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Die Zukunft des Eisenbahn-Güterverkehrs


Die häufig vertretene Meinung, die Bahn habe bedeutende Mengen im Güterverkehr an den Wettbewerber Straße abgeben müssen, ist nur bedingt richtig: In ihrem traditionellen Markt der Massengüter – zum Beispiel Erze, Kohle und Chemikalien – blieb die Größenordnung im wesentlichen erhalten. Tatsächlich aber hatte sie an Wachstumsmärkten, die eine sehr differenzierte Logistik erfordern, lange nicht teil.

Dabei läßt sich der schienengebundene Verkehr – einst Voraussetzung und Impulsgeber der Industrialisierung – im Prinzip sehr gut automatisieren. Allerdings hatte man es nicht verstanden, dem Trend der wirtschaftlichen Infrastruktur zum Gütertransport mit Lastkraftwagen frühzeitig mit bahntechnischen Neuerungen, offensiven Verkaufsstrategien sowie der Information über Sicherheit, Zuverlässigkeit und ökologische Vorzüge der Eisenbahnen zu begegnen. Nach wie vor hat das Rad-Schiene-System einen großen Nachholbedarf bei seiner Modernisierung, doch auch ein hohes Innovationspotential.


Nähe zum Kunden

Im Jahre 1994 gelang dem Geschäftsbereich Ladungsverkehr der Deutschen Bahn AG, kurz DB Cargo, erstmals wieder eine Steigerung der Mengen- und Verkehrsleistung. Zum einen wird sich der Geschäftsbereich nun konsequent am Markt und am Kundennutzen orientieren, zum anderen soll die rasche Umsetzung von Forschungs- und Entwicklungsergebnissen Wirtschaftlichkeit und Produktivität steigern.

Der Güterverkehr ist ein Käufermarkt, wird also im wesentlichen von der Nachfrage bestimmt. Unter dem Arbeitstitel "Ladungsverkehr Projekt Unternehmensmodell" wird deshalb in Duisburg ein Servicezentrum eingerichtet, das Ende 1998 den Betrieb aufnimmt. Alle Arbeitsschritte, die Kunden direkt betreffen – vom Zeitpunkt der Wagenbestellung bis zur Auftragsabrechnung – werden dann dort erledigt. Das Team in Duisburg wird rund um die Uhr zur Verfügung stehen, um gemeinsam mit dem Kunden ein angemessenes Dienstleistungsangebot zu erarbeiten. Dafür und zur Information über die Abwicklung eines Auftrags braucht der Kunde nur noch drei Telephonnummern: die des Verkäufers, des Servicezentrums und des örtlichen Bahnhofs von DB Cargo.

Zum Duisburger Zentrum gehört eine Transportsteuerzentrale, die mit den betreffenden Bahnhöfen die technische Abwicklung organisiert, von der Bereitstellung der georderten Güterwagen bis zur Zustellung eines Guts beim Empfänger. Sie ist die Schnittstelle zu anderen Bahn-Geschäftsbereichen, die beispielsweise für das Schienennetz verantwortlich sind, und auch zu nicht bundeseigenen Eisenbahnen sowie Werks- und Hafenbahnen.


Neue Vertriebsstruktur

Gut zwei Jahre hat DB Cargo bisher Erfahrungen im Rahmen einer Aktiengesellschaft gesammelt; nun sollen insbesondere die Vertriebs- und Regionalstrukturen weiterentwickelt werden. Bisher waren sie auf die Marktsegmente konventioneller und kombinierter Verkehr ausgerichtet (ersterer umfaßt den genannten Massengütertransport, letzterer Transporte, die auch andere Verkehrsmittel wie Schiff und Lastkraftwagen erfordern).

Der Vertrieb wird künftig nach fünf Branchen gegliedert:

- Montan (also Eisen, Stahl, Nichteisenmetalle, Schrott, Kohle, Eisenerze und Zuschlagstoffe),

- Baustoffe, mineralische Rohstoffe und Entsorgung,

- chemische Produkte und Mineralöle (dazu gehören auch Düngemittel und Mineralölprodukte),

- Industriegüter (Maschinen, Fahrzeuge, Fahrzeugteile, Eisen-, Blech- und Metallwaren sowie palettierte Güter) und schließlich

- Kaufmannsgüter sowie Land- und Forstwirtschaft (etwa textile und tierische Rohstoffe, Halb- und Fertigwaren, land- und forstwirtschaftliche Produkte sowie Kühlgut).

Militär-, Schwerlast- oder Nukleartransporte werden separat betreut.

Die regionale Gliederung soll, angelehnt an die Organisation des Geschäftsbereichs Netz Synergien besser nutzen lassen. Künftig wird es 20 Niederlassungen – mit voraussichtlich 96 Außenstellen "DB Cargo-Bahnhof" – geben. Als Standorte sind vorgesehen: Berlin, Bremen, Cottbus, Dresden, Duisburg, Erfurt, Frankfurt am Main, Hagen, Halle/Leipzig, Hamburg, Hannover, Kassel, Köln, Magdeburg, Mannheim, München, Nürnberg, Saarbrücken, Schwerin und Stuttgart.

Innovationen für die Zukunft

Im Wettbewerb mit dem Straßengüterverkehr muß es der Bahn gelingen, ebenfalls flexibel Transportkapazitäten – mit passenden Anschlüssen und bei Bedarf von Haus zu Haus – bereitzustellen und jeden Auftrag in kurzer Zeit, mit hoher Zuverlässigkeit und wirtschaftlich auszuführen. Deutschland verfügt bereits über ein exzellentes Schienennetz. Benötigt werden also darauf aufbauende technische Entwicklungen.

So können Waggons wesentlich besser ausgelastet werden, wie auch die maximal zulässigen Zuglängen und Achslasten noch Spielraum für mehr Tonnage bieten; viele Strecken ließen sich dichter befahren. Der Rangieraufwand muß drastisch verringert werden. Bislang vergehen Stunden, bis ein Güterzug zusammengestellt ist, denn die Leitungs- und Wagenkupplungen werden noch manuell eingehängt oder gelöst. Die automatische Kupplung sowie ein elektronisches Bremssteuer- und Auswertesystem werden das wesentlich vereinfachen, insbesondere wenn die Kupplungen von der Lokomotive aus selektiv auszulösen sind. Selbstangetriebene und selbständig fahrende Modulzüge, die sich flexibel kombinieren lassen (Bild 3), werden Kosten sparen und den Aktionsradius des Schienenverkehrs erweitern; die ersten sechs Güterzugmodule werden Anfang nächsten Jahres in die praktische Erprobung gehen.

Entsprechende Entwicklungen sind auch im Ausland zu verzeichnen; deshalb sind überall gleiche Qualitäts- und Leistungsstandards sowie kompatible technische Lösungen wichtig. Der Verkehrsmarkt ist längst europäisch ausgerichtet, und im grenzüberschreitenden Güterverkehr hat DB Cargo seit Jahren die höchsten Zuwachsraten. Nur ein europaweit integriertes Schienennetz kann gegenüber dem Straßengüterverkehr hinreichend attraktiv sein.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 9 / 1996, Seite 109
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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