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Eine einfache Methode zur mikroskopischen Gestaltvermessung und tiefenscharfen Abbildung

Die Autofokustechnik, mit der Kameras die Entfernung von Objekten ermitteln, läßt sich auch in den mikroskopischen Bereich übertragen, wenn man als Hilfsmittel zur Bestimmung von Kontrasten ein Strukturmuster auf den zu vermessenden Gegenstand projiziert.

Die Vermessung von Oberflächen in mikroskopischen Dimensionen hat in den letzten zehn Jahren zunehmend Bedeutung erlangt. Vor allem für die Mikrostruktur- und die Mikrosystemtechnik sind solche Verfahren zur Qualitätskontrolle unentbehrlich. Aber auch in anderen Bereichen von Forschung und Fertigung bildet die Gestaltvermessung – etwa zur Charakterisierung von Partikeln – heute ein wichtiges Hilfsmittel.

Eine gängige Methode ist die Laserprofilometrie. Dabei verwendet man verschiedene Autofokustechniken zur punktweisen Entfernungsmessung, von denen eine auch bei CD-Spielern dazu dient, den Abstand des Lesekopfes zu steuern. Mit einer Tiefenauflösung von 0,1 Mikrometern (millionstel Metern) und einer lateralen Auflösung von 1 Mikrometer erfüllt das Verfahren alle üblichen Anforderungen. Nachteilig ist allerdings die geringe Abtastgeschwindigkeit – die Vermessung eines kompletten Höhenprofils kann mehrere Stunden dauern. Außerdem sollten die Oberflächen diffus reflektieren; spiegelnde oder gar durchsichtige Objekte (aus Metall oder Glas) lassen sich damit nur schwer erfassen.

Einen Ausweg bietet die Laser-Scanning-Mikroskopie (Spektrum der Wissenschaft, Oktober 1994, Seite 78). Sie eignet sich hervorragend zur räumlichen Vermessung auch von biologischen Präparaten. Bei einem Auflösungsvermögen von unter 90 Nanometern (milliardstel Metern) in allen Raumachsen wird sie nur noch vom Rasterelektronenmikroskop übertroffen, das allerdings kaum zur Oberflächenvermessung taugt, sowie vom Rasterkraftmikroskop, das wiederum nur bei wesentlich feineren Auflösungen einsetzbar ist. Die Nachteile liegen sowohl in der eingeschränkten Farbabbildung, da man auf die verfügbaren Laserwellenlängen angewiesen ist, als auch im hohen Preis der Geräte von etwa einer halben Million Mark.

Aus diesem Grunde haben wir am Fraunhofer Institut für Chemische Technologie in Pfinztal bei Karlsruhe ein wenig aufwendiges Verfahren zur dreidimensionalen Oberflächenvermessung für die Mikroskopie weiterentwickelt, dessen Grundlagen Gerd Häusler und Kai Engelhardt an der Universität Erlangen-Nürnberg in den achtziger Jahren im makroskopischen Bereich erforschten.

Durch das einfache Meßprinzip ist es möglich, mit geringfügigen Modifikationen an einem normalen Auflichtmikroskop die Gestalt von Oberflächen mit ähnlicher Tiefenauflösung zu bestimmen wie mit Laser-Scanning-Mikroskopen – zu einem weit niedrigeren Preis. Die laterale Auflösung bleibt dabei allerdings im üblichen Bereich der Lichtmikroskopie (ungefähr ein Mikrometer).

Um die Topographie einer Oberfläche zu erfassen, wird bei diesem Verfahren mit einer Kamera zunächst eine Bilderserie vom Meßobjekt aufgenommen und von einem Computer digitalisiert. Zwischen den Aufnahmen verschiebt man den Gegenstand jeweils um eine bestimmte Strecke auf das Objektiv zu oder davon weg (ändert also praktisch die Fokusebene). Wegen der geringen Tiefenschärfe der Mikroskopbilder (maximal wenige Mikrometer) sind auf jedem jeweils nur die Stellen scharf abgebildet, die im tiefenscharfen Bereich liegen.

