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Grubenwässer des Erzgebirges - Quellen von Schwermetallen in der Elbe


Die sächsische Mulde gilt als Haupteinträger von Schwermetallen in die Elbe und damit in die Nordsee. Sie entwässert ein Gebiet von ungefähr 7500 Quadratkilometern, darunter die Metall- und Bergbauprovinz des Erzgebirges sowie die stark besiedelten Industrieregionen um Chemnitz, Zwickau und Bitterfeld.

Einer unserer Forschungsschwerpunkte am Institut für Mineralogie der Technischen Universität Bergakademie Freiberg ist die Belastung von Wasser, Schwebstoffen und Sedimenten in Fließgewässern mit Schwermetallen. Für das Einzugsgebiet der Mulde werden unsere Untersuchungen dabei im Rahmen des "Muldeprojektes" vom Bundesministerium für Forschung und Technologie gefördert.

Zum einen erarbeiten wir Prognosen über die Entwicklung der Wasserqualität in diesem Bereich selbst. Von besonderem öffentlichem Interesse ist zum anderen, den derzeitigen Einfluß auf die Elbe zu ermitteln und in die Zukunft zu extrapolieren. Wir kooperieren daher eng mit den Instituten, die am Großforschungsprojekt "Elbe 2000" beteiligt sind, und mit Gruppen, die die benachbarten Flußsysteme mit ähnlichen Zielen untersuchen (siehe den vorangehenden Beitrag).

Bei der Auswertung und Interpretation unserer Meßergebnisse suchen wir vor allem die Stoffströme zu bilanzieren. Für die Belastung der Gewässer mit Metallen ist im Untersuchungsgebiet außer den aus anderen urbanen Regionen bekannten Faktoren die frühere und bis in die jüngste Zeit betriebene Ausbeutung von Erzen und mineralischen Rohstoffen äußerst bedeutsam.

Anders als die landschaftsverändernden Hinterlassenschaften des Bergbaus wie Berge- und Abraumhalden sowie Absetzbecken fallen die Grubenwässer, welche aus den gefluteten untertägigen Hohlräumen austreten, weniger auf. Doch auch sie emittieren jahrzehntelang umweltbeeinträchtigende Elemente und Schadstoffe: Gase (Radon), Säuren und eben Schwermetalle.

Im Flußsystem der Mulde (Bild 1), dem Hauptentwässerungssystem des Erzgebirges nach Norden, wurde seit dem 12. Jahrhundert bis in die Gegenwart mit wechselnder Intensität Bergbau auf unterschiedliche Lagerstättentypen betrieben. Innerhalb der einzelnen Reviere änderte sich dabei wiederholt das Zielmetall, zum Beispiel in der Reihenfolge Silber – Cobalt – Uran, wobei jeweils alle anderen Komponenten als Berge auf die Halden gelangten.

Nach Einstellung des Bergbaus bleiben Grubenhohlräume von unterschiedlichen Ausmaßen (oft Millionen von Kubikmetern) zurück, die nach Abstellen der Pumpen mit Grundwasser vollaufen. In dieser Flutungsphase, die mehrere Jahre dauern kann, wirken die Gruben wie Schluckbrunnen, so daß Grubenwasser nur in geringem Umfang austritt. Ein solcher Zustand ist seit etwa 1990 in allen Bergwerken des Erzgebirges, des Vogtlands, Thüringens und des Harzes eingetreten, die heute stillgelegt sind, nachdem zu DDR-Zeiten noch Zinn-, Schwefel- und Uranerze sowie Fluß- und Schwerspat abgebaut worden waren. Daß sich hier in den letzten Jahren der Schwermetallgehalt in den Oberflächenwässern verringert hat, dürfte zum Teil mit diesem Effekt zusammenhängen.


