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Editorial: Selbstverortung

Spektrum der Wissenschaft

"Von führenden Philosophen empfohlen." Ich musste lachen, als Redakteur Steve Ayan vorschlug, die "Gehirn&Geist"-­Infografik zu unserem Titelthema mit diesem Gütesiegel zu ver­sehen. Eine charmante Idee, aber wohl doch etwas hochtrabend für ein Schaubild, in dem jeder in drei Schritten den eigenen "Seelentyp" ermitteln kann (S. 18/19). Das Spektrum der Positio­nen reicht dabei vom Monotheisten über den Buddhisten und Rationalisten bis hin zum Relativisten. Ich selbst rechne mich zwar erstgenannter Gruppe zu, komme aber ­anderswo heraus – und habe mit einer harten Definition von "Seele" sowieso meine ­Schwierigkeiten.

Das Wort lässt mich an Frau Adler denken. In meiner Kindheit wohnte sie ein paar Häuser weiter und ist mir als herzensgute "Tante Marta" in Erinnerung. Leider verstarb sie viel zu früh, ich war damals vielleicht 14 Jahre alt. Immer da sein, immer ein offenes Ohr haben, immer ein aufmunterndes, lobendes oder tröstendes Wort auf den Lippen: Frau Adler war der Prototyp der guten Seele. – Kenne ich auch eine "schlechte Seele"?, frage ich mich. Eine solche sieht unser Sprachgebrauch nicht vor. Wir haben eine Seele (oder auch nicht), und wir kennen – hoffentlich – die eine oder andere gute Seele. Aus der Wissenschaft ist der Begriff längst durch die Hintertür verabschiedet worden. Dabei kommt ihm in unserer Geistes­geschichte eine herausragende Bedeutung zu, wie Steve Ayan in seinem Artikel ab S. 12 nachzeichnet. Und dass wir im 21. Jahrhundert das Konzept eines immateriellen Wesenskerns der Person end­gültig ad acta legen, wie die Philosophin Katja Crone im Interview ab S. 20 meint, erscheint mir persönlich eher unwahrscheinlich. So zeigen psychologische Experimente, dass wir anderen Wesen intuitiv eine Art geistige Essenz zuschreiben. Dies scheint uns sogar in die Wiege gelegt zu sein. Auch wenn unsere kleine Seelentypologie auf S. 18/19 nicht den Anspruch exakter Wissenschaft erhebt: Sie mag Ihnen helfen, sich selbst genauer zu verorten. Das können Sie alternativ auch im Internet tun – mit nur drei Klicks entpuppen Sie sich womöglich als Pantheist, Platoniker oder Agnostiker: www.spektrum.de/s/seele

Eine lohnende Lektüre und einen guten Jahreswechsel wünscht Ihnen Ihr
Carsten Könneker

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Gehirn&Geist – Wer entscheidet? Wie das Gehirn unseren freien Willen beeinflusst

Was bedeutet es, ein Bewusstsein zu haben? Haben wir einen freien Willen? Diese Fragen beschäftigt Neurowissenschaft, Philosophie und Theologie gleichermaßen. Der erste Artikel zum Titelthema zeichnet die Entwicklung der neurowissenschaftlichen Forschung nach und zeigt, wie das Gehirn das subjektive Erleben formt. Anschließend geht es im Interview mit dem Neurophilosophen Michael Plauen um die Frage, ob wir frei und selbstbestimmt handeln, oder nur Marionetten unseres Gehirns sind. Die Antwort hat Konsequenzen für unser Selbstbild, die Rechtsprechung und unseren Umgang mit KI. Daneben berichten wir, wie virtuelle Szenarien die traditionelle Psychotherapie erfolgreich ergänzen und vor allem Angststörungen und Posttraumatische Belastungsstörungen lindern können. Ein weiterer Artikel beleuchtet neue Therapieansätze bei Suchterkrankungen, die die Traumata, die viele Suchterkrankte in ihrer Kindheit und Jugend erfahren haben, berücksichtigen. Zudem beschäftigen wir uns mit der Theorienkrise in der Psychologie: Der Risikoforscher Gerd Gigerenzer erklärt, warum die Psychologie dringend wieder lernen muss, ihre Theorien zu präzisieren.

Sterne und Weltraum – Raumzeit: Experimente zur Quantennatur

Die Relativitätstheorie Albert Einsteins ist das Meisterwerk zur Beschreibung der Schwerkraft. Seit Jahrzehnten steht aber die Frage im Raum, ob die Gravitation auf submikroskopischen Längenskalen modifiziert werden muss. Gibt es quantenhafte Austauschteilchen, die Gravitonen? In unserem Titelbeitrag stellen wir Überlegungen vor, wie man experimentell eine Quantennatur der Raumzeit testen könnte. Im zweiten Teil unseres Artikels zur Urknalltheorie beleuchten wir alternative Ansätze zur Dunklen Energie: das Local-Void- und das Timescape-Modell. Außerdem: Teil zwei unserer Praxistipps für die Astrofotografie mit dem Smartphone – Mond und Planeten im Fokus, die Ordnung im Chaos des Dreikörperproblems und woher stammen erdnahe Asteroiden?

Spektrum der Wissenschaft – Innerer Dialog – Wie Kopf und Körper miteinander kommunizieren

Über ein fein abgestimmtes System aus neuronalen Netzwerken via hormonelle Steuerung bis hin zu zellulären Dialogen stehen Kopf und Körper in ständigem Austausch. Denn wie in jeder funktionierenden Gesellschaft gilt auch hier: Ohne Kommunikation geht nichts. Dieser innere Austausch ist ebenso komplex wie der soziale – und er läuft rund um die Uhr, meist, ohne dass wir ihn bewusst wahrnehmen. Er spielt auch eine entscheidende Rolle für unsere Gesundheit.

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