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Epigenetik: Genregulation durch RNA-Schnipsel

RNA-Moleküle können Gene abschalten, etwa mittels "RNA-Interferenz", und so auch ohne Mutation Resistenzen oder Verhaltensänderungen bewirken. Solche Vorgänge gelten meist als epigenetisch – aber nicht unbedingt zu Recht.
Synthetische Biologie

Wenn Infektionserreger gegen Medikamente resistent werden, schrillen bei Ärzten die Alarmglocken – und erst recht, wenn ein neuer Mechanismus dahintersteckt. Die große Sorge: Medizinische Waffen gegen gefährliche Keime könnten stumpf werden. Einen solchen neuen Resistenzmechanismus entdeckte kürzlich ein Wissenschaftlerteam aus den USA und Spanien: Der Köpfchenschimmel Mucor circinelloides, der in seltenen Fällen tödliche Infektionen auslösen kann, entkommt der Wirkung des antimykotisch wirkenden Stoffs Tacrolimus mit Hilfe der so genannten RNA-Interferenz (RNAi). Der Begriff fasst eine Gruppe natürlich vorkommender Mechanismen zum Abschalten von Genen zusammen, bei denen spezielle RNA-Moleküle die normale Genexpression stören. Diese produziert zunächst eine Boten-RNA genannte Abschrift des Gens, die dann ihrerseits als Bauanleitung zur Proteinherstellung dient. RNA-Interferenz kann an verschiedenen Punkten dieses Ablaufs ansetzen, wobei das Resultat dasselbe ist: Es entsteht kein oder nur noch wenig Protein.

Die Forscher behandelten den Pilz mit Tacrolimus und entdeckten daraufhin einige resistente Zellen. Ein Großteil davon enthielt Mutationen, also Veränderungen der DNA-Sequenz, unter anderem in einem Gen namens fkbA. Dieses liefert den Bauplan für das Protein FKBP12, an dem Tacrolimus angreift. Bei rund einem Drittel der untersuchten Pilzzellen ließ sich jedoch keine derartige Modifikation des Erbguts ausmachen. Stattdessen entdeckten die Wissenschaftler kleine RNA-Stücke, die in der Lage waren, das fkbA-Gen – und nur dieses – per RNA-Interferenz stillzulegen.

"Dieser Mechanismus gibt dem Organismus mehr Flexibilität", erklärt der Studienleiter Joseph Heitman von der Duke University School of Medicine in Durham, North Carolina. "Wenn sich die Bedingungen ändern, ist es einfacher, wieder zum Ausgangszustand zurückzukehren." Tatsächlich verschwanden die RNA-Schnipsel ebenso wieder wie die Resistenz, sobald die Pilzzellen in eine Nährlösung ohne den Wirkstoff überführt wurden. Die RNA-Interferenz scheint demnach auch definitiv für die Tacrolimusresistenz verantwortlich zu sein. Mit einem solchen Mechanismus könnte der Pilz sehr schnell auf das Gift reagieren – ohne den Preis zu bezahlen, den eine dauerhafte Anpassung mit sich bringt: Mutationen im Genom bleiben erhalten und können zudem Nachteile für den Organismus bedeuten, etwa eine geringere Stoffwechselrate oder schlechtere Bedingungen für die Vermehrung. ...

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  • Quellen

Calo, S. et al.: Antifungal Drug Resistance Evoked Via RNAi-Dependent Epimutations. In: Nature 513, S. 555 - 558, 2014

Gapp, K. et al.: Implication of Sperm RNAs in Transgenerational Inheritance of the Effects of Early Trauma in Mice. In: Nature Neuroscience 17, S. 667 - 669, 2014