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Endgeräte: Die Mega-Handys

Das Versprechen der grenzenlosen Datenfreiheit kann nur erfüllen, wer dazu geeignete Handys, Displays und Software auf den Markt bringt.


UMTS, das sei die Zukunft des Mobilfunks, prophezeien die Betreiber der Netze. Doch mit welchen Handys soll es der umworbene Kunde nutzen? "Zwar findet man in den Entwicklungslabors Designstudien und Prototypen aller Art, wohin aber die Reise geht, ist vielen Herstellern offenbar noch nicht klar", urteilt Uwe Baumgarten, Informatiker an der Technischen Universität München und am BMBF-Projekt "Community Online Services and Mobile Solutions" beteiligt. Nur eines ist sicher: Einen einzigen Typ von UMTS-Handy wird es nicht geben, sondern eher eine Vielzahl von Varianten, die auf unterschiedliche Bedürfnisse zugeschnitten sind.

Vor allem mit drei Problemen, so Baumgarten, hätten alle zu kämpfen: Die zu bewältigende Datenmenge, die Größe der Displays und der zwangsläufig wachsende Energiehunger der Geräte.

UMTS-fähige Handys, Notebooks und sonstige Endgeräte sollen nicht nur Internetseiten empfangen, sondern über eingebaute Kameras auch Bilder aufnehmen und verschicken können. Doch jede Sekunde eines digitalen Videofilms in VHS-Qualität verschlingt rund 64 Megabit. Selbst bei der im praktischen Einsatz kaum realisierbaren maximalen UMTS-Übertragungsrate von zwei Megabit pro Sekunde (Mbps) würde es Stunden dauern, bis sich alle Pixel auch nur zu einem kleinen Videoclip zusammengefunden hätten. Die Daten müssen deshalb komprimiert werden. Dazu gibt es bereits Techniken, die für den Versand über das Internet oder bei digitalen Camcordern eingesetzt werden. Für UMTS-Netze sollen sie weiterentwickelt werden.

Mit den Kompressionsverfahren nach den so genannten MPEG-Standards lassen sich Videodateien um den Faktor Hundert und mehr verkleinern, Audiodaten sogar um mehr als den Faktor 170. Beim Verdichten geht zwar Information verloren, doch machten sich die Entwickler der Verfahren zu Nutze, dass die Wahrnehmung des Menschen ihre Schwächen hat: Beispielsweise können Auge und Gehirn diagonale Muster in einem Bild schlechter erkennen als horizontale und vertikale. Also dürfen solche Strukturen gröber dargestellt werden, und die erforderliche Bitrate sinkt.

Aber auch das reicht nicht aus, wie Uwe Rauschenbach, Forscher bei Siemens in München, feststellt: "Große Bilder akzeptabel auf ein kleines Display zu bringen, das gleicht dem Problem, ein Kamel durchs Nadelöhr zu schieben." Wie dies dennoch zu lösen ist, hat der promovierte Informatiker in Arbeiten beschrieben, für die er den Förderpreis der Mannesmann-Mobilfunk-Stiftung 2001 erhielt: "Das Bild wird nicht sofort komplett übertragen, sondern der Nutzer sucht zunächst aus einer gröberen Vorschau Regionen aus, die er detailliert sehen will." Die Auswahl erfolgt mit einem Stift auf dem berührungsempfindlichen Display. Die betreffenden Bereiche werden in hoher Qualität übertragen, erst dann – falls gewünscht – die übrigen Bildanteile. Aber auch der Autor, der das Bild ins Internet stellt, kann ihm wichtige Teile, die "Regionsof Interest", festlegen und sie bevorzugt senden lassen. Ein solches Vorgehen unterstützt auch der vor kurzem verabschiedete Bilddaten-Standard JPEG 2000 (Spektrum der Wissenschaft 7/2001, S. 84). Rauschenbachs Lösungen zeichnen sich durch besonders kurze Übertragungszeiten aus.

