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Editorial: Gewollte Gedächtnislücke

Vor Jahrzehnten erlebte ich mit meinem Vater am Steuer einen heftigen Autounfall: Wir wollten auf einer Bundesstraße einen Lkw überholen, gerieten ins Aquaplaning und rutschten auf der falschen Seite entlang. Ein entgegenkommender Wagen betätigte bereits die Lichthupe, als die Räder endlich wieder griffen. Doch beim Einscheren nach rechts kam unser Auto ins Schleudern und schoss hinter dem Gegenverkehr ins Grün links der Straße. Nach Überfahren kleinerer Büsche und Baumstämmchen kamen wir schließlich zum Stehen.

Wie durch ein Wunder war nichts passiert: Wir hatten keinen Kratzer (nicht einmal das Auto) und waren mit dem Schrecken davongekommen. Heute können wir beide darüber lachen, aber damals beschäftigte mich der Vorfall sehr – Unfälle dieser Art gehen selten derart glimpflich aus.

Direkt danach hätte ich das Erlebte vielleicht gerne aus meinem Gedächtnis gestrichen. Und tatsächlich geht das bis zu einem gewissen Grad, wie unser Artikel von Hannah Schultheiß ab S. 28 beschreibt. Solche Erinnerungen lassen sich demnach gezielt so stark unterdrücken, dass sogar der Gedächtnisinhalt an sich verblasst.

Aber die Fachleute sind noch uneins, ob sich Betroffene damit vor einer Posttraumatischen Belastungsstörung schützen können oder ob das Verdrängte sie nicht doch unterbewusst beeinflusst und beeinträchtigt. Heute bin ich froh, dass ich den Crash damals nicht verdrängt habe, sondern daraus lernen konnte: besser zweimal nachdenken, bevor man Risiken eingeht, die man nicht einkalkuliert hat.

Und zum Schluss noch ein Hinweis in eigener Sache: Leider macht die Inflation auch vor unserem Verlag nicht Halt. Die deutlich gestiegenen Kosten für Energie, Druck und Transport führen bei »Gehirn&Geist« ab dieser Ausgabe zu einer Preiserhöhung im Einzelverkauf auf 8,20 € und im Abo um 45 Cent pro Ausgabe. Die Digitalabos bleiben unverändert. Bei Vorauszahlungen gelten die neuen Abo-Preise ab der nächsten Rechnung.

Freundlich grüßt
Daniel Lingenhöhl

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