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Forschung mit Röntgenstrahlen. Bilanz eines Jahrhunderts (1895 bis 1995)

Springer, Berlin 1995.
692 Seiten, DM 98,-.

Das Werk ist in zwei gleich große, weitgehend unabhängige Teile gegliedert. Der erste ist dem Fortschritt der medizinischen Radiologie bis zum heute erreichten Stand gewidmet; seine Verfasser sind durch zahlreiche Veröffentlichungen ausgewiesene Fachleute der Radiologie und der Medizingeschichte. Nach zwei historischen Beiträgen zum wissenschaftlichem Werdegang Wilhem Conrad Röntgens (1845 bis 1923) und seiner ersten Mitteilung "über eine neue Art von Strahlen" (vergleiche Spektrum der Wissenschaft, September 1995, Seite 88) geht der Medizinhistoriker Heinz Goerke auf die Situation von Medizin und Arztberuf am Ende des 19. Jahrhunderts ein; der Herausgeber Friedrich Heuck, langjähriger Direktor am Radiologischen Institut des Stuttgarter Katharinenhospitals, und seine Mitarbeiter beschreiben das erste Jahr nach der Entdeckung Röntgens (Seiten 18 bis 26).

Die folgenden 14 Beiträge zu diesem ersten Teil behandeln die Radiodiagnostik der verschiedenen Organe und Organsysteme (Seiten 33 bis 236). Der Leser gewinnt dabei eine gute Übersicht über Möglichkeiten und Grenzen heutiger röntgenologischer Bilddiagnostik. Einblicke in die Strahlentherapie und Behandlung mit Radionukliden vermitteln Karl zum Winkel, Emeritus der Universität Heidelberg, und Bernhard N. Kimmig von der Universität Kiel. Hedi Fritz-Niggli, ehemals Universität Zürich, schildert die Entwicklung der Strahlenbiologie von der anfänglichen klinischen Beobachtung bis zu aktuellen Ergebnissen und weist auf Probleme hin, die sich dieser Spezialwissenschaft in Zukunft stellen. Es folgen noch Beiträge über die Anwendung von Röntgenstrahlen in der Rechts- und Veterinärmedizin.

Der zweite Hauptteil "Fortschritte in der Natur- und Ingenieurwissenschaft" behandelt in mehr als einem Dutzend Aufsätzen die Anwendung von Röntgenstrahlen in Chemie, Biochemie, Kristallographie, in Texturforschung, Strukturanalyse, Röntgenspektro- und Mikroskopie sowie anderen Gebieten. Einleitend bringt der zweite Herausgeber, der Karlsruher Werkstoffkundler Eckhard Macherauch, gemeinsam mit seinem Kollegen Hans Neff eine gute Übersicht über die allgemeine Entwicklung der Anwendung von Röntgenstrahlen außerhalb der Medizin bis Mitte der zwanziger Jahre (Seiten 323 bis 351).

Vom mikroskopisch Kleinen führt der schön bebilderte Beitrag "Röntgenstrahlen aus dem Universum" den Leser in kosmische Dimensionen. Im Jahre 1970 hatte Ernst Stuhlinger, der mit Wernher von Braun am Weltraumprogramm der Vereinigten Saaten gearbeitet hat, aus Anlaß des Jubiläums "75 Jahre Röntgenstrahlen" über die Entdeckung von Röntgenstrahlen aus dem Weltall berichtet. Daran anknüpfend schildern er und seine Mitarbeiter die ungeahnten, für den Laien nicht leicht nachvollziehbaren Fortschritte der letzten 25 Jahre auf diesem Gebiet. Zur Sprache kommen hier auch die Erkenntnisse und Fragen der künftigen Röntgenastronomie, die wir ROSAT, dem 1991 unter Leitung des Max-Planck-Instituts für extraterestrische Physik realisierten Röntgen-Satelliten, verdanken (Spektrum der Wissenschaft, Juli 1993, Seite 66).

Die letzten Beiträge sind der Anwendung von Röntgenstrahlen zur Untersuchung von Kunstgegenständen wie auch in Anthropologie, Archälogie und Paläontologie gewidmet. Diese beiden gut illustrierten Aufsätze dokumentieren die großen Möglichkeiten einer zerstörungsfreien Analyse von Artefakten sowie von menschlichen und tierischen Fossilien.

Am Schluß folgen in alphabetischer Reihenfolge Namen und informative Kurzbiographien der 66 am Werk beteiligten Autoren.

Das Werk beeindruckt durch die Vielzahl seiner Einzeldarstellungen und eingehenden Bestandsaufnahmen sowie durch die Fülle von Informationen, auch wenn dadurch eine Gesamtübersicht stark erschwert wird. Zudem ist die Suche nach bestimmten Einzelheiten, Querverbindungen und Zusammenhängen mangels eines Sachregisters sehr mühsam. Mancher Leser wird enttäuscht sein, weil das Buch hinter dem im Untertitel genannten Anspruch eben doch zurückbleibt. Aber auch so bleibt das mehr enzyklopädische Gesamtwerk mit seinen 44, sehr oft von zwei oder mehr Autoren verfaßten Aufsätzen eine außerordentliche Leistung aller Beteiligten und eine wertvolle Gabe zum Gedenken an den 150. Geburtstag Röntgens und den hundertsten Jahrestag der Entdeckung der Strahlen, die heute seinen Namen tragen.



Aus: Spektrum der Wissenschaft 2 / 1996, Seite 114
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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