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Weltraumrecht: Haftpflicht im All

Immer mehr private Unternehmen beteiligen sich an der Nutzung des erdnahen Weltraums. Dies stellt neue Anforderungen an die rechtlichen Rahmenbedingungen.


Grundlagen und Form vieler Aktivitäten im Weltraum haben sich in den letzten zehn Jahren stark gewandelt. So sind im Bereich der Satellitenkommunikation zahlreiche neue Privatunternehmen entstanden, wenngleich sich die herausragenden wirtschaftlichen Erwartungen, die in den 1990er Jahren in diesen Sektor gesetzt wurden, nicht erfüllt haben. Zudem wurden drei der fünf zwischenstaatlichen Organisationen für die internationale und regionale Satellitenkommunikation (Intelsat, Inmarsat und Eutelsat) privatisiert. Raketenstarts und Transporte von Satelliten ins All werden von Privatunternehmen ebenso angeboten wie Bilder von der Erde, deren hohe Auflösung bis vor kurzem militärischen Anwendungen vorbehalten war. Zugleich nimmt zwischen öffentlichen Forschungs- und Infrastruktureinrichtungen und privaten Satellitenunternehmen der Wettbewerb um Orbitalpositionen und Sendefrequenzen zu.

Da der Beginn der Raumfahrt ausschließlich durch staatliche Aktivitäten geprägt war, wurden diese im Wesentlichen durch völkerrechtliche Verträge geregelt. Die hierbei entstandenen Übereinkommen gewährleisten auf zwischenstaatlicher Ebene die freie Nutzung des Weltraums auf der Basis gegenseitiger Rücksichtnahme. Sie setzen gewisse Grenzen – beispielsweise dürfen keine Massenvernichtungswaffen im Weltraum stationiert werden – und enthalten Regeln für die Haftung von Staaten bei Unfällen und Schäden. Um aber auch Privatunternehmen Klarheit und Sicherheit über ihre jeweiligen Rechte und Pflichten bei den verschiedenartigen Nutzungen des Weltraums zu bieten, sind weitere Rahmenbedingungen erforderlich, welche die privaten Weltraumaktivitäten stärker berücksichtigen.

Rechte und Pflichten privater Akteure

Gemäß dem Weltraumvertrag von 1967 steht es allen Staaten "frei, den Weltraum einschließlich des Mondes und anderer Himmelskörper ohne jegliche Diskriminierung, gleichberechtigt und im Einklang mit dem Völkerrecht zu erforschen und zu nutzen". Dabei sind Privatpersonen oder -unternehmen nicht ausgeschlossen, sondern ausdrücklich zugelassen. Allerdings tragen die Staaten die Verantwortung für "ihre" privaten Akteure. Besonders bedeutsam ist, dass private Unternehmer einer Genehmigung durch den zuständigen Staat beziehungsweise seiner Behörden bedürfen, bevor sie solche Aktivitäten aufnehmen können. Auch zur Aufsicht über private Aktivitäten sind die jeweiligen Staaten verpflichtet.

Wenngleich bestimmte Rechte und Pflichten privater Unternehmen – zum Beispiel bei Nutzung einer staatlichen Startanlage – auch durch vertragliche Vereinbarungen abgedeckt werden können, gehen mehr und mehr Staaten dazu über, ausführliche gesetzliche Bestimmungen für private Weltraumaktivitäten in Form von nationalen Gesetzen zu erlassen. Diese konkretisieren die völkerrechtliche Genehmigungspflicht und bestimmen die Voraussetzungen für die Genehmigung beziehungsweise Lizenzierung privater Weltraumaktivitäten. Sie umfassen zum Beispiel Regelungen zu Haftpflichtversicherung und zu technischen und persönlichen Voraussetzungen für die Durchführung solcher Aktivitäten. Derzeit bestehen solche besonderen Gesetze in Australien, Brasilien, Großbritannien, Hongkong (China), Russland, Norwegen, Schweden, Südafrika sowie in der Ukraine und in den USA. Auch für Deutschland werden ausführlichere Regelungen immer notwendiger.

Insbesondere jedoch diejenigen Staaten, die über Raketenstartanlagen verfügen, sichern sich durch eine solche Gesetzgebung auch haftungsrechtlich ab: Für Schäden muss nämlich nach dem Völkerrecht derjenige Staat aufkommen, von dessen Territorium oder Anlagen ein Fahrzeug oder Gegenstand ins All gestartet wird oder von dem anderweitig der Start eines Gegenstandes in den Weltraum ausgeht. Sind mehrere Staaten beteiligt, so ermöglicht das völkerrechtliche Prinzip des Opferschutzes, sie alle wegen Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Bestehende nationale Weltraumgesetze sehen daher für den Haftungsfall auch eine Mitversicherung des Staates durch eine Haftpflichtversicherung beziehungsweise Regressansprüche des Staates gegen eventuelle private Verursacher vor.

