Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Verdichtete Mengen: Neubau der Mathematik

Das Fach neu aufrollen: Nichts geringeres haben sich Peter Scholze und Dustin Clausen vorgenommen. Mit dem revolutionären Ansatz der verdichteten Mengen begeistern sie die Fachwelt.
Röntgenechos um V404 Cygni, dargestellt als blaue Ringe auf einer Abbildung des Sternenhimmels im sichtbaren Licht.

»Das ist falsch«, durchdringt es die Stille. Der Kreidestaub spiegelt sich in den Lichtstrahlen, die sich ihren Weg durch die imposanten Buntglasfenster bahnen. In dem mit dunklen Holzvertäfelungen gesäumten Hörsaal in Bonn heben etwa ein Dutzend Studierende den Kopf und starren an die Leinwand. Quietschend kritzelt der Vortragende dort kryptische Zeichen an eine Tafel – und stockt. Im knapp 800 Kilometer entfernten Kopenhagen kratzt er sich am Kopf und fährt mit seinem Finger das zuletzt Geschriebene entlang.

»Eigentlich hatte ich mir dazu etwas überlegt …« Wieder hält er inne. Man könnte regelrecht eine Stecknadel fallen hören. In der ersten Reihe sitzt der Störenfried, er ist dem Vortragenden zum Verwechseln ähnlich: Mitte 30, lange, dunkle Haare, große Statur, schlanke Figur. Sie heben sich kaum von den anwesenden Studierenden ab. Und doch sind sie die Professoren – und zudem keine Unbekannten: Dustin Clausen hält die Vorlesung in der Universität Kopenhagen, während Peter Scholze ihm mit den anderen Zuhörern in Bonn aufmerksam lauscht.

»So stimmt es nicht«, sagt Scholze und lehnt sich zurück. Dann platzt es aus ihm heraus, welche Einschränkungen nötig sind, damit Clausens Aussage korrekt wird. Dieser nickt: »Ich muss kurz darüber nachdenken.« Wieder ein paar Momente Stille. »Okay, ich bringe es später in Ordnung«, schließt er und setzt den Vortrag fort: Definition, Satz, Beweis.

Wer erwartet hat, in dieser Mathematik-Vorlesung Zahlen anzutreffen, wird enttäuscht. Über 90 Minuten stellt Clausen grundlegende Konzepte aus der komplexen Analysis vor – ein Thema, das fester Bestandteil des Bachelor-Studiums der Mathematik ist. Die Studierenden wirken allerdings nicht, als hätten sie ihr Studium gerade erst begonnen. Im Gegenteil, viele von ihnen promovieren schon oder sind Postdocs. Tatsächlich verfolgen online auch Professoren den Vortrag.

Der Grund für ihr Interesse: Die Dozenten, Scholze und Clausen, krempeln gerade große Teile der Mathematik um …

Kennen Sie schon …

Spektrum - Die Woche – Zwei junge Forscher stellen die Mathematik auf den Kopf

Treten Sie ein in den Bonner Hörsaal, in dem zwei junge Mathematiker im Juni 2022 damit begannen, durch ihren revolutionären Ansatz der verdichteten Mengen die Regeln des Fachs neu zu schreiben! Außerdem in dieser Ausgabe: ein mutiger Vermittlungsansatz im ewigen Streit der Bewusstseinstheorien.

Spektrum der Wissenschaft – KI und ihr biologisches Vorbild

Künstliche Intelligenz erlebt zurzeit einen rasanten Aufschwung. Mittels ausgeklügelter neuronaler Netze lernen Computer selbstständig; umgekehrt analysieren Soft- und Hardware neuronale Prozesse im Gehirn. Doch wie funktioniert das biologische Vorbild der KI unser Gehirn? Was ist Bewusstsein und lässt sich dieses Rätsel lösen? Auf welche Weise kreiert unser Denkorgan Gefühle wie Liebe? Können Maschinen Gefühle verstehen? Erfahren Sie mehr aus dem Spannungsfeld zwischen natürlicher und künstlicher Intelligenz!

Spektrum - Die Woche – Auf ewig Postdoc

Sie hangeln sich von Vertrag zu Vertrag, pendeln von Kontinent zu Kontinent. Kein Wunder, dass Postdoc-Beschäftigte zunehmend unzufrieden mit ihren Lebensverhältnissen sind. Außerdem stellen wir in dieser Ausgabe die ersten Bilder von Euclid vor und fühlen de Kategorientheorie auf den Zahn.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

  • Quellen

Bhatt, B., Scholze, P.: The pro-étale topology for schemes. arXiv:1309.1198, 2013

Fargues, L., Scholze, P.: Geometrization of the local Langlands correspondence. 2102.13459, 2021

Scholze, P., Clausen, D.: Lectures on condensed mathematics, 2019

Scholze, P., Clausen, D.: Lectures on Analytic Geometry, 2020

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.