Direkt zum Inhalt

Groß-Simbabwe

Mehrere Jahrhunderte lang war diese Stadt Drehscheibe eines ausgedehnten Handelsnetzes der Shona-Kultur. In der Kolonialzeit standen die Ruinen im Mittelpunkt erbitterter Kontroversen um die Geschichte und das Kulturerbe Schwarzafrikas.


Am Südrand des Simbabwe-Plateaus, an der Wasserscheide der Flüsse Sambesi und Limpopo, liegt die größte und schönste Ruinenstätte, die Afrika südlich der Sahara zu bieten hat (Bild 1). Ein markanter kegelförmiger Turm, langgezogene geschwungene Steinmauern und Artefakte vielfältiger Herkunft zeugen von einer einstmals blühenden Stadt, die ungefähr zwischen dem 12. und 17. Jahrhundert den Handel und die kulturelle Entwicklung in diesem Teil Afrikas entscheidend geprägt haben dürfte. Einzigartige Bauwerke und Skulpturen – insbesondere rätselhafte Vogelfiguren aus Speckstein – künden von einer reichen Vergangenheit, die den Archäologen noch immer Rätsel aufgibt. Seit 1980 ist der Staat, der bis zu seiner Unabhängigkeit von Großbritannien Rhodesien hieß, nach diesem geschichtsträchtigen Ort benannt.

Wie viele alte Städte ist auch Groß-Simbabwe legendenumwoben. Als portugiesische Händler im 16. Jahrhundert Angola und Mozambique kolonisierten, hörten sie von einem Königreich im Inneren des Kontinents. Ihre Berichte weckten bei vielen Europäern begehrliche Träume von der Entdeckung der Minen Salomons, denn der Bibel zufolge ließ der König sein Gold aus Ophir herbeischaffen. Der englische Dichter John Milton (1608 bis 1674) verlegte den Ort in seinem Epos "Das verlorene Paradies" irgendwo zwischen den Kongo und Angola. Der hartnäckige Mythos einer von semitischen Stämmen bevölkerten Stadt prägte noch viel später die kulturhistorischen Interpretationen von Groß-Simbabwe. Ihm vor allem sind auch die zahlreichen archäologischen Unklarheiten anzulasten; Kolonialismus und schlampige, politisch motivierte Archäologie haben die wahre Geschichte dieses spektakulären Relikts der frühen Shona-Kultur und der afrikanischen Eisenzeit fast zur Unkenntlichkeit verzerrt.



Eine wichtige Metropole


Die Stadt entstand zwischen 1100 und 1600 unserer Zeitrechnung. Offenbar lag ihr kein zentraler Plan zugrunde; sie wurde vielmehr im Laufe der Jahre immer wieder ihrer sich wandelnden Bedeutung und Bevölkerungsstruktur angepaßt. Da ähnliche andere Anlagen in diesem Teil des Kontinents – zum Beispiel Danamombe, Khami, Naletale, Domboshava (im nördlichen Botswana), Manikweni (in Mozambique) und Thulamela (im nördlichen Südafrika) – wesentlich kleiner sind, war Groß-Simbabwe vermutlich das wirtschaftliche und politische Zentrum der gesamten Region. Es lag zudem an der kürzesten Route zwischen den Binnenflüssen im Norden, an denen Goldwäscherei betrieben wurde, und dem Indischen Ozean; somit haben seine Herrscher höchstwahrscheinlich den lebhaften mittelalterlichen Goldhandel kontrolliert (Bild 3).

Die Anlage erstreckt sich alles in allem über eine Fläche von 720 Hektar und umfaßt drei Hauptgruppen von Gebäuden: den Hügel-Komplex, die große Einfriedung (Great Enclosure) und die kleineren Tal-Ruinen. Der Hügel-Komplex – von den Europäern in Anlehnung an den Tempelberg des antiken Athen die Akropolis genannt – ist am ältesten. Es gibt Indizien, daß Viehzüchter oder Jäger hier bereits im fünften Jahrhundert ein Lager errichtet haben. Auf der felsigen, 80 Meter hohen Erhebung liegt in günstiger Position eine oval angelegte Befestigung, die längs und quer rund 100 beziehungsweise 45 Meter mißt; von hier aus konnten die Bewohner frühzeitig sehen, wer sich von weitem näherte. Außerdem bot die an manchen Stellen noch heutzutage fast 11 Meter hohe Außenmauer guten Schutz. Innerhalb standen – wie in den anderen Einfriedungen – einst sogenannte daga-Häuser, runde Hütten aus dem in Afrika gängigsten Baumaterial: getrockneter Erde, Lehm und Kies.

