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Bewusstsein: Ich wie Du

Bewusstsein – was ist das? Woher kommt es? Und was würde uns eigentlich fehlen, wenn wir es nicht hätten?
Eine Frau blickt glücklich in einen Spiegel.

Die Bewusstseinsforschung ist eine Geschichte von Enttäuschungen. Besonders enttäuschend ist für viele, dass ausgerechnet die Psychologie die Erklärung des Bewusstseins weitgehend aus ihrem Programm gestrichen hat. Sie erkennt Bewusstseinserscheinungen zwar als Phänomene an und beschreibt ihre gesetzmäßigen Zusammenhänge, ohne jedoch zu erklären, was sie eigentlich sind und wie sie zu Stande kommen.

Mit dieser Strategie haben Pioniere wie Gustav Theodor Fechner (1801-1887) und Wilhelm Wundt (1832-1920) im 19. Jahrhundert die Experimentelle Psychologie begründet. Verzicht auf Theorie war der Preis für die empirische Erforschung des Geistes. Einige Jahrzehnte später ignorierten die Behavioristen Bewusstseinserscheinungen sogar völlig und beschränkten sich stattdessen auf die Analyse von Verhalten. Das Kalkül dahinter: Man wollte die Wissenschaft nicht mit Meta­physik belasten. Diese Einstellung hat die Psychologie geprägt und wirkt immer noch nach. Heute sind Bewusstseinserscheinungen zwar durchaus Gegenstand empirischer Forschung, aber Bewusstseinstheorien, die diesen Namen verdient hätten, bleiben Mangelware.

Während die Psychologie kneift, prescht die Hirnforschung seit geraumer Zeit voran. Doch auch sie enttäuscht, weil ihre theoretischen Angebote kaum befriedigen. Im Mittelpunkt steht der Versuch, Bewusstsein zu erklären, indem man seine neuronalen Korrelate identifiziert – jene Hirnprozesse also, die mit ihm verbunden sind. Natürlich ist nichts gegen die Idee einzuwenden, dass Bewusstsein auf Hirnprozessen beruht. Das heißt aber nicht, dass es durch sie auch hinreichend erklärt werden kann. Denn da solche Prozesse bestimmte kognitive Funktionen ermöglichen, müssen Erklärungen, die diesen Namen verdienen, Eigenschaften von Bewusstsein aus Eigenschaften dieser Funktionen ableiten. Dabei kann ein Verständnis der beteiligten Hirnprozesse nützlich sein, wirkliche Erklärungen liefert es allein jedoch nicht ...

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Gehirn&Geist – Wer entscheidet? Wie das Gehirn unseren freien Willen beeinflusst

Was bedeutet es, ein Bewusstsein zu haben? Haben wir einen freien Willen? Diese Fragen beschäftigt Neurowissenschaft, Philosophie und Theologie gleichermaßen. Der erste Artikel zum Titelthema zeichnet die Entwicklung der neurowissenschaftlichen Forschung nach und zeigt, wie das Gehirn das subjektive Erleben formt. Anschließend geht es im Interview mit dem Neurophilosophen Michael Plauen um die Frage, ob wir frei und selbstbestimmt handeln, oder nur Marionetten unseres Gehirns sind. Die Antwort hat Konsequenzen für unser Selbstbild, die Rechtsprechung und unseren Umgang mit KI. Daneben berichten wir, wie virtuelle Szenarien die traditionelle Psychotherapie erfolgreich ergänzen und vor allem Angststörungen und Posttraumatische Belastungsstörungen lindern können. Ein weiterer Artikel beleuchtet neue Therapieansätze bei Suchterkrankungen, die die Traumata, die viele Suchterkrankte in ihrer Kindheit und Jugend erfahren haben, berücksichtigen. Zudem beschäftigen wir uns mit der Theorienkrise in der Psychologie: Der Risikoforscher Gerd Gigerenzer erklärt, warum die Psychologie dringend wieder lernen muss, ihre Theorien zu präzisieren.

Spektrum Kompakt – Das Unbewusste

Viele unserer Denkprozesse laufen auf Autopilot ab. Untersucht wurden sie schon von Sigmund Freud, C. G. Jung und Alfred Adler. Heute arbeitet man daran, das Zusammenspiel von Unbewusstem und Bewusstem neuronal sichtbar zu machen oder psychische Abwehrmechanismen durch bestimmte Tests zu ergründen.

Gehirn&Geist – Gehirn und KI im Dialog: Was uns künstliche Intelligenz über menschliches Denken lehrt

Ist künstliche Intelligenz in der Lage, echtes Bewusstsein zu simulieren? Neue Ansätze in der KI-Forschung versuchen KI-Systeme menschenähnlicher zu machen, indem sie den modularen Aufbau des Gehirns nachahmen. Mit diesem Artikel startet die neue Serie »Wechselspiel der Intelligenzen«, in der wir beleuchten, wie sich künstliche und menschliche Intelligenz gegenseitig beeinflussen. Im Schwerpunktthema »Demokratie in Gefahr?« klären wir im Interview, ob sich wissenschaftlich fassen lässt, wie eine Demokratie in eine Autokratie abgleitet. Ein weiterer Artikel zu diesem Thema erklärt, wie sich trotz zunehmend kontroverser Gesellschaftsdebatten ein kühler Kopf bewahren lässt. Daneben berichten wir, warum noch Jahre nach Konsum von Psychedelika visuelle Störungen auftreten können, ob Hirnstimulation gegen Depressionen hilft, oder Eisbaden und Kältekammern wirklich gesund sind.

  • Quellen

Brentano, F.: Psychologie vom empirischen Standpunkt. Felix Meiner, Leipzig 1924 (Ersterscheinung 1874)

Eckstein, W. (Hg.): "Theorie der ethischen Gefühle" von Adam Smith (1759). Felix Meiner, Hamburg 1994

Graziano, M. S. A.: Consciousness and the Social Brain. Oxford University Press, New York 2013

Graziano, M. S. A., Kastner, S.: Human Consciousness and its Relationship to Social Neuroscience: A Novel Hypothesis. In: Cognitive Neuroscience 2, S. 98-113, 2011

Musholt, K.: Self-Consciousness and Intersubjectivity. In: Grazer Philosophische Studien 84, S. 63-89, 2012

Prinz, W.: Selbst im Spiegel: Die soziale Konstruktion von Subjektivität. Suhrkamp, Berlin 2013

Prinz, W.: Modeling Self on Others: An Import Theory of Subjectivity and Selfhood. In: Consciousness and Cognition 49, S. 347-362, 2017

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