Mineralisation – Verwitterung – Grubenwasser

Der Chemismus der Grubenwässer kann in weiten Grenzen schwanken und hängt vor allem vom Erzinhalt, von der Gangart (den Begleitmineralen) und vom Charakter des Nebengesteins ab (Bild 2). Erze verwittern in Oberflächennähe wie die Gesteine durch Luftoxidation, wobei diese Zone entlang von tektonischen Brüchen auch unter natürlichen Verhältnissen teils bis mehr als 2000 Meter tief hinabreichen kann. Unter den Bedingungen des Bergbaus dehnt sich dieser sogenannte eiserne Hut der Lagerstätte durch Absenken des Grundwasserspiegels seitlich wie auch vertikal wesentlich aus.

Besonders schnell und intensiv verwittern Sulfide und Arsenide – oft unter Bildung von Schwefel- und Arsensäure, die wiederum im Verein mit Mikroorganismen den Verwitterungsprozeß weiter beschleunigen. Dabei werden von den vielen Metallen vor allem migrationsfreudige Elemente wie Kupfer, Zink, Cadmium und Quecksilber in Form wasserlöslicher Verbindungen mit dem Grubenwasser ausgetragen.

Ein anderer Teil, zu dem insbesondere Eisen, Wismut, Wolfram und Zinn gehören, verbleibt dagegen in sulfatischer, arsenatischer oder oxidischer Form; er bildet Krusten und Imprägnationen im und auf dem Gestein.

Allerdings ändern sich die Werte für Säuregrad und Redoxpotential im Grubenwasserlauf. Daraus ergeben sich für die einzelnen Elemente wechselnde Transportkapazitäten. Teils werden sie erst beim Austritt an die Erdoberfläche als Ocker und Sinter ausgefällt.

Daß Verwitterungslösungen wegen ihres speziellen Chemismus, der selbst deutlich von dem vulkanischer Quellen abweicht, schließlich auch die Zusammensetzung der Oberflächengewässer stark beeinflussen, in die sie abfließen (die sogenannten Vorfluter), wurde und wird im übrigen weltweit bei der hydrogeochemischen Prospektion auf Erzlagerstätten genutzt; dabei sucht man nach Quellen, die durch Auslaugungen unbekannter, bergmännisch nicht erschlossener Mineralisationen verunreinigt sind. Ihr Wasser ist dadurch oft nicht oder nur eingeschränkt trinkbar, was in Namen wie Teufels- oder Hexenquelle zum Ausdruck kommt.


Die Flutung der Gruben

Grubenwässer bilden sich aus verti-kal versickernden Niederschlägen und horizontal einströmendem Grundwasser, dessen Spiegel mit dem Fortschreiten des Bergbaus in die Tiefe durch Abpumpen künstlich abgesenkt wird.

Das Freiberger Revier hat bei einer Teufe von etwa 800 Metern Auffahrungen (Schächten oder Stollen) von rund 5 Millionen Kubikmetern. Nach Einstellung des Bergbaus im Jahre 1969 erreichte die Flutung hier 1971 das Niveau des Rothschönberger Stollens in 240 Meter Tiefe, über den die Hauptmenge des Grubenwassers in die Triebisch abfließt. In sie ergoß sich in den ersten Jahren nach dem Überlaufen der Gruben ein extremer Schub an Metallausträgen; seither nähern sie sich, asymptotisch abfallend, einem relativ hohen Gleichgewichtsniveau, das noch über Jahrzehnte nahezu konstant bleiben wird. So hat sich der Gehalt an Zink seit 1971 von rund 100 auf ungefähr 6 Milligramm pro Liter verringert (Flußwasser enthält 0,03 Milligramm pro Liter).

Immerhin finden wie bei Oberflächenwässern auch in Grubenwässern Selbstreinigungsprozesse statt, die manchmal so wirksam sein können, daß Trinkwasserqualität erreicht wird. Insbesondere fallen die in dem sauren Milieu zunächst gelösten Eisen- und Manganverbindungen bei weiterem Sauerstoffzutritt und sinkendem Säuregrad (oft durch Verdünnen mit Oberflächenwasser) aus und reißen dabei eine große Zahl anderer Metalle in erheblichen Konzentrationen mit (Bild 3). Daß Eisen- und Manganniederschläge, -krusten und -sinter bedeutende Fallen für umweltrelevante Elemente sind und gleichsam als geochemische Barrieren wirken, kann und sollte man für Sanierungstechnologien ausnutzen.

