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Gendermedizin: Übeltäter Immunsystem

Viele psychische Erkrankungen verteilen sich ungleich zwischen den Geschlechtern. Neuen Studien zufolge könnte das am Immunsystem liegen. Denn dessen Akteure im Gehirn arbeiten bei Mann und Frau unterschiedlich.
Blick in moderne Männer- und Frauentoilette, deren Eingänge nebeneinander liegen.

Hat ein Paar zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen, stehen die Chancen gut, dass sich beide völlig normal entwickeln. Sollten jedoch mit der Zeit psychische Probleme auftreten, so werden sich diese vermutlich unterschiedlich ausprägen.

Beim Sohn könnten sie sich zuerst bemerkbar machen. Denn bei sonst gleichen Voraussetzungen ist die Wahrscheinlichkeit, dass er in der Kindheit Autismus entwickelt, etwa viermal höher als bei seiner Schwester. Das Risiko, später an Schizophrenie zu erkranken, ist zwei- bis dreimal so hoch wie bei ihr. Sie wird wiederum als Erwachsene eher unter Depressionen leiden oder im Alter an Alzheimer erkranken.

Natürlich handelt es sich hierbei nur um Tendenzen: Auch Mädchen entwickeln Autismus, ebenso sind Frauen nicht immun gegen Schizophrenie. Und freilich gibt es genug Männer mit Depressionen und Alzheimer. Dennoch wird zunehmend deutlich, dass hinter den unterschiedlichen Risikoprofilen mehr steckt als etwa die Tatsache, dass Frauen im Schnitt länger leben und damit schlicht mehr Zeit haben, typische Altersleiden zu entwickeln. Neuen Studien zufolge beruhen die Diskrepanzen vielmehr auf den physiologischen Abweichungen zwischen Mann und Frau. Die wohl offensichtlichsten sind die Chromosomen X und Y. Menschen mit angeborenem weiblichem Geschlecht besitzen zwei X-Chromosomen, genetisch männliche Personen dagegen ein X- und ein Y-Chromosom. Auch die Sexual­hormone unterscheiden sich: Bei Männern dominiert das Testosteron, während der weibliche Körper mehr Östro­gene produziert. Wie Fachleute unlängst herausfanden, gehen die verschiedenen Risikoprofile für psychische Erkrankungen aber auf etwas anderes zurück: die Zellen und Moleküle des Immunsystems.

Schon länger gibt es Hinweise darauf, dass das Immunsystem bestimmte Störungen im Hirnstoffwechsel begünstigt. Bisher brachte man jedoch nicht das Geschlecht damit in Verbindung. Bis vor Kurzem verwendeten Hirnforscher in ihren Studien sogar routinemäßig nur männliche Tiere, weil sie annahmen, diese unterschieden sich kaum von den Weibchen. Sie befürchteten, der weibliche Zyklus könne die Ergebnisse verfälschen – eine meist unbegründete Sorge. Zudem zeigte sich, dass die Hormone bei männlichen Nagetieren ebenfalls stark schwanken können. Das passiert zwar nicht in einem festen Zyklus, aber beispielsweise als Reaktion ...

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