Unterhalb des Hügel-Komplexes erstreckt sich das imposanteste Bauwerk der alten Stadt: die große Einfriedung mit elliptischem Grundriß; sie muß errichtet worden sein, als Groß-Simbabwe auf dem Höhepunkt seiner Macht war. Die Menschen, die im 19. Jahrhundert in dieser Region lebten und Karanga sprachen (dieser gängigste Shona-Dialekt ist noch heute im südlichen Landes-Inneren Simbabwes verbreitet), nannten sie Imbahuru, das heißt "das Haus der großen Frau" oder "das große Haus". Die Umfassungsmauer ist knapp 250 Meter lang und ragt an manchen Stellen fast 10 Meter hoch auf; für ihre Errichtung benötigte man schätzungsweise eine Million Steinblöcke (Bild 5). Eine innere Mauer läuft teilweise entlang der äußeren und erzeugt einen engen, rund 55 Meter langen Gang (Bild 2e).

Der Zweck der großen Einfriedung ist unbekannt; man vermutet, sie habe als königlicher Palast gedient. Aufgrund von phallischen Gebilden und Einkerbungen in den Wänden, die vielleicht männliche beziehungsweise weibliche Geschlechtsteile symbolisieren sollen, meinen manche Historiker, die Anlage sei für Initiationsriten oder andere wichtige Zeremonien genutzt worden. Möglicherweise waren hier auch die zahlreichen Frauen des Herrschers untergebracht. Der große konische Turm – über 9 Meter hoch und mit 5,5 Metern Basisdurchmesser – diente anscheinend keinem speziellen Zweck, sondern hatte wohl rein symbolische Bedeutung (Bild 2a).

In der Senke zwischen Hügel-Komplex und großer Einfriedung liegen verteilt die kleineren Tal-Ruinen. Ihre Gemäuer scheinen am jüngsten zu sein. Daraus läßt sich schließen, daß sie erst entstanden, als die Bevölkerung anwuchs und mehr Siedlungsraum brauchte.



Meisterhaftes Mauerwerk



Nicht nur die Größe der Ruinen ist außergewöhnlich, sondern auch die Kunstfertigkeit der Bauweise. Viele Mauern sind aus ebenmäßig gefertigten Quadern errichtet, die von nahegelegenen Granitfelsen stammen. Der Name der Stadt leitet sich vom Shona-Wort dzimbahwe her, das "Häuser aus Stein" bedeutet. Die Granitblöcke wurden ohne Mörtel lagenweise zu freistehenden geschwungenen Mauern gefügt, die oft mehr als doppelt so hoch wie breit sind. Die runden Vorsprünge am Fuß vieler Mauern gleichen Stützen, haben aber keine statische Funktion. Über ihren wahren Zweck – Annäherungshindernis, Sichtschutz oder Zugangskontrolle etwa – läßt sich nur spekulieren.

An bestimmten Stellen ist das Mauerwerk erstaunlich raffiniert gearbeitet: Abgerundete Stufen zieren einige Eingänge, und manche Mauerkronen hat man mit Zickzack-Mustern geschmückt (Bild 2b bis d). Außerdem werden die Mauern in Bodennähe von Löchern zur Entwässerung durchbrochen sowie gelegentlich durch gut einen Meter breite Durchgänge, von denen manche einst nach oben mit hölzernen Querbalken abschlossen.