Zu beachten ist ferner, daß im Verlauf einer Flutung gewöhnlich auch Quellen reaktiviert werden, die durch den Bergbau abgegraben worden waren. Sie können in schwer oder gar nicht kontrollierbarer Weise Schwermetalle in die Oberflächengewässer entlassen.


Die heutige Belastungssituation

Bei den meisten Gruben des westlichen und mittleren Erzgebirges liegt die Flutung etwa 40 Jahre zurück. Hier ist die Belastungsspitze also längst überwunden; allerdings werden an Schwermetallen noch besonders Arsen und Uran in größeren Mengen abgegeben. Beim Uranbergwerk Schlema-Hartenstein sowie der Zinngrube Ehrenfriedersdorf wird die Flutung dagegen erst in einigen Jahren abgeschlossen sein; dann könnten stark belastete Grubenwässer in großem Umfang in die örtlichen Bäche und Flüsse gelangen. Für beide Gruben laufen Sanierungsmaßnahmen, die Arbeiten zur Dekontamination dieser Wässer einschließen.

Die Grubenwässer des Erzgebirges gelangen heute zum größten Teil direkt oder über Nebenflüsse in die Zwickauer oder Freiberger Mulde und damit bei Dessau in die Elbe; ein kleinerer Teil fließt über die Triebisch schon vorher in den Strom. Als Ergebnis mehrjähriger Untersuchungen durch Mitarbeiter unseres Institutes lassen sich nun erstmals die Gesamteinträge an Schwermetallen durch Stollenwässer in die Vorfluter genauer abschätzen (Bild 4). Dabei wurden sowohl die gelösten als auch die an Schwebstoffe gebundenen Anteile berücksichtigt. Wie sich zeigt, tragen Grubenwässer wesentlich zur gelösten und in Schwebstoffen enthaltenen Schwermetallfracht der unmittelbaren Vorfluter bei. Es sei allerdings betont, daß die Hauptmenge der Schwermetalle bis zur Elbe und in der Elbe selbst überwiegend im sedimentierten Schlamm gebunden ist und lediglich bei Hochwasser verfrachtet wird.

Wie erwähnt, laufen bei den Bergwerken Schlema-Hartenstein und Ehrenfriedersdorf bereits Arbeiten zur Dekontaminierung der nach Ende der Flutung zu erwartenden Grubenwässer. Zur Verbesserung der Wasserqualität von Mulde und Elbe sollten allerdings auch die Freiberger Grubenwässer gereinigt werden. Die Möglichkeiten dazu sind vorhanden; geeignet scheinen insbesondere Verfahren zur alkalischen Fällung der Schwermetalle.


Nutzung von Grubenwässern

Grubenwässer sind freilich nicht nur als eine Belastung der Umwelt anzusehen, sondern werden seit Jahrhunderten auch vielfach genutzt. In alter Zeit dienten sie zum Antrieb von Wasserrädern. Eine modernere Variante dazu bildete das erste Kavernenkraftwerk zur Stromerzeugung bei Freiberg, das mit Unterbrechungen von 1915 bis 1972 in Betrieb war.

In den letzten Jahren fand eine andere energetische Nutzung dieser Wässer Interesse: Mit Wärmepumpen kann man ihnen Energie zu Heizzwecken entnehmen. Eine solche Anlage dient im Sächsischen Lehr- und Besucherbergwerk "Himmelfahrt Fundgrube" seit Jahren zur Warmwasserbereitung.

Bei der Zinngrube Ehrenfriedersdorf laufen derzeit Arbeiten zur Beheizung von Wohnungen. Zudem werden im grundwasserarmen Erzgebirge Stollenwässer wegen ihrer geringen Härte und Nitratarmut – zum Teil nach Aufbereitung – oft zur lokalen Trinkwasserversorgung verwendet. Außerdem stellen die gefluteten Grubenbaue gleichsam als unterirdische Talsperren ein riesiges Brauchwasserreservoir dar.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 5 / 1994, Seite 102
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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