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Die Zukunft des Verpackungsrecyclings



Verpackungsrecycling hat Zukunft – doch nicht als Quotenwirtschaft, sondern vom Markt gesteuert. Der Gesetzgeber sollte übergeordnete Ziele stecken, nicht aber die Wege vorgeben, um sie zu erreichen. In dieser Hinsicht hat die jüngst von Bundestag und Bundesrat verabschiedete Novelle zur deutschen Verpackungsverordnung noch keine großen Fortschritte gebracht; bestenfalls sind alte Fehler der administrativen Reglementierungssucht nicht vertieft worden.

Positiv zu werten ist sicherlich, daß die Verordnung bei Kunststoffabfällen künftig nicht nur das stoffliche, sondern auch das energetische Verwerten kennt. Ob es sinnvoll war, eine Mindestquote für die werkstoffliche Nutzung festzuschreiben, ist dagegen fraglich. Auskunft darüber kann letztlich nur eine ganzheitlich angelegte volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Analyse geben – Ökobilanzen allein oder gar abgehobene ökologische Idealvorstellungen sind denkbar ungeeignet, die diversen Möglichkeiten der Abfallentsorgung vernünftig gegeneinander abzuwägen. Ökologisch optimieren sollte man vor allem dort, wo für einen festen Geldbetrag der größte Umweltnutzen zu erwirtschaften ist. Das aber läßt sich nur mit einer volkswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Rechnung ermitteln.

Bezogen auf das Recycling von Verpackungsmaterialien ergeben die einschlägigen Analysen, daß die stoffliche Verwertung von Papier, Weißblech, Aluminium und Glas aus ökologischer Sicht vernünftig ist. Die damit verbundenen Umweltentlastungen – Schonung von Ressourcen, geringerer Energieverbrauch sowie weniger Abfall und Emissionen – ordnen sich qualitativ in der in Bild 1 gezeigten Reihenfolge an.

Unter dem Druck der Verpackungsverordnung wurden in den letzten Jahren zunehmend auch Kunststoffabfälle verwertet. Dabei unterscheidet man zwischen werkstofflicher, rohstofflicher und energetischer Verwertung. Es gibt kein absolut gültiges Kriterium, wonach eine der drei Möglichkeiten von vornherein als optimal anzusehen wäre. Diese Unterscheidung ist eher emotional (Abfälle bleiben greifbare Stoffe) und allenfalls rechtlich relevant; immerhin schreibt die Verpackungsverordnung ein "stoff-liches" Recycling vor.

Inwieweit diese Verwertungsarten jeweils zur Entlastung der Umwelt beitragen können, möchte ich ebenfalls qualitativ anhand einer Graphik verdeutlichen (Bild 2). Hinter dieser vereinfachten Wiedergabe der Zusammenhänge verbergen sich quantitative Befunde, die eine Projektgemeinschaft mehrerer Institute in über zweijähriger Arbeit ermittelt hat. Setzt man die Kosten, die das Recycling von Verpackungsmaterialien verursacht, mit der erzielbaren Umweltentlastung ins Verhältnis, so ergibt sich folgendes Bild:

Papierrecycling ist auf der Basis heutiger Kosten und erzielbarer Preise einschließlich vermiedener Beseitigungskosten nahe an der Wirtschaftlichkeitsgrenze, muß also nur geringfügig subventioniert werden. Dasselbe trifft auf das Recycling von Glas und Weißblech zu. Allerdings sind diese Aussagen nur dann gültig, wenn keine nennenswerten Kosten für das Sortieren hinzukommen.

Das Recycling von Aluminium ist wirtschaftlich sehr interessant; die Erlöse für Aluminiumabfälle liegen inzwischen jenseits von 1000 Mark pro Tonne. Allerdings ist Aluminium gewöhnlich nur ein Minimalbestandteil eines Packmittels und entsprechend fein im Müll verteilt. Seine Rückgewinnung erfordert deshalb einen großen Aufwand für das Sortieren stofflich sehr heterogener Gemische. Dies stellt die Wirtschaftlichkeit des Aluminium-Recyclings bei Verpackungen in Frage. Eine Subventionierung ist unumgänglich.