Nun berechnet man die lokale Bildschärfe in allen Aufnahmen mit Hilfe eines mathematischen Verfahrens. Im allgemeinen bieten sich hierzu Kontrastoperatoren an, die Grauwertdifferenzen zwischen benachbarten Bildpunkten berechnen. Wo das Bild scharf ist, treten starke Kontraste – das heißt große Helligkeitsunterschiede – auf. Je größer also der Wert, den der Kontrastoperator an einer Stelle liefert, um so schärfer ist dort das Bild.

Betrachtet man den Verlauf des Kontrastwertes an einem festen Bildpunkt über mehrere Fokusebenen, ergibt sich eine Kurve, deren Maximum die Ebene anzeigt, in welcher der entsprechende Objektpunkt am schärfsten abgebildet wurde (Bild 1); auf diesem Prinzip basieren auch die meisten Autofokussysteme in Kameras. Jetzt braucht man dem Bildpunkt nur noch die Objektverschiebung der korrespondierenden Fokusebene zuzuordnen. Wiederholt man diese Prozedur für alle Punkte, erhält man ein diskretes Höhenprofil des Gegenstandes.

Die dabei erreichbare Tiefenauflösung wird zwar durch die kleinste Schrittweite begrenzt, um die das Objekt vor oder zurück bewegt werden kann. Doch läßt sich durch das mathematische Verfahren der Regression über mehrere Fokusebenen auch die Höhe eines dazwischen liegenden Objektpunktes präzise bestimmen (Bild 1).

Soweit wurde das Verfahren schon in den frühen achtziger Jahren entwickelt, lieferte in der Praxis aber höchst unbefriedigende Ergebnisse. Damit es funktioniert, muß die Objektoberfläche nämlich genügend strukturiert sein; bei glatten oder spiegelnden Gegenständen gibt es keine Kontraste, die sich zum Scharfstellen ausnutzen ließen. Darum stellt zum Beispiel eine Autofokuskamera "unendlich" als Entfernung ein, wenn man das Objektiv auf eine weiße, strukturlose Wand richtet.

Da dies die Praxistauglichkeit des Verfahrens stark einschränkt, haben wir nach einem Ausweg gesucht. Die verblüffend einfache Lösung, auf die wir schließlich kamen, war, eine Art Dia mit einer kleinräumigen Struktur – etwa einem Schachbrettmuster oder Streifenraster – in den Beleuchtungsstrahlengang des Mikroskops einzubauen und auf die Objektoberfläche zu projizieren.

Die Struktur wird dann auf den Stellen des Objektes scharf abgebildet, die auch durch den Beobachtungstrahlengang scharf zu sehen sind. Dadurch erhält der glatte Gegenstand sozusagen eine künstliche Oberflächenstruktur aufgeprägt, die zum Erkennen der Schärfe dienen kann. Mit diesem Trick vermochten wir bei unserem Laborsystem die erstaunliche Tiefenauflösung von rund 25 Nanometern zu erreichen (Bild 2).

Außerdem kann man mit diesem Verfahren nicht nur die Topographie sehr genau vermessen. Die Kenntnis der schärfsten Fokusebene für jeden Bildpunkt erlaubt es zudem, ein Bild zu erzeugen, das über den gesamten Tiefenbereich scharf ist. Die Tiefenschärfe eines Mikroskops läßt sich dadurch von wenigen Mikrometern auf fast beliebige Werte ausdehnen.

Da der entscheidende Teil des Systems aus Software besteht, ließe es sich sogar als Bausatz vertreiben. Die benötigten Komponenten wären ein leicht modifiziertes Auflichtmikroskop, eine Videokamera, ein computersteuerbarer Fokusantrieb, ein Rechner, der die Brennweite reguliert und die Bilder digitalisiert, sowie das Projektionsdia. Vieles davon ist in den meisten Labors schon vorhanden oder leicht zu kaufen. Weil nur standardisierte Bausteine benötigt werden, bleibt auch das Komplettsystem erschwinglich. Zusammen mit der Firma OMECA in Berlin-Teltow haben wir ein Gerät entwickelt, das eine Tiefenauflösung unter 100 Nanometern erreicht und 100000 Mark kostet.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 7 / 1996, Seite 12
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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