Eine rätselhafte Kultur


Obwohl wir über die Bewohner dieser seltsamen Stadt kaum etwas wissen, läßt sich einiges aus den älteren Siedlungen erschließen, die um das Jahr 1000 das Zentrum der Shona-Zivilisation gewesen sein dürften. Die größten dieser archäologischen Stätten – sie gehören zur Mapungubwe-Kultur und liegen in der Gegend, wo das Wadi des meist trockenen Shashi in den Limpopo mündet – ähneln Groß-Simbabwe sehr. Der einstige Wohlstand beruhte anscheinend auf Viehzucht sowie dem Handel mit Elfenbein und Gold. Die Mapungubwe-Kultur erstreckte sich offenbar bis in den westlichen Teil des Landes, denn auch dort findet man eine für sie typische Form der nach dem Hauptfundort Leopard's Kopje genannten Keramik. Mit dem Aufstieg von Groß-Simbabwe scheint sich der Schwerpunkt des Handels dorthin verlagert zu haben, wodurch Mapungubwe an Bedeutung verlor und schließlich aufgegeben wurde, als die jüngere Konkurrentin ihre Blüte erlebte.

Zwar brachten die Ausgrabungsfunde in Groß-Simbabwe keinen Aufschluß über die damalige soziokulturelle Organisation, doch dafür heben sie die Stätte von anderen eisenzeitlichen ab (Bild 2f). Vor allem eine Gruppe von Vögeln aus Speckstein – viele davon gut 35 Zentimeter hoch sowie auf ein Meter hohen Säulen hockend dargestellt – gleichen stilistisch keinem anderen Skulpturenfund. Jeder Vogel ist individuell gestaltet, und keiner ähnelt einem lebenden Vorbild aus dieser Region. (Einen davon zeigt das Staatswappen von Simbabwe.) Aufgrund der unter den heutigen Shona üblichen Totenverehrung, bei der manche Stämme Eisenstangen als Sinnbilder ihrer Verstorbenen verwenden, vermuten einige Archäologen, daß die Vogelbildnisse eine Versammlung von Vorfahren symbolisierten und rituellen Zwecken dienten (Bild 4).

Daß sich Groß-Simbabwe um das 14. Jahrhundert herum als Handelsmetropole fest etabliert hatte, bezeugen Waren aus aller Welt: syrisches Glas, blaßgrüne Teller aus China – meist aus der Ming-Dynastie (1368 bis 1644) –, persische Fayence-Schüsseln, Korallen, Bronze-Kelche sowie ein eiserner Löffel (ein Gebrauchsgegenstand, den die Shona selbst nicht benutzten). Blau-weißes chinesisches Porzellan, das dann seit Mitte des 15. Jahrhunderts weit verbreitet war, fehlt jedoch völlig – ein Hinweis, daß die Stadt bis dahin an wirtschaftlicher Bedeutung verlor. Tatsächlich scheint sie schließlich um 1700 weitgehend leergestanden zu haben.

Dafür kommen mehrere Gründe in Frage. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts gab der Sand der Flüsse im Norden kein Gold mehr her, und der Handel mit dem Ededlmetall verlagerte sich nach Westen. Dadurch verlor die Stadt ihre zentrale Lage; sie war kein profitabler Umschlagplatz mehr. Denkbar ist auch, daß die Bevölkerung nicht mehr ernährt werden konnte. Manchen Schätzungen zufolge hatte Groß-Simbabwe in seiner Blütezeit zwischen 10000 und 17000 Einwohner – so viel wie London im Mittelalter. (Andere Schätzungen sind freilich vorsichtiger und sprechen von höchstens 2000.) Vielleicht verödete die Gegend, weil exzessiver Ackerbau betrieben wurde oder riesige Viehherden das Land abweideten. Neueren Umweltuntersuchungen zufolge zwang eine Serie von Dürrekatastrophen die Menschen zur Flucht.

Möglicherweise gab es auch andere Anlässe, etwa Kriege; allerdings fehlt dafür, von wenigen Waffenfunden abgesehen, jeder Hinweis. Um die Frage nach den Ursachen des Niedergangs zu klären, wären weitere archäologische Grabungen in Groß-Simbabwe und an anderen eisenzeitlichen Stätten erforderlich.