Für Stadtpläne oder Landkarten eignet sich auch ein anderes Verfahren, um die Kosten für den Nutzer zu senken, eine Art Fish-Eye-Technik. Dazu wird ein Bild in viele Felder aufgeteilt, die perspektivisch verzerrt und mit geringer Auflösung auf dem Display erscheinen. Wichtige Details sind trotzdem noch erkennbar. Durch Antippen eines entsprechenden Feldes öffnet sich eine rechteckige Lupe und der gewählte Bildausschnitt erscheint im Original, also unverzerrt. Interessieren darüber hinaus benachbarte Bereiche, lässt sich die Lupe dorthin verschieben. Der Vorteil: Nur die angewählten Bildbereiche werden aus dem Netz abgerufen und kosten Geld.

Aber selbst mit der raffiniertesten Übertragungstechnik wird der optische Eindruck deutlich geschmälert, wenn die Monitore, auf denen Videos, Karten und Web-Seiten dargestellt werden, die Größe von Briefmarken haben. Dem abzuhelfen versprechen alle Gerätehersteller, doch die Frage ist "Wie?". Einige wollen auf die Tastatur verzichten, den gewonnenen Platz für ein größeres Display nutzen, in das bei Bedarf eine Tastatur eingeblendet wird, die mit Stift oder Fingerkuppe bedient wird. Solche Smartphones haben Nokia und Motorola auf der CeBIT 2001 vorgestellt. Ericsson geht mit dem flexiblen Bildschirm einen anderen Weg: Aus einem Gerätefach entrollt sich eine Art Kunststofffolie, auf die eine ganze Zeitungsseite passt. An solch biegsamen Displays oder elektronischem Papier mit submikrometerkleinen Kügelchen, die sich in einem elektrischen Feld orientieren, wird weltweit geforscht.

Dass es möglicherweise auch ganz ohne Bildschirm geht, beweist das Unternehmen Ericsson in einer anderen Studie. Eine Optik in dem nur etwa scheckkartengroßen Telefon projiziert Bilder und Texte im DIN A4-Format auf den Tisch oder ein Blatt Papier. Auf den ersten Blick eine charmante Idee. Doch ein solcher Bildwerfer könnte den Handy-Akku schneller in die Knie zwingen, als dem Nutzer lieb ist. Überhaupt werfen künftige Endgeräte immer größere Energieprobleme auf, warnt Uwe Baumgarten.

Denn mehr Leistung kostet auch mehr Strom. Energie sparende Monitore könnten vielleicht auf Kunststoff-Leuchtdioden basieren. Firmen wie Kodak, Osram und Pioneer arbeiten an organischen LEDs, die nicht nur farbig und mit hoher Leuchtkraft strahlen sollen, sondern bei Spannungen von unter fünf Volt auch nur sehr wenig Energie verbrauchen.

Auf der anderen Seite ersinnen Forscher neue Energiequellen für Mobilgeräte. So werden wieder aufladbare Batterien an die Bedingungen der Handys angepasst: Die Firma Varta hat zum Beispiel erste formbare und flache Polymer-Batterien entwickelt. Auch wird weltweit an nur wenige Zentimeter großen Mikro-Brennstoffzellen gearbeitet (Spektrum der Wissenschaft 7/2001, S. 48). Beispielsweise präsentierte das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg auf der diesjährigen Hannovermesse ein System von der Größe etwa einer Streichholzschachtel, das bereits zehn Watt bei einer Spannung von acht Volt bringt.

Für ein Handy wäre diese Brennstoffzelle freilich noch zu klobig und zu schwer. Das Fraunhofer-Gerät benötigt reinen Wasserstoff, der in Metallhydriden gespeichert wird. Die israelisch-amerikanische Firma Medis Technologies hält Patente für eine direkt mit Methanol zu betreibende Brennstoffzelle, deren Energiedichte schließlich ausreichen soll, um die Sprechzeit von Handys zu verzehnfachen und eine Stand-by-Zeit von mehr als zwanzig Tagen mit einer Brennstofffüllung zu erreichen. Diese Werte gelten jedoch für GSM-Handys – wie viel bei den künftigen UMTS-Energiefressern möglich ist, muss sich erst noch zeigen.

Literaturhinweise


Bilddatenkompression. Von Tilo Strutz. Vieweg Braunschweig/Wiesbaden, 2000.

Einführung in die Informations- und Codierungstheorie. Von Hermann Rohling. Teubner, 1995.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 10 / 2001, Seite 79
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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