Neurologie: Geschwindigkeitsneurone im Gehirn
Wissenschaftler um May-Britt und Edvard Moser von der Norwegischen Universität für Wissenschaft und Technologie (Trondheim) haben im Gehirn von Ratten spezialisierte Neurone entdeckt, die darauf reagieren, wie schnell sich die Tiere bewegen. Es handelt sich um Nervenzellen im medialen entorhinalen Kortex, einem Bereich der Großhirnrinde am Rand des Schläfenlappens. Diese "Temponeurone" feuerten im Experiment umso stärker, je schneller die Ratten eine vorgegebene Strecke entlangrannten. Die Information, wie hoch die Eigengeschwindigkeit ist, erhalten die Zellen offenbar nicht über den Sehsinn, sondern durch die Wahrnehmung von Körperbewegungen (Propriozeption). Den Untersuchungen zufolge machen die "Temponeurone" etwa 15 Prozent aller Nervenzellen im medialen entorhinalen Kortex aus.
May-Britt und Edvard Moser erhielten 2014 den Nobelpreis für Medizin oder Physiologie, gemeinsam mit dem britisch-amerikanischen Neurowissenschaftler John O'Keefe. Letzterer hatte im Hirn von Ratten so genannte Ortszellen beobachtet, die jeweils nur an einer bestimmten Position im Raum aktiv werden. Die Mosers hingegen entdeckten "Rasterzellen", die ein Koordinatennetz aus gleichseitigen Dreiecken bilden und deren Feuerrate davon abhängt, wie sich das Individuum durch die Umwelt bewegt. Beide Zellsorten, die man inzwischen auch bei anderen Tieren nachgewiesen hat, arbeiten Hand in Hand, um ihrem Träger eine Vorstellung davon zu vermitteln, wo er sich gerade befindet.
Um diese Aufgabe allerdings bewältigen zu können, müssen vor allem die Rasterzellen durchgängig Informationen zum Bewegungstempo erhalten. Wie das funktioniert, war bislang unklar. Mit dem Nachweis der "Temponeurone" scheint die Frage nun beantwortet zu sein. Da Letztere auf Signalveränderungen mit einer ähnlichen Verzögerung reagieren wie Rasterzellen, vermuten die Forscher, dass beide Zelltypen eng zusammenwirken.
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