leerer Himmel zu sehen war, nicht übertragen werden mußten. Selbst die Natur half ein wenig mit: Ida hat eine Rotationsperiode von 4,65 Stunden, etwa zwei Drittel der Periode von Gaspra, so daß Galileo alle Seiten des Planetoiden aus größerer Nähe sehen würde.

Bereits die ersten Aufnahmen zeigten einen extrem unregelmäßig geformten, etwa 56 Kilometer langen Körper mit einer stark kraterzerfurchten Oberfläche. Ida gehört einer Gruppe von Planetoiden an, der Koronis-Familie, die man als Überreste eines einstmals größeren Planetoiden von etwa 100 Kilometer Durchmesser erachtet. Einige Theoretiker hatten vermutet, daß dieser vor höchstens einigen Dutzend Millionen Jahren zerbrach. Doch Idas Oberfläche scheint bereits seit mindestens einer Milliarde Jahren einem Bombardement von kratererzeugenden Partikeln ausgesetzt zu sein, so daß die Koronis-Familie wohl erheblich älter ist als zuvor angenommen.

Auch das war freilich nicht die letzte Überraschung. Im Februar 1994 begannen Wissenschaftler, die restlichen Ida-Daten auf dem Magnetband zu durchsuchen. Von manchen Aufnahmen waren streifenförmige Segmente (jeweils einige Bildzeilen in gewissem Abstand, von den Forschern treffend jailbars – Gefängnisgitterstäbe – genannt) übertragen worden, um ihren Inhalt grob beurteilen zu können. Die Bereiche, auf denen Ida zu sehen war, hatte man für eine spätere vollständige Übertragung markiert.

Als Ann Harch von der Bildbearbeitungsgruppe diese Streifenmuster zum ersten Mal untersuchte, bemerkte sie einen seltsamen Lichtfleck neben dem Kleinplaneten (Bild 3 links). Sie dachte zunächst an ein fernes kosmisches Objekt, das zufälligerweise im Hintergrund sichtbar sein könnte. Doch da sich in astronomischen Katalogen nichts derartiges finden ließ, schlossen sie und ihre Kollegen, daß es sich um einen sehr kleinen Planetoiden – vielleicht sogar um einen Mond von Ida – handeln müsse.

Die für Infrarotaufnahmen zuständige Gruppe, die ebenfalls Streifenbilder besaß, bestätigte dies. Die Forscher stellten jedoch schnell fest, daß sich die beiden Ansichten des Objekts geringfügig unterschieden. Nach der Berechnung der Parallaxen erkannten sie, daß der Gesteinsbrocken etwa 100 Kilometer von Idas Zentrum entfernt war und seine Position in den wenigen Minuten zwischen den Aufnahmen kaum verändert hatte. Damit mußte es sich wirklich um einen Begleiter des Planetoiden handeln. Die Internationale Astronomische Union hat dies mittlerweile anerkannt und den Mond Dactyl genannt (nach den Daktyloi Idaioi, den "Däumlingen vom Ida", einer Gruppe von Kobolden aus der griechischen Mythologie, die das Ida-Gebirge auf Kreta bewohnten).

Es zeigte sich, daß praktisch jedes Bild von Ida auch Dactyl enthielt (Bild 3 rechts). Auf den hochaufgelösten Aufnahmen ist der Mond als kartoffelförmiges, pockennarbiges Objekt erkennbar und kann folglich kein junges Kollisionsfragment sein. Er umrundet Ida mit einer Periode von mindestens 24 Stunden. Der Bereich möglicher Umlaufbahnen, der mit den Beobachtungen verträglich ist, half bei der Bestimmung der Masse und damit auch der Dichte von Ida, die einen für viele irdische Gesteine und Steinmeteoriten typischen Wert aufweist.

Die Entdeckung von Idas Mond warf viele Fragen auf, zum Beispiel nach seiner Entstehung. Der Einschlag eines Himmelskörpers hätte zwar Trümmer von Ida hochschleudern können; doch müßte dann Dactyl zufällig mit einem weiteren Fragment so zusammengestoßen sein, daß er weder davonflog noch wieder auf den Planetoiden zurückfiel, sondern auf eine Umlaufbahn geriet. Wahrscheinlicher ist vielmehr, daß beide Felsbrocken gleichzeitig beim Auseinanderbrechen des Mutterkörpers der Koronis-Familie entstanden und durch ihre Gravitation gekoppelt blieben.

