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Editorial



Obwohl ich immer wieder gerne Science-Fiction lese, spielt diese Sparte in Spektrum zumeist eine marginale Rolle. Das könnte sich allerdings ändern. Unser Titelthema "Teleportation" ist jedem Anhänger der TV-Serie "Raumschiff Enterprise" vertraut. Auch Michael Crichton griff kürzlich in seinem neuem Mittelalter-Epos "Timeline" auf Teleportation zurück, um sich durch den Raum und in die Vergangenheit zu katapultieren. Der Bestseller-Autor beruft sich darin explizit auf die Experimente des Physikers Anton Zeilinger, um zu belegen, dass diese wundersame Fortbewegungstechnologie längst auch in der seriösen Forschung debattiert wird.

Im Ernst sind Zeilingers Resultate (noch) weit davon entfernt, uns eine neue Form der Raumfahrt zu erschließen, doch das macht sie nicht minder spannend. Der heute an der Universität Wien arbeitende Quantenphysiker zeigt in seinem Artikel auf Seite 30, wie sich bestimmte Eigenschaften eines Lichtteilchens (Photons) auf ein anderes übertragen lassen. Bei makroskopischen Objekten wird diese Verschränkung jedoch sogleich durch die Wärmebewegungen von Atomen zerstört. Captain Kirk kann sich also weiterhin nur im Traum-Raumschiff Enterprise in Luft auflösen, um andernorts putzmunter zu rematerialisieren.

Das mag für manchen Science-Fiction-Fan enttäuschend klingen. Doch in Wahrheit stellen Zeilingers und ähnliche Forschungen eine Sensation dar. Was Ende der 20er Jahre schon in der Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik diskutiert und von Einstein bezweifelt wurde, ist nun nicht länger eine mathematische Kuriosität. Die Welt des Mikrokosmos ist grundsätzlich auch über makrokosmische Entfernungen in einer Weise miteinander verwoben, die den klassischen Gesetzen von Ursache und Wirkung – und natürlich auch jeder Intuition – widerspricht.

Kontroverse Themen in Spektrum lösen in letzter Zeit immer öfter stärkere Reaktionen aus. Auch in diesem Heft gibt es wieder solche Beiträge. So setzen wir die Debatte über Wissenschaft und Religion fort (Seite 82), und wir berichten über "Forschung auf dem Prüfstand", einen Dauerbrenner unseres Bildungssystems. Drittens befasst sich ein Anthropologe mit der Kontroverse um die Neandertaler: Wie ähnlich waren sie uns wirklich? Und schließlich schildert ein Fusionsforscher die Vorbereitungen für den nächsten Schritt auf dem Wege zu einem Kernfusionsreaktor. Ob es einen solchen Reaktor jemals geben wird, darüber lässt sich nun wirklich streiten – nicht nur angesichts von Komplexität oder Kosten.

Ein neues Spektrum-Sonderheft liegt seit kurzem an den Kiosken: die "Technik der Superlative". In einer von Rekorden verwöhnten Welt zeigt es eines: Ohne das Denken in Extremen und die Begeisterung für Visionen hätten Menschen die Grenzen des Machbaren nie verschoben.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 6 / 2000, Seite 3
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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