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Ferne Galaxienhaufen als Gravitationslinsen


Zu den interessantesten und verblüffendsten Erscheinungen der extragalaktischen Astronomie gehören Bilder von Sternsystemen, die nur aufgrund seltener zufälliger Konstellationen zu beobachten sind: Liegen zwei verschieden weit von der Erde entfernte Galaxien auf derselben Sichtlinie, dann wird das Licht der ferneren durch das Gravitationsfeld der näher gelegenen abgelenkt und wie durch eine optische Linse zum Beobachter hin fokussiert. Dieser nimmt dadurch im Idealfalle ein ringförmiges Bild des Hintergrundobjekts wahr; im allgemeinen sind jedoch mehrere bogenförmige Strukturen sichtbar (vergleiche Spektrum der Wissenschaft, September 1988, Seite 104, sowie Mai 1995, Seite 56).

Zwei besonders eindrucksvolle Beispiele einer solchen kosmischen Fata Morgana, bei der sogar große Galaxienhaufen als licht-ablenkende Systeme wirken, wurden kürzlich von einem Teleskop der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) und der Europäischen Südsternwarte (ESO) sowie dem Hubble-Weltraumteleskop aufgenommen.

Einer der beiden Galaxienhaufen befindet sich im Sternbild Jungfrau und trägt die Bezeichnung RXJ1347.5-1145; er wurde kürzlich mit dem Röntgensatelliten ROSAT entdeckt. Nachfolgende Beobachtungen mit dem 2,20-Meter-Teleskop der MPG und der ESO auf dem Berg La Silla (Chile) ergaben, daß er etwa fünf Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernt ist. Die Energieabstrahlung des Haufens im Röntgenbereich muß folglich sehr groß sein: Man schätzt sie auf das 1,5-Billionenfache der Sonnenleuchtkraft.

Auf einer nur drei Minuten belichteten Aufnahme entdeckte die Forschergruppe unter Leitung von Astronomen des Max-Planck-Instituts für Extraterrestrische Physik in Garching und des Osservatorio Astronomico di Brera in Merate (Italien) zu ihrer Überraschung zwei etwa fünf Bogensekunden lange Lichtbögen, die symmetrisch zur hellsten Galaxie im Haufen angeordnet sind (Bild 1). Spektren der beiden Bögen sollen nun Aufschluß über ihre Rotverschiebung und damit über die Entfernung des zugehörigen Hintergrundobjekts geben.

Das Hubble-Weltraumteleskop entdeckte im massereichen Galaxienhaufen Abell 2218 sogar 120 schmale Lichtbögen, die verzerrte Abbildungen einer äußerst weit entfernten Galaxien-Population sein müssen (Bild 2); die Aufnahme enthält allein sieben Mehrfachabbildungen.

In beiden Fällen wären die abgebildeten Hintergrundobjekte ohne die Verstärkung durch den Linseneffekt wegen ihrer enormen Entfernung nicht zu beobachten. Man hofft, durch genaue Untersuchung der Bilder Informationen darüber zu erhalten, wie Galaxien in der Frühzeit des Universums entstanden sind. (U.R.)


Aus: Spektrum der Wissenschaft 8 / 1995, Seite 24
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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