Roh- und werkstoffliches Recycling von Abfällen aus Verpackungskunststoffen ist sehr teuer. Zudem ist der Markt für recyclierte Produkte sehr klein und unsicher. Die stoffliche Verwertung von Verpackungskunststoffen verlangt deshalb erhebliche Zuschüsse. Der Systempreis des Dualen Systems für Kunststoff-Regranulate liegt fast um den Faktor 2,5 über dem Marktpreis von neuen Polymeren wie Polyethylen, Polypropylen oder Polystyrol.

Des weiteren hat rohstoffliche Verwertung keinen wesentlichen ökologischen Vorteil gegenüber der thermischen Nutzung, sondern ist ihr sogar weitgehend gleichwertig, wenn die beim Verbrennen erzeugte Energie, vor allem der Wärmeanteil, vermarktet werden kann (Bild 3). Außerdem ist die thermische Nutzung kostengünstiger als alle Varianten der stofflichen Verwertung, und zwar auch dann, wenn ein gewisser Aufwand erforderlich ist, um Kunststoff- oder kunststoffhaltige Abfälle zu einem geeigneten standardisierten Ersatzbrennstoff aufzubereiten. Unter diesen Voraussetzungen ist das Verbrennen von Verpackungsabfällen sicherlich ein guter ökologisch-ökonomischer Kompromiß, der zudem ein vertretbares Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweist.

Die Verpackungsverordnung legt nun aber eine werkstoffliche Verwertung von 36 Prozent der lizensierten Kunststoffverpackungen fest und zwingt das Entsorgungssystem damit zu einer teuren und technisch aufwendigen Erfassungs- und Sortiertechnik für die Gesamtheit dieser Verpackungen. Würde man die werkstofflich besser verwertbaren großen Hohlkörper und Folien aus Kunststoff getrennt erfassen, käme man wohl nicht auf die geforderte Menge; außerdem würden die privaten Haushalte vermutlich nicht im erforderlichen Umfang mitziehen.

Das Dilemma der Verordnungsnovelle ist damit offensichtlich: Für die relativ bescheidenen ökologischen Vorteile des werkstofflichen Recyclings bei einer Teilmenge von 36 Prozent müssen horrende Kosten beziehungsweise Entsorgungsspreise in Kauf genommen werden. Die fatalen Kosten-Nutzen-Relationen sollten Anlaß sein, über die erlassenen Vorschriften politisch noch einmal gründlich nachzudenken.

Das Duale System ist ein subsidiäres, also ein die öffentliche Abfallentsorgung ergänzendes privatwirtschaftliches Entsorgungssystem. Eigentlich verbirgt sich dahinter jedoch nur der Name eines einzigen Unternehmens. Es hat sich sehr schnell zum Monopolisten entwickelt, der jahrelang wirtschaftlich akzeptiert war, weil er den Handel von angedrohten Verpflichtungen zur Rücknahme von Verpackungsabfällen befreite.

Hat ein Monopolist Zukunft? Wer marktwirtschaftlich denkt, muß mit einem klaren Nein antworten. Die Prognose kann allerdings lauten: Duale Systeme haben Zukunft.

Ordungspolitisch korrekt ist es, die Verantwortung für ein gebrauchtes Produkt seinem Hersteller beziehungsweise demjenigen, der es in Verkehr gebracht hat, aufzubürden. Hierzu bedarf es produktspezifischer Zielvereinbarungen oder Verordnungen, die im Einzelfall wohl über die allgemeinen Bestimmungen des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes hinausgehen.

Sofern die entsprechenden Abfälle nicht besonders gefährlich (und damit nicht streng zu überwachen) sind, ist es vertretbar und aus wirtschaftlichen Gründen sogar angezeigt, das Entsorgungsmanagement außerhalb der öffentlichen Hand anzusiedeln. Duale Systeme träten als Dienstleister auf, die für den Produktverantwortlichen eine gesetzlich geschuldete Entsorgungsleistung erbringen. Grundsätzlich sind mindestens drei konzeptionelle Ansätze denkbar:

1. eine Zuständigkeit für Abfälle, die in bestimmten Branchen anfallen – wie "Verpackungen" oder "Elektrogeräte" – in Verbindung mit der Forderung nach flächendeckender Tätigkeit,

2. eine Zuständigkeit für Abfälle wie unter 1., jedoch mit der Option einer auf Regionen begrenzten Tätigkeit, sowie

3. eine Zuständigkeit für Abfälle, die in unterschiedlichen Branchen anfallen, aber gemeinsame Merkmale in der Logistik des Sammelns und in der Verwertungstechnik aufweisen, in Verbindung mit regionaler Tätigkeit der privatwirtschaftlichen Entsorgungsorganisation.

