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Faktor vier: Doppelter Wohlstand - halbierter Naturverbrauch. Der neue Bericht an den Club of Rome

Droemer Knaur, München 1995.
352 Seiten, DM 45,-.

Doppelter Wohlstand – halbierter Naturverbrauch: Das ist, so der Klappentext, die "neue, einfache und aufregende Botschaft" an den Club of Rome. Anhand von fünfzig Beispielen wollen die Autoren belegen, daß es möglich sei, durch eine "Effizienzrevolution" die Umweltqualität entscheidend zu verbessern, ohne Einschränkungen des materiellen Wohlstandes hinnehmen zu müssen. Viele der angeführten technischen Innovationen sind bereits heute anwendbar. Daß sie noch nicht in die Praxis umgesetzt worden sind, liegt, wie die Autoren zeigen, an einer Reihe von Hemmnissen.

Eines ist der kurze Zeithorizont der Entscheidungsträger. Selbst wenn neue Produktionsverfahren hinsichtlich Rohstoffeinsatz und Umweltverbrauch besser sind als die alten, folgt daraus nicht, daß sie auch genutzt würden; denn Investoren sind in der Regel an hohen kurzfristigen Renditen interessiert. Neue umweltfreundliche Verfahren sind häufig aber erst längerfristig rentabel. Zweitens, so die Autoren, gibt das bestehende Preissystem unserer Marktwirtschaft die falschen Signale, weil die heutigen Marktpreise die intertemporale (über lange Zeiträume betrachtete) Knappheit von Rohstoffen und die begrenzte Aufnahmekapazität der Umwelt an Schadstoffen unzureichend berücksichtigen.

Ohne eine Änderung dieser ungünstigen Rahmenbedingungen, so der Tenor des Buches, wird sich die gebotene Effizienzrevolution kaum verwirklichen lassen. Deshalb fordern die Autoren unter anderem eine ökologische Steuerreform.

Allerdings geht aus ihren Ausführungen nicht deutlich hervor, was darunter zu verstehen ist. Es wird lediglich sehr pauschal eine Änderung von Rohstoff- und Energiepreisen gefordert mit dem Ziel, nicht nur den spezifischen Ressourcen- und Energieverbrauch zu senken, sondern auch sicherzustellen, daß Effizienzfortschritte nicht in einen absolut höheren Verbrauch an Rohstoffen und Energie münden.

Spätestens diese Ausführungen zeigen deutlich den ambivalenten Charakter des Buches. Einerseits macht es Mut. Die Beispiele demonstrieren, daß es durchaus realistische Möglichkeiten gibt, die Umwelt zu entlasten und Rohstoffe einzusparen. Die Autoren sehen viel deutlicher als viele Umweltökonomen und Umweltpolitiker die Bedeutung des Zeithorizonts für die Einführung neuer Techniken und die Durchsetzung einer ökologischen Steuerreform.

Andererseits werden durch die einseitige Orientierung auf die Effizienz wesentliche Fragen vernachlässigt. Die zentrale Behauptung, die Effizienzrevolution sei "ein neues Füllhorn", mit dem "selbst die schwierigsten globalen Probleme der Verteilungsgerechtigkeit ohne schwerwiegende Opfer irgendeines Erdteils gelöst werden" (Seite 296), bleibt ohne hinreichende Begründung eine Sache des Glaubens. Auch die Schlußfolgerung "Echte Wohlstandsverzichte werden nicht verlangt, aber man muß die Effizienz dramatisch verbessern" (Seite 246) kann nicht überzeugen.

Solche Aussagen finden sich zahlreich. Die Autoren vermitteln damit – gelegentlich mit beinahe missionarischem Unterton – den Eindruck, daß unsere Probleme ausschließlich durch technische Maßnahmen gelöst werden könnten. Dies muß aber zumindest kritisch hinterfragt werden. Denn die Analyse vergangener Entwicklungen zeigt, daß dank technischen Fortschritten zwar der spezifische Rohstoffverbrauch gesunken ist, dieser Vorteil häufig aber durch einen insgesamt gestiegenen Verbrauch kompensiert wurde. Die Entwicklung des Energieverbrauches und der damit verbundenen Kohlendioxid-Emissionen ist ein Beispiel dafür.

Zwar sprechen auch die Autoren dieses Problem an, argumentieren jedoch, die – durch technischen Fortschritt mögliche – Reduktion des Gesamtverbrauchs sei ausgeblieben, weil die Rohstoffpreise nicht gestiegen seien. Das ist nicht überzeugend. Die in diesem Zusammenhang angeführte Graphik, die einen sinkenden Rohstoffpreis-Index zeigt (Seite 220), ist viel zu undifferenziert, um solche weitreichenden Schlußfolgerungen zu belegen; es ist auch nicht nachvollziehbar, um was für einen Index es sich handelt.

Ferner muß berücksichtigt werden, daß allein wegen einer Preiserhöhung für Rohstoffe – zum Beispiel Erdöl – der absolute Verbrauch noch nicht zurückgeht, selbst dann nicht, wenn zugleich ein "Hyper-Auto" (gemeint: ein Super-Spar-Auto) eingeführt würde. Auch hier gilt: Solche Schlußfolgerungen können nur durch detaillierte ökonomische Analysen gestützt werden, welche das Wechselspiel von Nachfrage- und Angebotsentscheidungen berücksichtigen. Eine solche Analyse fehlt in dem vorliegenden Buch. Deshalb müßten viele Thesen wesentlich differenzierter formuliert werden.

Die Einsicht, daß es in der Wirtschaft Effizienzpotentiale gibt, deren Freisetzung den Umwelt- und Rohstoffverbrauch mindern würde, ist nicht neu. Allenfalls neu ist die Zusammenstellung vieler Beispiele unter dem Slogan "Faktor vier". "Einfach und aufregend" scheint die Lösung unserer Probleme nur zu sein, weil die Beispiele letztlich den Eindruck erwecken, wir könnten unsere Umwelt- und Rohstoffprobleme technisch lösen. Die Autoren machen nicht deutlich genug, daß wir auch über unseren Wohlstandsbegriff nachdenken müssen. Zwar finden sich im letzten Kapitel dazu einige Bemerkungen. Daß die hier kritisierte Unersättlichkeit aber auch eine der Triebfedern des technischen Fortschritts und damit der eingeforderten Effizienzrevolution ist, kommt nicht zur Sprache.



Aus: Spektrum der Wissenschaft 4 / 1996, Seite 118
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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