Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Infektionskrankheiten: Die vielen Wege zur Antibiotikaresistenz

Krankheitserreger werden zunehmend unempfindlich gegenüber Antibiotika. Ein wichtiger Faktor dabei ist der Genaustausch zwischen gefährlichen und harmlosen Bakterien. Ihn besser zu verstehen, könnte Erkenntnisse liefern, wie man die Verbreitung antibiotikaresistenter Bakterienstämme eindämmen kann.
Bakterium Clostridium difficile

Vor nicht allzu langer Zeit galt der Kampf gegen Infektionskrankheiten als so gut wie gewonnen. Das im Jahr 1929 entdeckte Antibiotikum Penizillin war die erste scharfe Waffe, die Ärzte etwa gegen Lungenentzündung, Gonorrhö und rheumatisches Fieber einsetzen konnten. In den folgenden Jahrzehnten entdeckten Forscher mehr als 150 weitere Antibiotika. Die vielfach als "Wundermittel" gepriesenen Medikamente waren so erfolgreich, dass der damalige US-Generaloberstabsarzt William Stewart 1967 proklamierte, die Zeit sei gekommen, das Kapitel der Infektionskrankheiten zu schließen.

Stewart und die meisten seiner Zeitgenossen hatten jedoch gründlich die Fähigkeit bakterieller Krankheitserreger unterschätzt, gegen Antibiotika unempfindlich zu werden. Fast zeitgleich mit dem ersten klinischen Einsatz von Penizillin tauchten die ersten resistenten Keime auf. Solange die Entwicklung von Antibiotika in den 1940er bis 1960er Jahren auf Hochtouren lief, ließ sich die Ausbreitung resistenter Bakterienstämme mit der Einführung immer neuer Wirkstoffe kompensieren. Doch mit dem Ende der 1960er Jahre schwanden das Interesse und die Fähigkeiten der pharmazeutischen Industrie, weitere Medikamente dieser Art zu entwickeln. Es folgten fast 40 Jahre, in denen so gut wie keine weitere Klasse breitenwirksamer Antibiotika auf den Markt kam. Stattdessen konzentrierten sich die Unternehmen darauf, das chemische Grundgerüst bereits eingeführter Medikamente zu modifizieren, um neue Wirkstoffe zu kreieren.

Während dieser Innovationslücke stand die Evolution der Bakterien jedoch nicht still. Infolgedessen verloren Substanzen, die früher ein breites Spektrum von Mikroben bekämpft hatten, nach und nach ihre Wirkung. Einige Escherichia-coli- und Klebsiella-pneumoniae-Stämme sind inzwischen gegen alle wichtigen Antibiotika resistent. Sie erweisen sich selbst gegen Carbapeneme als unempfindlich – das sind Arzneistoffe, die lange als Reserveantibiotika für schwer zu behandelnde Infektionen galten, etwa für bakterielle Lungenentzündungen. Und in dem Maß, in dem die Therapieoptionen schwinden, steigt die Sterblichkeitsrate bei solchen Infektionen. Tatsächlich leben wir, was einige Infektionskrankheiten anbelangt, bereits im postantibiotischen Zeitalter. ...

Kennen Sie schon …

Spektrum Kompakt – Neue alte Seuchen

Andere Keime sind während der Covid-19-Pandemie nicht verschwunden – manche blühten in ihrem Schatten geradezu auf. Wo stehen wir bei der Bekämpfung dieser »weiteren« Seuchen?

Spektrum - Die Woche – 77 Jahre Bomben im Boden

Tausende Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg stecken noch heute in deutschen Böden. Wie werden sie entschärft? Darum geht es in dieser »Woche«. Außerdem gehen wir der Frage nach, wie gut die Coronaimpfung Kinder und Jugendliche schützt.

Spektrum Kompakt – Das Mikrobiom – Vielseitige Darmflora

Fachleute finden immer mehr Hinweise darauf, wie die Billionen Bakterien im menschlichen Darm unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden beeinflussen.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

  • Quellen

Dantas, G. et al.: Experimental Approaches for Defining Functional Roles of Microbes in the Human Gut. In: Annual Review of Microbiology 67, S. 459 - 475, 2013

Imamovic, L., Sommer, M. O.: Use of Collateral Sensitivity Networks to Design Drug Cycling Protocols That Avoid Resistance Development. In: Science Translational Medicine 5, 204ra132, 2013

Moore, A. M. et al.: Pediatric Fecal Microbiota Harbor Diverse and Novel Antibiotic Resistance Genes. In: PLoS One 8, e78822, 2013