Das erste Konzept entspricht der bislang gültigen deutschen Verpackungsverordnung. Es birgt jedoch im Keim die Gefahr der Monopolbildung, wenn es von sich aus weitgehend auf Kooperationsmodelle verzichtet und zum Beispiel eine mögliche gemeinsame Nutzung von regionalen öffentlichen Sammel- oder Verwertungssystemen ausschließt.

Das zweite Konzept wird prinzipiell von der Novelle der Verpackungsverordnung gedeckt; eine Monopolbildung, die ausgerichtet ist auf abfallwirtschaftliche Lizenzen, begünstigt die Verordnung zumindest nicht mehr. Der wirtschaftliche Spielraum für Kooperationsmodelle wächst damit. So könnte sich einerseits, wie es in Frankreich Praxis ist, ein weitergehendes, operatives Zusammenspiel zwischen privatwirtschaftlicher und öffentlicher Entsorgung von Verpackungsabfällen entwickeln. Anderseits bieten sich privatwirtschaft-liche Kooperationen oder Zuständigkeiten bei Abfällen an, die aus Produkten verschiedener Branchen entstehen und damit auch unterschiedlichen Entsorgungskriterien unterliegen. Dies ist im dritten Konzept beschrieben, das zudem Kooperationen zwischen privatwirtschaftlicher und öffentlicher Entsorgung einschließt. Unter der Voraussetzung, daß privatwirtschaftliche (duale) Systeme nicht flächendeckend zuständig sind, ist dieses Konzept kartellrechtlich sicherlich unproblematischer und weckt keine Bedenken wie beim Versuch des Dualen Systems Deutschland, die Verpackungsentsorgung auch für das Gewerbe zu übernehmen.

Das zweite Konzept ist inzwischen schon aus dem Theoriestadium herausgetreten: Im Lahn-Dill-Kreis läuft der Versuch, Verpackungsabfall in einem privatwirtschaftlich-öffentlichen Kooperationsmodell zu entsorgen. Natürlich muß ein solches System den gesetzlichen Anforderungen in seinem Wirkungsbereich genügen. Für Glas (Bringsystem), Verpackungspapier und -papierverbunde (Holsystem, blauer Sack) und für die gemeinsam mit dem Restmüll eingesammelten Weißblech- und Aluminiumverpackungen, die vollständig mechanisch aussortiert werden, können die Verwertungsvorschriften der Verpackungsverordnung erfüllt werden.

Recycling von Kunststoffabfall ist derzeit noch eine Herausforderung: Ein Bringsystem für "große" Kunststoffverpackungen würde zwar werkstofflich Verwertbares liefern, voraussichtlich jedoch nicht die erforderlichen 36 Prozent der lizensierten Menge. Die nicht separat erfaßten Kunststoffverpackungen sollen im Lahn-Dill-Kreis in den Restmüll wandern. Aus dem Restmüll werden mit Hilfe eines innovativen Verfahrens Wasser, Metalle, mineralische Bestandteile und einige Störstoffe entfernt. Übrig bleibt ein lager- und distributionsfähiger Ersatzbrennstoff. Dieses sogenannte Trockenstabilat soll in Feuerungsanlagen, welche eine entsprechende Zulassung besitzen, energetisch verwertet werden. Auf diese Weise würden alle Kunststoffverpackungen verwertet werden – die separat erfaßten stofflich, die übrigen energetisch.

Die Betreiber des Versuchs kündigen an, daß die heutigen Preise für DSD-Lizenzen halbiert werden könnten. Das Modell zeigt also in beeindruckender Weise, was Phantasie und Entwicklungsgeist in einem offenen, klug reglementierten System bewirken könnten. Es dokumentiert aber auch, daß starre Quoten und engstirnig reglementierte Verwertungswege solche Modelle ohne Rücksicht auf ihr Kosten-Nutzen-Verhältnis administrativ ersticken können. Der Standort Deutschland kann sich so etwas eigentlich nicht leisten.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 9 / 1998, Seite 79
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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