Die Astronomen sind sich noch nicht einig darüber, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Planetoid einen Trabanten haben kann und wie lange sich ein solcher auf einem Orbit zu halten vermag. Seit Anfang dieses Jahrhunderts gab es verschiedentlich Hinweise, daß manche Kleinplaneten in Wahrheit aus zwei einander eng umkreisenden Körpern bestehen. Aber gravitative Störungen durch Sonne und Planeten, insbesondere durch Jupiter, sollten kleine Felsbrocken relativ rasch aus einem schwachen Schwerefeld herausziehen. Dactyl ist zwar wegen seines geringen Abstandes zu Ida relativ stark an den Planetoiden gebunden, doch ist ungewiß, für wie lange.


Annäherung an Jupiter

Im Juli 1994, anderthalb Jahre vor der Ankunft am Hauptreiseziel, wurde Galileo unversehens Zeuge eines spektakulären Schauspiels, als die Bruchstücke des Kometen Shoemaker-Levy 9 auf der Nachtseite des Jupiter niedergingen (Spektrum der Wissenschaft, September 1994, Seite 18, und Oktober 1995, Seite 62). Die Computersteuerung der Bordinstrumente mußte allerdings schon Monate vor dem Ereignis festgelegt werden, als die Einschlagszeitpunkte noch nicht präzise bekannt waren. Wegen dieser Unsicherheit wurden viel mehr Bilder gespeichert, als die Low-Gain-Antenne zur Erde übermitteln konnte. Das Magnetband wurde deshalb später mit denselben Verfahren durchsucht wie schon nach dem Vorbeiflug an Ida. Des weiteren halfen Auswertungen der Beobachtungen von der Erde und vom Hubble-Weltraumteleskop, diejenigen Bereiche des Bandes zu lokalisieren, die Daten des Einschlags enthielten, und nur diese zu übermitteln.

Galileo konnte das Eindringen und die Explosion mehrerer Fragmente des Kometen im sichtbaren Licht und im nahen Infrarot registrieren. Zu den spektakulärsten Aufnahmen gehören jene alle 2,33 Sekunden im grünen Licht aufgenommenen, die den Einschlag des mit W bezeichneten letzten Fragmentes erfaßten. Diese Bildserie zeigt den zur Hälfte beleuchteten Jupiter, auf dessen Nachtseite ein heller Punkt aufglüht und wieder verschwindet.

Den Einschlag des großen Fragments G hatten zudem verschiedene Strahlungsmeßgeräte (Ultraviolett- und Infrarot-Spektrometer sowie Photopolarimeter) verfolgt. Damit ließen sich Größe, Temperatur und Höhe des Feuerballs direkt ermitteln. Er entstand als Blase von etwa acht Kilometern Durchmesser und mit einer Temperatur von ungefähr 7500 Kelvin, die sich während des Aufstiegs in der Atmosphäre rasch abkühlte und ausdehnte. Die Auswertung aller Aufnahmen wird noch Jahre dauern.

Seit Mitte 1994 registriert Galileos Staubdetektor Teilchenströme aus Richtung Jupiter. Im August 1995, immerhin noch 62 Millionen Kilometer vom Riesenplaneten entfernt, pflügte die Sonde durch den dichtesten Staubsturm, der jemals registriert wurde. Vier Wochen lang prallten Tag für Tag bis zu 20000 Mikrometeorite mit einer Geschwindigkeit von 40 bis 200 Kilometern pro Sekunde auf den Detektor. Diese Körnchen – nicht größer als die Partikel im Zigarettenrauch und damit zu klein, um die Raumsonde zu beschädigen – könnten entweder von den Ringen des Planeten oder von den Vulkanen seines Mondes Io stammen. Sie sind vermutlich elektrisch geladen, so daß sie von Jupiters Magnetfeld beschleunigt und weit in den Weltraum hinausgeschleudert werden.

Am 11. Oktober wurden die Galileo-Projektleiter mit einem neuen Problem konfrontiert: Das Bandlaufwerk, das seit Jahren verläßlich funktioniert hatte, stoppte nach dem Zurückspulen des Bandes nicht mehr und hing 15 Stunden lang fest. Zunächst schien damit die Aufzeichnungsfähigkeit ernstlich beeinträchtigt zu sein. Ein Test einige Tage später ergab jedoch, daß das Gerät weiterhin betriebsbereit ist. Sicherheitshalber beschlossen die Verantwortlichen, das durch den Vorfall mechanisch stark beanspruchte Bandsegment für die künftige Datenspeicherung auszusparen.

