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Die große Enzyklopädie der Flugsaurier. Illustrierte Naturgeschichte der fliegenden Saurier


Unter den zahlreichen Sachbüchern über Saurier, insbesondere die populären Dinosaurier, sind nur wenige empfehlenswert. Die meisten sind unkompetent übersetzte Versionen angelsächsischer Originalausgaben.

Von diesen hebt sich das vorliegende – ebenfalls zuerst auf Englisch veröffentlichte – Werk des Münchener Wirbeltierpaläontologen Peter Wellnhofer wohltuend ab. Dem Hauptkonservator und stellvertretenden Direktor der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und historische Geologie ist es in hervorragender Weise gelungen, die Flugsaurier allgemein bekannt zu machen. Außer dem Dinosaurier-Buch von David Norman – wie die Originalausgabe des vorliegenden Werkes bei Salamander Books erschienen – kenne ich kein weiteres Buch, das eine Gruppe fossiler Reptilien so kompetent, umfassend und in ausgezeichneten, durchwegs farbigen Lebensbildern darstellt.

Nach einem einleitenden Kapitel über das erdgeschichtliche Vorkommen, die Fossilisation, Bergung und Präparation von Flugsauriern sowie ihre Stellung im System der Wirbeltiere schildert Wellnhofer in außerordentlich spannender Form ihre Entdeckungs- und Erforschungsgeschichte bis hin zur Rekonstruktion des Fluges. Zahlreiche Abbildungen, Zeichnungen und Graphiken erleichtern das Verständnis und ermöglichen eine Vorstellung von diesen Flugreptilien.

Ursprung und Verwandtschaftsverhältnisse sowie die Frage, wie sich der aktive (nicht nur gleitende) Flug bei Reptilien entwickelte, sind Themen des Kapitels „Was sind Flugsaurier?“ Dabei stellt Wellnhofer gleichzeitig die klassische paläontologische Arbeitsweise vor: Dokumentation, Zeichnung, Interpretation und Rekonstruktion.

Während in diesem Kapitel – größtenteils von Wellnhofer selbst gezeichnete – Schwarzweißbilder von Skeletten oder deren Teilen dominieren, werden in den folgenden Kapiteln die Flugsaurier der Trias-, Jura- und Kreidezeit in den großartigen Lebensbildern von John Sibbick gleichsam zum Leben wiedererweckt. So entstand ein Bildatlas aller bis heute bekannten Flugsaurier-Funde, der durch Photographien, Angaben zu Alter und Fundort sowie Literaturhinweise wissenschaftliche Qualität gewinnt.

Im dritten großen Abschnitt der Enzyklopädie faßt Wellnhofer – einiges wiederholend, ohne langweilig zu werden – das gesamte bisher gewonnene Wissen über die Lebensweise der Flugsaurier zusammen. Man erfährt zum Beispiel, daß das Flugvermögen, der durch diese Anforderung bedingte Skelettumbau sowie die Physiologie der Flugsaurier durch die Fossilinterpretation weitgehend aufgeklärt sind. Die Fortbewegungsweise an Land und im Wasser, in Einzelfällen auch die Ernährungsweise, die Reproduktion und schließlich das Aussterben geben jedoch noch immer Rätsel auf.

Die im Schlußkapitel gegebene Übersicht über die verschiedenen Versuche der Wirbeltiere, den Luftraum zu erobern – wobei als aktive Flieger einzig Vögel und Fledermäuse mit den Flugsauriern verglichen werden können –, wird der Leser besonders schätzen. Denn hier findet er die geradezu phantastisch anmutenden Experimente der Natur vorgestellt, in deren Verlauf die Reptilien die Flugfähigkeit erwarben und die oft nur in schwer zugänglicher Spezialliteratur beschrieben sind.

Mit der systematischen Klassifikation der Flugsaurier, einem Verzeichnis der Museen, in welchen die wichtigsten Funde zu sehen sind, einem Glossar und einem Register werden auch alle Ansprüche erfüllt, die an ein Fachlexikon zu stellen sind. Ein großartiges, faszinierendes Buch, das man gesehen und gelesen haben muß.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 1993, Seite 130
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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