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Geosphäre-, Biosphäre- und Polarforschung


Den globalen Zusammenhängen von Klima, Wasser- und Kohlenstoffkreislauf, von Struktur und Funktion natürlicher Ökosysteme sowie den daraus folgenden Veränderungen im sozioökonomischen Bereich sind die am Internationalen Geosphären-Biosphären-Programm (IGBP) beteiligten Forscher auf der Spur. Ihr ehrgeiziges Ziel ist eine Gesamtdarstellung des "Systems Erde" in Datensätzen und Modellen. Die bisher insgesamt zehn Projekte in 73 Ländern des vor zehn Jahren im Rahmen des International Council of Scientific Unions (ICSU) gegründeten IGBP sollen nun koordiniert werden. Dazu trafen sich etwa 220 Wissenschaftler aus mehr als 30 Ländern zum ersten Kongreß des IGBP vom 18. bis 22. April in Bad Münstereifel.

Das Ziel der künftigen Kooperation sei erreicht worden, sagte der deutsche nationale IGBP-Vorsitzende, der Meteorologe Hans-Jürgen Bolle von der Freien Universität Berlin, vor der Wissenschafts-Pressekonferenz in Bonn; doch inhaltlich seien noch viele Fragen offen, und in den von unterschiedlichen Teams vorgenommenen Messungen und Untersuchungen klafften noch große Lücken. So seien etwa die globalen Transportmechanismen des Treibhausgases Kohlendioxid noch immer nicht vollständig verstanden. Auch habe man – so der Vorsitzende des Wissenschaftlichen IGBP-Komitees, Peter Liss aus Stockholm – erst kürzlich festgestellt, daß der Ozongehalt in der tropischen Atmosphäre durch Verbrennung von Biomasse ansteigt, und erkannt, welche Mechanismen die Pflanzenproduktivität im Ozean steuern.

Die IGBP-Projekte untersuchen beispielsweise den Austausch von Spurengasen zwischen Land und Atmosphäre, globale Veränderungen in irdischen Ökosystemen, Wasserkreisläufe in der Biosphäre, die Folgen menschlicher Aktivitäten und die vielfältigen chemischen Vorgänge zwischen Küsten und Ozeanen sowie die Klimaentwicklung in den letzten eineinhalb Millionen Jahren. Auch wird versucht, den Einfluß der Meeresströmungen auf das Weltklima besser zu verstehen und biogeochemische Ozeanmodelle in globale Modelle zu integrieren. Zugleich will das IGBP stärker regionalen Bezügen nachgehen und den Entwicklungsländern helfen, eigene Forschungskapazitäten aufzubauen.

Mit den beiden anderen großen Projekten zur Untersuchung der globalen Veränderungen, dem Welt-Klima-Forschungsprogramm und dem Internationalen Programm der menschlichen Dimensionen des globalen Wandels, gibt es eine enge Zusammenarbeit. Fachlich betreut wird das IGBP in Deutschland von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, technisch und finanziell vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie.

Auch das am 17. April vom Bundeskabinett verabschiedete neue Polarforschungsprogramm soll sich überwiegend mit den Steuerungsmechanismen für das globale Klima befassen. Erstmals umfaßt es beide Polarregionen, die für das Verständnis des weltweiten Klimawandels eine entscheidende Rolle spielen.

Als Bundesforschungsminister Jürgen Rüttgers der Presse das Programm vorstellte, hob er die Bedeutung der Grundlagenforschung hervor. Es sei nicht richtig, solche erkenntnisorientierten Forschungsaktivitäten in Richtung der Anwendungsbereiche umzudirigieren. Nur wenn man jetzt das erforderliche Wissen beschaffe, könne man künftig konkrete Schritte in der Klimapolitik unternehmen: "Je länger wir auf Forschungsergebnisse warten, um so schwieriger wird das Umsteuern."

Aus dem Studium der in den Sediment- und Eisproben der Polargebiete archivierten Klimageschichte lassen sich Ursache-Wirkungsbeziehungen des Klimawandels in früheren Zeiten ableiten und Folgerungen für die Zukunft ziehen. Ein Frühwarnsystem zur Vorhersage kurzfristiger Klimaänderungen würde über lange Zeit hinweg großräumig angelegte Meßprogramme erfordern. Die vom Bund für die Polarforschung bereitgestellten Mittel sind aus diesem Grund relativ hoch: Für 1996 sind 82 Millionen Mark vorgesehen, und bis 1999 soll das Budget auf knapp 86 Millionen Mark pro Jahr steigen.

Das Polarforschungsprogramm ist eng mit den deutschen Meeresforschungs- und Klimaprogrammen sowie mit zahlreichen internationalen Aktivitäten, darunter eben dem IGBP, verbunden. Besonders wichtig ist, daß nunmehr auch aufgrund einer Fachvereinbarung mit Rußland in der Arktisforschung zusammengearbeitet werden kann.

Ein zweiter Schwerpunkt des Polarforschungsprogramms betrifft die Funktionsprinzipien der arktischen und antarktischen Ökosysteme. Darin soll unter anderem untersucht werden, wie sich Änderungen im belebten und im unbelebten Bereich auf die biologische Umwelt auswirken und wie sie sich etwa gegenüber der durch den Ozonabbau verursachten erhöhten Ultraviolett-Bestrahlung verhalten.

Neu ist im Polarforschungsprogramm die Suche nach Naturstoffen in polaren Organismen. Über moderne molekularbiologische Syntheseverfahren eröffnet sie wirtschaftlich interessante Perspektiven – etwa in der medizinisch-pharmazeutischen Anwendung, für Konservierungsverfahren und in der Nahrungsmittelindustrie. Beispielsweise lassen sich aus Fischen und Schwämmen der Antarktisregion Substanzen zum Gefrierschutz gewinnen; aus Moostierchen kommt ein Stoff, der das Wachstum von Blutkrebszellen hemmt, und in der Haut von Seegurken finden sich Substanzen, die das Bewachsen von meerestechnischen Geräten durch Kleinorganismen verhindern.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 7 / 1996, Seite 122
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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