Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Emotionen: Wie das Gehirn Gefühle macht

Was wir empfinden ist nicht angeboren, sondern abhängig von den Erfahrungen, die wir im Lauf unseres Lebens machen. An einem Gefühl wie Freude können dabei ganz unterschiedliche Nervenzellen beteiligt sein.
Typ sitzt brüllend vorm Laptop und schwenkt die Faust. Oder wie wir es nennen: Windows-Update.

Ich bin keineswegs die Erste, die davon ausgeht, dass Emotionen gemacht werden. Die Theorie der konstruierten Emotion gehört zu einer weiter gefassten wissenschaftlichen Tradition der Konstruktion. Sie geht davon aus, dass Erfahrungen und Verhaltensweisen von Moment zu Moment durch biologische Prozesse in Gehirn und Körper hervorgebracht werden. Dieser Konstruktionsgedanke geht auf Ideen zurück, die ihre Wurzeln bereits im alten Griechenland haben. Damals schrieb der berühmte Philosoph Heraklit, dass niemand zweimal in denselben Fluss steigen kann. Denn nur der Geist erlebt einen sich ständig wandelnden Fluss als das immer gleiche Gewässer. Dieser konstruktivistische Ansatz wird heute auf vielen Gebieten verfolgt, zum Beispiel bei der Erinnerung und Wahrnehmung, bei geistigen Erkrankungen und natürlich Emotionen.

Die konstruktivistische Sicht der Emotionen beruht auf einigen Kernideen. Zum einen, dass eine emotionale Kategorie wie Wut oder Abscheu keinen physischen Fingerabdruck hat. Eine Instanz von Wut muss sich nicht anfühlen wie eine andere oder ihr äußerlich ähneln. Sie wird auch nicht von denselben Neuronen verursacht. Vielfalt ist die Norm. Sie haben vielleicht eine andere Ärgerbandbreite als ich. Doch wenn wir unter ähnlichen Umständen aufwachsen, gibt es vermutlich Übereinstimmungen. Eine weitere Kernidee ist es, dass die Gefühle, die Sie erleben und wahrnehmen, nicht unvermeidliche Folge Ihrer Gene sind...

Hierbei handelt es sich um einen redaktionell leicht bearbeiteten Auszug aus dem Buch »Wie Gefühle entstehen« von Lisa Feldman Barrett, das am 13. Juni 2023 bei Rowohlt erschienen ist.

Kennen Sie schon …

Spektrum der Wissenschaft – Innerer Dialog – Wie Kopf und Körper miteinander kommunizieren

Über ein fein abgestimmtes System aus neuronalen Netzwerken via hormonelle Steuerung bis hin zu zellulären Dialogen stehen Kopf und Körper in ständigem Austausch. Denn wie in jeder funktionierenden Gesellschaft gilt auch hier: Ohne Kommunikation geht nichts. Dieser innere Austausch ist ebenso komplex wie der soziale – und er läuft rund um die Uhr, meist, ohne dass wir ihn bewusst wahrnehmen. Er spielt auch eine entscheidende Rolle für unsere Gesundheit.

Spektrum - Die Woche – Bei Dauerstress lässt das Gehirn den Körper altern

Stress macht nicht nur müde – das Gehirn lässt den Körper bei Dauerstress auch schneller altern. In »Die Woche« erfahren Sie, wie das Gehirn als »Alterungsmanager« fungiert, warum Pinguine einst lange Schnäbel hatten und welche Risiken die versenktee Atommüllfässer im Atlantik bergen.

Gehirn&Geist – Die Kraft der Emotionen: Wie Gefühle die Herzgesundheit beeinflussen

Der Nachbar parkt schon wieder vor der Hofeinfahrt? Die Bahn meldet noch mehr Verspätung als sonst? Gründe zum Aufregen gibt es viele. Die Neurokardiologie untersucht, wie sich diese Emotionen auf die Herzgesundheit auswirken. Erfahren Sie, warum eine positive Lebenseinstellung gut für das Herz-Kreislauf-System ist. Weitere Themen dieses Heftes: Das glymphatische System wäscht Zellmüll aus dem Gehirn, damit könnte es als Ansatzpunkt zur Therapie von Alzheimerdemenz werden, auch wenn noch viele Details unklar sind. Neue KI-Modelle werden immer leistungsstärker und verblüffen mit ihren Fähigkeiten. Ist der Weg zur künstlichen Superintelligenz nur noch eine Frage der Zeit? Außerdem berichten wir über einen kleinen Neuronenverbund im Hirnstamm, der unsere Denkprozesse steuert und ähnlich wie ein Getriebe im Auto funktioniert. Lassen sich darüber Lernen, Kreativität, Konzentration und Wachsamkeit verbessern? Im Brennpunkt »Sexualisierte Gewalt« erläutert Carlo Koos im Interview, warum Überlebende von sexualisierter Gewalt im Krieg oft mit Stigmatisierung zu kämpfen haben.

  • Infos

Barrett, L. F., Russell, J. A. (Hg.): The psychological construction of emotion. The Guilford Press, 2014

Barrett, L. F.: The future of psychology: Connecting mind to brain. Perspectives on Psychological Science 4, 2009

Marder, E., Taylor, A. L.: Multiple models to capture the variability in biological neurons and networks. Nature Neuroscience 14, 2011

Schachter, S., Singer, J.: Cognitive, social, and physiological determinants of emotional state. Psychological Review 69, 1962

Westermann, G. et al.: Neuroconstructivism. Developmental Science 10, 2007

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.