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Biologie: Evolutionstheorie auf dem Prüfstand

Neue Erkenntnisse haben immer wieder Anlass gegeben, die theoretischen Grundlagen der Evolutionsbiologie zu überarbeiten. Jetzt fordern manche Forscher, das bewährte Gedankengebäude erneut zu erweitern - zu Recht?
Eine Sammlung bunter tropischer Käfer. "The Creator would appear as endowed with a passion for stars, on the one hand, and for beetles on the other." - J.B.S. Haldane

Charles Darwin (1809-1882) zögerte viele Jahre, bevor er seine Evolutionstheorie veröffentlichte. Ihm war bewusst, dass die Theorie, so einfach ihre Grundprinzipien scheinen, etliche biologische Phänomene nicht ohne Weiteres erklären konnte. Er hätte noch länger gezaudert, hätte er nicht in den 1850er Jahren erfahren, dass der britische Naturforscher Alfred Russel Wallace (1823-1913) ähnliche Ideen entwickelte wie er selbst. Darwin hatte zu jenem Zeitpunkt bereits 20 Jahre an der Theorie gearbeitet und fürchtete, Wallace könne ihm mit einer Publikation zuvorkommen.

Quasi in einer Vorabveröffentlichung ließen beide Naturforscher die Grundzüge ihres Konzepts 1858 vor der Linnean Society of London verlesen, stießen aber zunächst auf wenig Resonanz. Erst mit dem Buch »On the Origin of Species by Means of Natural Selection«, das im Jahr darauf erschien, wurde Darwins Evolutionstheorie einem breiten Publikum bekannt. Im Kern des Werks steht – anders als der Titel vermuten lässt – nicht die Frage, wie sich neue Arten herausbilden, sondern der Mechanismus der natürlichen Selektion. Einleitend fasst Darwin dessen Eckpfeiler in zwei Sätzen zusammen, hier in deutscher Übersetzung wiedergegeben:

»Da viel mehr Individuen jeder Art geboren werden, als möglicherweise überleben können, und da es somit einen häufig wiederkehrenden Kampf ums Dasein gibt, folgt daraus, dass jedes Wesen, wenn es sich auch nur geringfügig in irgendeiner Weise verändert, die unter den komplexen und manchmal wechselnden Bedingungen des Lebens vorteilhaft ist, eine bessere Überlebenschance hat und somit natürlich ausgewählt wird. Auf Grund des starken Prinzips der Vererbung wird jede ausgewählte Sorte dazu neigen, ihre neue und modifizierte Form zu verbreiten.«

Hierin steckt alles, was man über die wesentlichen Prinzipien der natürlichen Selektion wissen muss. Aus der Kombination von Überschuss an Nachkommen, Existenzkampf, Variation, Vererbung und ökologischen Rahmenbedingungen folgt die Anpassung an die Umwelt. Diese Zusammenhänge lassen sich experimentell beliebig oft reproduzieren und stellen eine gesicherte Gesetzmäßigkeit dar. Insofern handelt es sich eigentlich nicht mehr um eine Theorie, weshalb wir meist von Evolutionsbiologie statt von Evolutionstheorie sprechen.

Einige Wissenschaftler fordern heute, die theoretischen Grundlagen der Evolutionsbiologie zu überarbeiten, um eine so genannte erweiterte evolutionäre Synthese zu schaffen …

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  • Quellen

Garay, J. R. et al.: When optimal foragers meet in a game theoretical conflict: A model of kleptoparasitism. Journal of Theoretical Biology 502, 2020

Laland, K. et al.: Does evolutionary theory need a rethink? Nature 514, 2014

Rando, O. J., Simmons, R. A.: I'm eating for two: Parental dietary effects on offspring metabolism. Cell 161, 2015

Sharma, U.: Paternal contributions to offspring health: Role of sperm small RNAs in intergenerational transmission of epigenetic information. Frontiers in Cell and Developmental Biology 7, 2019

Wood, A. R. et al.: Defining the role of common variation in the genomic and biological architecture of adult human height. Nature Genetics 46, 2014

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