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Paläontologie: Dinosaurierjäger

Der Wettlauf um die Erforschung der prähistorischen Welt
Aus dem Englischen von Monika Niehaus. Rowohlt, Reinbek 2001. 448 Seiten, € 22,90


Spotten wir nicht über die plumpen Dinosaurier-Modelle, die Richard Owen 1853 für den Crystal Palace schuf! Die Pioniere der Paläontologie setzten dem Iguanodon den Dorn, den er am Vorderfuß trug, als Rhinozeros-ähnliches Horn auf die Nase. Aber sie taten damit das Beste, was nach dem Wissensstand ihrer Zeit erschließbar war. Zudem sahen die ersten Dinosaurier-Forscher sich noch genötigt, ihre Erkenntnisse mit der Überlieferung der Bibel in Einklang zu bringen. Schließlich war es zu der Zeit durchaus üblich, dass sich Geistliche mit den Wissenschaften beschäftigten. Doch die versteinerten Reste von urzeitlichen Schreckens-Tieren belegten eindeutig: Es gab schon vor Urzeiten Leben auf der Erde, das geradezu unglaublich anders war als alles bislang Vertraute.

Die britische Buchautorin und BBC-Fernsehproduzentin Deborah Cadbury begleitet eine Hand voll Paläontologen bei ihren spannenden Entdeckungsreisen. Sie beginnt bei einer Frau, die lediglich "Handlanger" der Wissenschaft war und es selbst weder zu Reichtum noch zu Berühmtheit brachte: Mary Annings, die ihren bescheidenen Lebensunterhalt mit dem Sammeln von Fossilien bestritt und dabei unter anderem das erste vollständige Skelett eines Ichthyosauriers fand.

Im Zentrum des Buches steht der jahrzehntelange, hassgeladene Konflikt zwischen zwei höchst ungleichen Persönlichkeiten: Gideon Mantell (1790-1852), Sohn eines Schusters, der sich aus eigener Kraft zum Mediziner und Mitglied der Londoner Royal Society emporarbeitete, und Richard Owen (1804-1892), der sich frei von Geldsorgen ganz der Forschung widmen konnte. Cadbury macht keinen Hehl aus ihrer Sympathie für Mantell, den sie zum Held ihrer Geschichte kürt.

An seinen wissenschaftlichen Verdiensten herrscht kein Zweifel: Mantell hatte den ersten Iguanodon-Zahn gefunden und einem gigantischen, ausgestorbenen, reptilartigen Pflanzenfresser zugeschrieben. Später entdeckte er weitere Skelettfragmente, sogar einen Kiefer. Doch letztlich war Mantell durch seinen Mangel an Zeit und später durch seine deformierte Wirbelsäule stets im Nachteil gegenüber Owen.

Dieser gab Fehldeutungen, die Mantell zwangsläufig unterliefen, gnadenlos der Lächerlichkeit preis, machte sich jedoch dessen brauchbare Ideen ohne Namensnennung zu Eigen. Ehrgeiz, Häme und das untrügliche Gespür für die Nützlichkeit oder Gefährlichkeit von Kollegen brachten ihn systematisch auf der Karriereleiter nach oben. Sympathischer wird er dadurch nicht. Alles Mitgefühl des Lesers gilt daher Gideon Mantell, der stark gehbehindert schmählich und unter Schmerzen stirbt, während Richard Owen auf einem großzügigen Landsitz residiert – ein Geschenk der Krone. Es wirkt als ein – kleiner – Ausgleich, dass auch Owen, der als führender Anatom gelten und damit das Erbe von Georges Cuvier antreten wollte, sich schließlich geschlagen geben musste: Letzten Endes waren es Thomas Huxley und vor allem Charles Darwin, die zu den größten und wichtigsten Erkenntnissen über die Artentstehung gelangten.

Eine rein fachlich motivierte Auseinandersetzung zwischen zwei Wissenschaftlern, die schon 150 Jahre zurückliegt, könnte selbst den geneigtesten Leser irgendwann ermüden, vor allem, wenn der Konflikt über 400 Seiten entwickelt wird und die Erzählung etliche Fachvorträge und Publikationen einschließt. Doch Deborah Cadbury lässt ihren Leser nicht nur an den spannenden Entdeckungen der Fossilien teilhaben, sondern lädt ihn auch in das Privatleben der Forscher ein, vom frischen Eheglück und der Liebe zu den Kindern bis hin zu Unfällen und Krankheiten, Familientragödien und unversöhnlichem Ehestreit.

Geschickt lenkt Cadbury ihren Handlungsfaden vom einen zum anderen und vergisst nicht, ein Auge auf dem Geschick von Mary Annings zu belassen – der armen Gestalt, der die Wissenschaftler so viel zu verdanken hatten und der sie so wenig Anerkennung entgegenbrachten. Dabei bewahrt Cadbury einen gewissen Sinn für Humor. Leider fehlt die im doppelten Sinne köstliche Anekdote, nach der die Forscher bei einem Treffen eine Schildkröte auf Kuchenteig setzten, um die Spuren des Reptils mit einer gefundenen fossilen Fährte zu vergleichen. Der gewünschte Erfolg blieb zunächst aus – das Tier blieb im Teig stecken.

Berühmte und aufschlussreiche Fundstätten wie etwa den Solnhofener Lithografenschiefer erwähnt Cadbury nur am Rande, denn der Roman blickt fast ausschließlich nach England und begnügt sich mit gelegentlichen Hinweisen auf das Weltgeschehen. Doch weitere Porträts von Wissenschaftlern hätten den Handlungsfaden sicherlich zu breit aufgefächert.

Eine angenehme und unterhaltsame, aber auch lehrreiche und lebendige Lektüre: Fast glaubt man Gideon Mantell – mit einer Lupe über einen rätselhaften fossilen Knochen gebeugt – leibhaftig am Schreibtisch sitzen zu sehen.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 6 / 2002, Seite 109
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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