Rund zwei Jahrhunderte lang stand die aufgegebene Siedlung leer und wurde allenfalls dann und wann – wie auch heutzutage wieder – für religiöse Zeremonien genutzt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts trafen dann die ersten Europäer ein, angelockt durch die Vision von König Salomons Goldminen. Damit begann leider auch eine derart gründliche Zerstörung der archäologischen Quellen, daß sie heute kaum noch zu entziffern sind.

Plünderungen und koloniale Blindheit


Als erster erreichte der deutsche Forschungsreisende Karl Gottlieb Mauch (1837 bis 1875) im Jahre 1871 die Ruinenstadt. Den Weg zeigte ihm ein Landsmann, Adam Render, der im Stamm eines Karanga-Häuptlings namens Pika lebte. (Render hatte zwei Frauen des Stammes geheiratet und fühlte sich unter den Einheimischen wohl; wäre er sich der Folgen seines Tuns bewußt gewesen, hätte er den Schwaben vermutlich in die Irre geschickt.) Beim Anblick der gewaltigen Ruinen stand für Mauch gleich fest, daß Groß-Simbabwe, ob es nun Ophir war oder nicht, keinesfalls das Werk von Afrikanern sein konnte: Das Mauerwerk erschien ihm dafür viel zu kunstfertig, die Kultur allzu fortgeschritten. Er sah darin das Werk von phönizischen oder israelitischen Siedlern. Von Splittern eines hölzernen Türsturzes fühlte Mauch sich in seinem voreiligen Schluß bestätigt: Sie dufteten wie sein Bleistift, mußten darum Zedernholz sein und aus dem Libanon stammen.

Ihm folgte der Plünderer Willy Posselt; er verschleppte eine Vogel-Skulptur und versteckte weitere, um sie später abzuholen. Nach Posselt kamen mehrere "Besucher"; einige arbeiteten für W.G. Neal von der 1895 gegründeten Ancient Ruins Company (Handelsgesellschaft für antike Ruinen). Der britische Kolonialpolitiker Cecil Rhodes (1853 bis 1902) – Begründer der British South Africa Company, einflußreicher Besitzer südafrikanischer Diamantminen und Käufer des nach ihm benannten Rhodesien – hatte Neal die Vollmacht zur Ausbeutung sämtlicher Ruinen des Landes erteilt. Also plünderten der und seine Bande Groß-Simbabwe und andere eisenzeitliche Stätten; sie rafften Gold und alles andere zusammen, wovon sie sich Gewinn versprachen, rissen Bauwerke nieder und warfen weg, was sie für wertlos erachteten: Keramikscherben, Gefäße, Tonfiguren.

Der erste offizielle Archäologe in Groß-Simbabwe, der Brite James Theodore Bent (1852 bis 1897), hatte 1891 das Durcheinander vermehrt, indem er rund um den kegelförmigen Turm in der großen Einfriedung Grabungen ausführen ließ. Damit zerstörte er die chronologische Schichtenfolge völlig und machte späteren Archäologen jegliche Datierung unmöglich. Zudem warf Bent Ton- und Metall-Artefakte fort, unter anderem persische und arabische Handelsperlen, weil er sie für unbedeutsam hielt. Er kam zu dem Schluß, Groß-Simbabwe sei von einer örtlichen Mischlingsrasse erbaut worden, deren Väter weiße Eroberer aus dem Norden gewesen seien. Denn daß eingeborene Afrikaner die Stadt errichtet hatten, hielt er wie Rhodes und die meisten europäischen Siedler für undenkbar.

In einem 1902 publizierten Bericht gaben Neal und der Journalist Richard N. Hall (1853 bis 1941) noch einmal Bents Schlußfolgerung zum besten, daß die Architektur keinesfalls afrikanisch, sondern phönizisch oder arabisch sei. Diese Haltung war für den Kolonialismus symptomatisch: Der Kontinent galt als geschichtslos und primitiv, seine Eingeborenen als unbeweglich, nicht entwicklungsfähig und kulturell unfruchtbar.

