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Editorial: Wenn einen plötzlich der Schlag trifft



"Jogger leben nicht länger, aber sie sterben gesünder." Dieser populäre Spruch der Fitnessbewegung ist so flott wie falsch. Bewegungsmangel ist eine der tieferen Ursachen für Herz- oder Kreislauf-Krankheiten. Daran sterben über die Hälfte aller Menschen in Deutschland, über 400000 pro Jahr – keine gute Nachricht.

Denn trotz angeblich bester medizinisch-technischer Behandlungsverfahren liegen wir damit um zwanzig Prozent über dem Durchschnitt in der EU. "Es wird zu viel behandelt", sagt beispielsweise Rolf Stuppart, Vorsitzender des Bundesverbands der Innungskrankenkassen, und "zuwenig Vorsorge, Prävention und Gesundheitsförderung" betrieben.

Gesundheitsexperten vertreten die Ansicht, dass sich die Zahl dieser Todesfälle durch mehr Bewegung halbieren ließe. Andere Risikofaktoren – Rauchen, fette Ernährung, Bluthochdruck und Stress – könnten bei gesünderem Verhalten gleichfalls gemindert werden. Ärzte empfehlen, wie für vieles andere auch, vitaminreiche Kost. Auch Teetrinker sind nachweislich besser dran. So haben niederländische Forscher 4800 gesunde Personen sechs Jahre lang beobachtet. Tranken diese pro Tag etwa 0,4 Liter schwarzen Tee, so halbierte sich ihr Risiko für einen Herzinfarkt; und die Gefahr, an einem Infarkt zu sterben, sank sogar um siebzig Prozent.

Wer solche Ratschläge befolgt, der kann zweifellos mit einer höheren Lebenserwartung rechnen. Das ist die Lifestyle-Seite. Doch obwohl "Gesundheit" in den wohlhabenden Ländern der Ersten Welt zum modernen Fetisch erhoben wurde, ist nicht zu erwarten, dass die Menschen mehrheitlich zu einem vernünftigeren Lebensstil wechseln. Eher werden sie Gesundheit weiterhin als käufliches Gut betrachten.

Auf der anderen Seite kann auch die Erforschung von Herzattacken offenbar noch zulegen. Wie unsere Titelgeschichte ab Seite 48 zeigt, hat sich in letzter Zeit das Bild vom Herzinfarkt gewandelt. Auslöser sei nicht unbedingt eine Verengung der Herzkranzgefäße, sondern Entzündungen der Gefäßwände. Die Forscher sehen darin Ansätze für neue Heilverfahren.

Wie alle solchen Perspektiven wird sich auch die neue Herzinfarktforschung einmal positiv auf die Lebenserwartung auswirken. Wenn die Demographen Recht behalten, wird die Lebenserwartung von heute 85 Jahren bis zum Jahre 2060 auf 100 Jahre angestiegen sein. Vor "Anti-Aging" und modischer Jungbrunnen-Industrie warnen Altersforscher jedoch. Altern lasse sich weder verlangsamen noch anhalten oder gar umkehren. Es lasse sich aber gesünder erleben – etwa durch Jogging. Abwarten und Teetrinken.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 7 / 2002, Seite 3
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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