Da alle Raumfahrzeuge auf Funkverbindungen angewiesen sind und Satelliten zudem je nach Aufgabe bestimmte Umlaufbahnen einnehmen müssen, kommt der Zuteilung von Sendefrequenzen und Orbitalpositionen besondere Bedeutung zu. Für Telekommunikationssatelliten ist noch immer eine Position in der geostationären Umlaufbahn besonders begehrt: In einer Höhe von rund 36000 Kilometern über dem Äquator umkreisen sie die Erde synchron zu deren Drehung, wodurch ein immer gleicher und zudem weiträumiger Bereich der Erdoberfläche bedient werden kann.

Frequenzen für Papier-Satelliten

Die technische Koordination der Funkfrequenzen erfolgt durch die Internationale Fernmeldeunion (International Telecommunication Union, ITU). Diese Sonderorganisation der Vereinten Nationen mit Sitz in Genf weist zunächst bestimmten Nutzungsarten spezifische Frequenzbereiche zu. Die eigentliche Zuteilung einer Frequenznutzung an einzelne Unternehmen erfolgt jedoch durch die Staaten selbst: Sie melden die konkrete Nutzung bei der ITU an und vergeben Lizenzen an die Betreiber. Grundsätzlich wird die internationale Koordination einzelner Nutzungen nach dem Prinzip "wer zuerst kommt, mahlt zuerst" vorgenommen. Dieses Verfahren führt allerdings dazu, dass Zuweisungen auch für Satelliten beantragt werden, die bis dahin lediglich auf dem Papier stehen (so genannte paper satellites). Deswegen ist die ITU inzwischen dazu übergegangen, die Anmeldeverfahren mit Gebühren zu belegen. Außerdem wurde die Frist verkürzt, bis zu der ein Satellit tatsächlich im All positioniert sein muss; ansonsten verfällt die Nutzungsberechtigung.

Wegen des unausweichlichen Verteilungskampfes wird immer wieder geltend gemacht, die Weltraumwissenschaft und Dienste der öffentlichen Versorgung sollten bei der Frequenzzuweisung besonders privilegiert werden – bisher jedoch ohne Erfolg. Für die besonders begehrten Plätze in der geostationären Umlaufbahn besteht allerdings ein besonderes Planungsverfahren für Direkt-rundfunksatelliten und für Kommunikationsdienste an feste Bodenstationen. Dieses soll sicherstellen, dass allen Staaten die Nutzung des Weltraums in diesen Bereichen gewährt werden kann.

Das von der ITU angewandte Koordinationsverfahren ist darauf angelegt, dass der Anmeldestaat die Frequenzen auch selbst nutzt. Das Verfahren zeigt Schwächen, wenn – wie im Fall des Inselstaates Tonga geschehen – die angemeldeten Frequenzen und Positionen kurzerhand an Betreiber aus anderen Staaaten verkauft werden. Kritisch zu bewerten sind auch die Versuche von Privatunternehmen, sich die Nutzung bestimmter Umlaufbahnen patentieren zu lassen. Entsprechende Patente konnten zwar in den USA erreicht werden, stießen jedoch in anderen Staaten auf heftigen Widerspruch. Denn andere Betreiber hätten dann unter Umständen keinen freien Zugang mehr zu bestimmten Orbitalbereichen.

Besonderheiten bei Satellitenbildern

Aus dem Weltraum gewonnene Bilddaten werden inzwischen für die unterschiedlichsten kommerziellen Zwecke verwendet: für die Landwirtschaft ebenso wie für das Katastrophenmanagement, die Überwachung zur Einhaltung von Umweltbestimmungen und anderen Vorschriften sowie für das Versicherungswesen und in den Medien. Satellitenaufnahmen, auf denen sich Einzelheiten von weniger als einem Meter Größe erkennen lassen, waren lange Zeit den wenigen Staaten vorbehalten, die über entsprechende militärische Aufklärungstechnologie verfügten. Wegen des kommerziellen und zivilen Bedarfs bieten mittlerweile auch Privatunternehmen derart hoch aufgelöste Aufnahmen an. Die meisten privaten Betreiber solcher Fernerkundungssatelliten sind in den USA zugelassen. Wegen der sicherheitspolitischen Brisanz des Bildmaterials stehen sie unter ständiger staatlicher Kontrolle. Es kann deshalb durchaus vorkommen, dass die Aufnahme bestimmter Bilder oder ihre Weitergabe untersagt wird. Ein ähnliches Verfahren führte auch Indien ein, das damit ebenfalls sicherstellen will, dass sensibles Bildmaterial nicht weitergegeben wird. Während des Afghanistankrieges verwendete die US-Regierung allerdings zivilrechtliche Mittel, um die Weitergabe von Aufnahmen des Ikonos-Satelliten der Firma Space Imaging an Dritte zu verhindern: Die Rechte an den Aufnahmen über Afghanistan wurden vollständig aufgekauft; nach den vertraglichen Vereinbarungen war eine Weitergabe an andere Kunden nur mit gesonderter Genehmigung der US-Regierung möglich.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 11 / 2003, Seite 83
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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