Archäologen, die anderer Meinung waren, stießen auf Ablehnung. Im Jahre 1905 leitete der Brite David Randall-MacIver (1873 bis 1945) – ein Ägyptologe und Schüler des berühmten William Matthew Flinders Petrie (1853 bis 1942) – neue Ausgrabungen in Groß-Simbabwe und entdeckte ganz ähnliche Objekte, wie die in der Nähe lebenden Stämme der Karanga sprechenden Shona sie benutzten. Indem Randall-MacIver sich an die Einheimischen um Auskunft über ihre Kultur wandte, statt sie nur als billige Arbeitskräfte zu nutzen, tat er etwas für dama-lige Begriffe Unerhörtes. Hätten seinerzeit auch andere Forscher die mündlich überlieferte Geschichte der örtlichen Bevölkerung herangezogen, wären vielleicht viele Rätsel um Groß-Simbabwe gelöst worden.

Aus der Kontinuität der Artefakte schloß Randall-MacIver, daß die Siedlung von Menschen einer ähnlichen Kultur erbaut worden war. Außerdem wies er nach, daß die arabischen und persischen Perlen aus dem 14. oder 15. Jahrhundert stammten und somit gewiß nicht aus den biblischen Zeiten König Salomons. Auch konnte der Stil des Mauerwerks – geschwungen und nicht nach geometrischen oder symmetrischen Mustern angeordnet – keinesfalls arabisch sein. Nach all dem mußten – so Randall-MacIver – einheimische Afrikaner Groß-Simbabwe erbaut haben.

Zwei spätere Forscher – J.F. Schofield im Jahre 1926 und Gertrude Caton-Thompson (1888 bis 1985) drei Jahre später – waren derselben Meinung. Die Archäologin stützte sich dabei auf Ausgrabungen an der unversehrten Maund-Ruine, die der großen Einfriedung gegenüber am anderen Ende des Tals liegt; durch detaillierte Zeichnungen und sorgfältige Stratigraphie legte Gertrude Caton-Thompson die Grundlage für das bescheidene Wissen, das wir über Groß-Simbabwe besitzen.

Doch in Rhodesien wollten die meisten europäischen Siedler von derlei Indizien und archäologischen Zeugnissen nichts hören. Von 1965 bis zur Unabhängigkeit 1980 unterwarf die Rhodesische Front alle Informationen über Groß-Simbabwe strikter Zensur; diese vom damaligen Premierminister Ian Smith gegründete Partei suchte die Afrikaner durch rassistische Diskriminierung (Apartheid) an der Machtübernahme zu hindern. Wenn Archäologen wie der angesehene Experte Peter S. Garlake offen für den heimischen Ursprung von Groß-Simbabwe eintraten, wurden sie verhaftet und schließlich deportiert. Afrikaner, die sich dieser Meinung anschlossen, verloren ihren Arbeitsplatz. Sogar die Hinweistafeln an der Fundstätte selbst wurden zensiert; das fiel freilich kaum ins Gewicht, denn sie waren in Englisch verfaßt, und die Einheimischen durften das Gelände nicht für Zeremonien nutzen.

Heute ist die alte Ruinenstadt ein Symbol für Afrikas kulturelle Eigenständigkeit. Populärwissenschaftliche Bücher haben das Monument den Menschen von Simbabwe ein wenig zugänglicher gemacht. Dennoch bleibt es großenteils unnahbar. Vieles von seiner Geschichte entzieht sich aufgrund früherer archäologischer Fehler der Rekonstruktion. Angesichts des gegenwärtigen Zustands der Archäologie im südlichen Afrika besteht wenig Aussicht auf eine Wendung zum Besseren.



Rückgewinnung der Vergangenheit



Die beiden Fachleute, die derzeit für die Stätte zuständig sind, müssen sich nicht nur um die Erhaltung des verfallenden Monuments kümmern, sondern auch um die Betreuung der Besuchergruppen – und obendrein um weitere 5000 Stätten (von insgesamt 35000 in Simbabwe registrierten). Zwar stehen die Ruinen unter dem Schutz der nationalen Museen und Monumente von Simbabwe und sind von der UNESCO zum kulturellen Welterbe erklärt worden (Spektrum der Wissenschaft, November 1995, Seite 38). Dennoch gibt es in ganz Simbabwe nur zwei Konservatoren und nicht einmal zehn Archäologen für sämtliche Stätten des Landes.