Infolge dieser Entscheidung konnte das Raumfahrzeug zu Beginn der eigentlichen Mission, als es am 7. Dezember 1995 nahe an dem Jupitermond Io vorbeiflog, keine Aufnahmen von seiner Oberfläche aufzeichnen (Bild 1). Statt dessen wurde das Magnetband genutzt, um die Funksignale der Eintauchsonde bei ihrem Eintritt in die Jupiteratmosphäre zu speichern und anschließend zur Erde zu übertragen. Diese Meßdaten (die ohne weiteres auf einer normalen Diskette Platz finden würden) sind die ersten, die genaueren Aufschluß über die Zusammensetzung der Gashülle des Riesenplaneten geben können. Im weiteren Verlauf der Mission wird Galileo wie vorgesehen eine Vielzahl von Beobachtungen des Planeten, seiner größten Monde sowie des gigantischen Magnetfeldes durchführen.

Die Raumsonde wird dann über wesentlich bessere Fähigkeiten verfügen als beim Start. Als die Computer von Galileo zum ersten Mal programmiert wurden, waren die Verfahren zur Datenkompression noch ziemlich primitiv. Zwischenzeitlich wurde per Funk ein völlig neues Betriebssystem übermittelt, das weitreichende Prozessierung, Bearbeitung und Kompression der Daten an Bord ermöglicht, wobei der Informationsgehalt pro Bit um mindestens das Zehnfache erhöht wird.

Zusätzlich ist die Modifizierung des sogenannten Deep Space Network – das aus drei Empfangsstationen in Goldstone (Kalifornien), Madrid (Spanien) und Canberra (Australien) besteht – abgeschlossen, um die schwachen Funksignale der Low-Gain-Antenne auffangen zu können. Jeweils um 120 Grad geographischer Länge versetzt, vermögen diese Stationen jederzeit mit jedem Raumfahrzeug Funkkontakt zu halten. Die Antennen werden üblicherweise einzeln benutzt, um verschiedene Sonden zu verfolgen. Wenn aber wie jetzt bei der Galileo-Mission hohe Empfindlichkeit erforderlich ist, lassen sie sich elektronisch zusammenschalten, so daß sie die Leistungsfähigkeit einer viel größeren Antenne erreichen.

Diese Verbesserungen sowie andere technische Änderungen in der Datenübermittlung werden die Übertragungsrate auf etwa 1000 Bit pro Sekunde erhöhen. Damit lassen sich die Hauptaufgaben von Galileo erfüllen: etwa 2000 hochaufgelöste Aufnahmen Jupiters und seiner Monde sowie Meßwerte seines Magnetfelds zu liefern. Auf den Photos werden Einzelheiten von wenigen hundert Metern Größe erkennbar sein. Einige andere ursprünglich vorgesehene Projekte wie die Beobachtung magnetischer Phänomene mit sehr hoher zeitlicher Auflösung oder Filmaufnahmen des Großen Roten Flecks, eines gigantischen Wolkenwirbels, sind wegen des Ausfalls der Hauptantenne nicht möglich.

Es läßt sich noch nicht sagen, welche neuen Erkenntnisse während der zweijährigen Erkundung des Jupitersystems zu gewärtigen sind und wieviel Informationen Galileo noch hätte übermitteln können, wenn alle Bordgeräte – insbesondere zur Kommunikation mit der fernen Erde – voll funktionstüchtig geblieben wären. Doch das Bodenteam hat bereits in den vergangenen Jahren bewiesen, daß durch geschicktes Ausnutzen der Sondenausstattung und selbst mit extrem geringen Bitraten wissenschaftlich bemerkenswerte Aufschlüsse zu gewinnen sind. Ein Großteil der ursprünglich geplanten Mission wird sich auf jeden Fall durchführen lassen, so daß faszinierende Entdeckungen bevorstehen.

Literaturhinweise

- Jupiter: The Giant Planet. Von Reta Beebe. Simon & Schuster, 1994.

– Planetenwelten. Eine Entdeckungsreise durch das Sonnensystem. Von David Morrison. Spektrum Akademischer Verlag, 1995.

– Aktuelle Informationen über das Galileo-Projekt sind im World-Wide Web erhältlich. Zugang über die Home Page unter: http://www.jpl.nasa.gov/galileo/.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 1 / 1996, Seite 40
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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