In anderen Ländern Schwarzafrikas ist die Lage nicht besser. Laut Pierre de Maret von der Freien Universität Brüssel (Belgien) geben zehn Länder südlich der Sahara jährlich weniger als 150000 Dollar für Archäologie aus, und es gibt dort nur zwanzig ausgebildete Fachleute hierfür. Andererseits werden afrikanische Objekte für Millionen Dollar jährlich im Ausland verkauft.

Zwangsläufig geht kulturelles Erbe verloren, wenn Monumente verfallen und Artefakte aus den Herkunftsländern verschwinden. Die Kultur Afrikas wurde in den Jahrhunderten des Kolonialismus zersplittert und zerrissen; wenn die Verbindung zur Vergangenheit hergestellt und die Bruchstücke zusammengefügt werden sollen, muß die Archäologie künftig einen wichtigeren Platz in der afrikanischen Gesellschaft einnehmen. Groß-Simbabwe ist nicht nur aufgrund seines kunstvollen Mauerwerks so bedeutend, sondern weil es als Symbol für afrikanische Kultur heute wieder denen gehört, deren Vorfahren es erbaut haben. Nun muß es umfassend interpretiert und in den großen Zusammenhang der – noch immer kaum erschlossenen – Geschichte Schwarzafrikas gestellt werden.

Literaturhinweise

– Simbabwe: Goldland der Bibel oder Symbol afrikanischer Freiheit. Von Peter S. Garlake. Lübbe-Verlag. Bergisch-Gladbach, 1975.
– Simbabwe. Entdeckungsreisen in die Vergangenheit. Von Heinrich Pleticha. Thienemann, Stuttgart 1985.
– Simbabwe: A Rhodesian Mystery. Von Roger Summers. Thomas Nelson and Sons, 1963.
– The Shona and Zimbabwe, 900-1850. Von D.N. Beach. Africana, 1980.
– Dzimbahwe: Life and Politics in the Golden Age, 1100-1500 A.D. Von Ken Mufika. Harare Publishing House, 1983.
– Culture and Development in Africa. Herausgegeben von Ismail Serageldin und June Taboroff. International Bank for Reconstruction and Development/World Bank, 1994.
– Uncovering the Past: A History of Archaeology. Von William H. Stiebing jr. Oxford University Press, 1994.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 10 / 1998, Seite 74
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

Kennen Sie schon …

Spektrum - Die Woche – Wo Bäume mehr schaden als nützen

Drei Milliarden neue Bäume in der EU, zehn Milliarden in den USA, 70 Milliarden in China. Doch die ambitionierten Ziele für Aufforstungen könnten lokale Ökosysteme und Tierbestände gefährden. Außerdem in der aktuellen »Woche«: wieso der Hype um ultradünne Halbleitermaterialien berechtigt ist.

Spektrum - Die Woche – Stephen Hawking lag mit Schwarzen Löchern falsch

Aufruhr in der Physik: 60 Jahre lang wurde die Theorie der unendlich großen Schwerkraft im Kern von Schwarzen Löchern allgemein angenommen. Nun sorgt der Mathematiker Roy Kerr für Zweifel. Lag Hawking falsch? Außerdem in der »Woche«: Warum es für manche Menschen unmöglich scheint, »Nein« zu sagen.

Spektrum - Die Woche – Eine Pipeline quer durch die Artenvielfalt

In einigen der artenreichsten Naturräumen Ostafrikas entsteht eine 1445 km lange Öl-Pipeline. Der daran geknüpfte erhoffte Wohlstand ist ungewiss, der gigantische Umweltschaden jedoch ohne Zweifel. Wie es dazu kam, lesen Sie in der aktuellen »Woche«. Außerdem: die Debatte um KI als öffentliches Gut.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.