Direkt zum Inhalt

Handlungsempfehlungen für den Klimaschutz

Die Enquete-Kommission "Schutz der Erdatmosphäre“ des Deutschen Bundestages präsentierte im August 1994 ihren dritten Bericht "Schutz der Grünen Erde“. Er stellt die Zusammenhänge zwischen Klimawandel, Landwirtschaft und Wäldern dar und rät zu Gegenmaßnahmen.

In ihrem Bericht analysiert die Kommission die Ursachen der Spurengas-Emissionen aus der Landwirtschaft und deren Beitrag zum zusätzlichen Treibhauseffekt. Des weiteren stellt sie die Ursachen und das Ausmaß der weltweiten Waldvernichtung und -degradation dar und schätzt die daraus zu befürchtenden Folgen für das Weltklima ab. Demnach tragen die Emissionen klimarelevanter Spurengase aus der globalen Landwirtschaft und der Brandrodung der Tropenwälder jeweils zu etwa 15 Prozent zum anthropogenen Treibhauseffekt bei. Der größte Anteil entfällt mit 50 Prozent auf die Verbrennung fossiler Energieträger in Industrie, Haushalten und Verkehr; die Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKWs) aus der chemischen Industrie haben einen Anteil von etwa 20 Prozent an der globalen Klimabelastung.


Beitrag der Landwirtschaft

Zu den verschiedenen Umweltbelastungen, die als Folge hoher Produktionsintensität, Spezialisierung und Konzentration insbesondere in der mitteleuropäischen Landwirtschaft entstehen, gehören zunehmend klimaschädliche Spurengase. Verantwortlich hierfür sind jedoch weniger die Landwirte selbst als vielmehr die Rahmenbedingungen der seit Jahrzehnten fehlgeleiteten nationalen und europäischen Agrarpolitik, die mit ihren stetigen finanziellen Anreizen zu den heutigen unerwünschten Marktüberschüssen beigetragen hat.

In Deutschland entspricht der Anteil der Landwirtschaft an der nationalen Klimabelastung dem globalen Mittel von etwa 15 Prozent. Von den durch menschliche Aktivitäten verursachten Methan- und Distickstoffoxid-Emissionen stammt etwa ein Drittel aus dem Agrarsektor. Methan (CH4) wird insbesondere bei der Rinderhaltung (Verdauung der Wiederkäuer) und bei der Lagerung der tierischen Exkremente freigesetzt. Besonders hoch sind die Emissionen aus der intensiven Massentierhaltung mit Gülle-Entmistungssystemen. Distickstoffoxid (N2O) – auch Lachgas genannt – stammt vorwiegend aus der überhöhten Düngung mit mineralischem oder organischem Stickstoff, denn häufig bringen die Bauern ein Mehrfaches dessen, was die Pflanzen verwerten können oder den Böden bei der Ernte entzogen wird, auf die Äcker. Die Stickstoffüberschüsse gelangen dann als Nitrat in Grund- und Oberflächengewässer oder entweichen gasförmig zum Beispiel als Distickstoffoxid oder auch Ammoniak (NH3) in die Atmosphäre. Mit der Höhe der Stickstoffüberschüsse in den Böden steigt die Freisetzung solcher Spurengase überproportional an. Die Ammoniak-Emissionen stammen fast ausschließlich aus der Güllewirtschaft. Ammoniak trägt in erheblichem Umfang zur Überdüngung und Versauerung natürlicher Ökosysteme und zum Waldsterben bei. Des weiteren ist die intensive Landwirtschaft durch den Energieverbrauch vor allem bei der Herstellung von Mineraldüngern und Bioziden, dem Einsatz der Maschinen und dem Import beziehungsweise Transport von Futtermitteln an den Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) beteiligt.

In vielen Entwicklungsländern hingegen überfordern die Armut der ländlichen Bevölkerung, die ungleiche Landverteilung (Großgrundbesitz), der Anbau von Nahrungs- und Futtermitteln ("cash crops") für den Export in die Industriestaaten, die zunehmende Verschuldung der Dritten Welt und der Verfall der Agrarpreise auf dem Weltmarkt sowie das anhaltende Bevölkerungswachstum die bisherigen Bewirtschaftungspraktiken (Wanderfeldbau) und lassen die Brandrodungsaktivitäten in den Tropenwäldern deutlich zunehmen. Beides trägt durch die Bodenerosion und -degradation erheblich zur weiteren Ausbreitung von Wüsten bei.


Beitrag der Waldvernichtung

Zahlreiche Länder in der Äquatorialregion suchen durch Brandrodung ihrer Tropenwälder neue landwirtschaftliche Anbauflächen zu gewinnen; die dabei freiwerdenden Spurengase tragen ebenfalls weltweit mit 15 Prozent zum anthropogenen Treibhauseffekt bei. Zudem beeinträchtigten die fortschreitende Entwaldung in hohen nördlichen Breiten wie etwa in Sibirien und Kanada sowie die erhebliche Zunahme der Waldschäden in den gemäßigten Breiten die Wälder in ihrer für das Weltklima so bedeutsamen Rolle als Kohlenstoffspeicher.

In weiten Teilen der gemäßigten Breiten haben die seit Jahrzehnten anhaltend hohen Schadstoffeinträge aus Industrie, Haushalten, Verkehr und Landwirtschaft die Waldökosysteme erheblich geschädigt. Etwa zwei Drittel der Wälder in Deutschland und Europa sind erkrankt und weisen zunehmende Blatt- und Nadelverluste auf. Kranke und absterbende Wälder setzen Kohlenstoff frei, statt ihn in ihre Biomasse einzubinden. Sie werden damit zu einer neuen TreibhausgasQuelle. Bereits heute haben Wälder einen bedeutenden Anteil an der Emission von Distickstoffoxid, das aus den stickstoffübersättigten und versauerten Waldböden frei wird.

Die Wälder der höheren nördlichen Breiten sind vor allem durch den zunehmenden und häufig ineffizienten Holzeinschlag gefährdet. Die Ausweitung der Kahlschläge und der Einsatz schwerer Maschinen haben Bodenverdichtungen, Versumpfungen und Veränderungen des Geländeklimas zur Folge, was eine Wiederbewaldung oftmals verhindert. Des weiteren haben auch dort die – vor allem auf menschliches Fehlverhalten zurückzuführenden – Waldbrände deutlich zugenommen. Die entwaldeten Flächen in der borealen Zone haben sich seit den sechziger Jahren von etwa 25 Millionen auf 150 Millionen Hektar vergrößert. Ein großer Teil davon dürfte langfristig baumlos bleiben – vor allem in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, wo zudem extreme Schadstoffbelastungen im Umfeld industrieller Komplexe Waldschäden in unvorstellbarem Ausmaß hervorgerufen haben.


Folgen der Klimaänderung

Infolge der – ohne energische und weltweite Gegenmaßnahmen – im nächsten Jahrhundert zu erwartenden Erwärmung um etwa 0,3 Grad Celsius pro Jahrzehnt im globalen Mittel werden sich die Vegetationszonen polwärts verschieben. Die regionale Intensität und Verteilung der Niederschläge und anderer klimatischer Faktoren wird sich teilweise stark verändern. Damit einhergehend läßt sich eine Zunahme extremer Wetterereignisse wie Dürren, Stürme und Flutkatastrophen vorhersagen.

Kein anderer Wirtschaftszweig wird von diesen Folgen so direkt betroffen sein wie die Land- und Forstwirtschaft – Erosion, Versalzung und Desertifikation der landwirtschaftlichen Nutzflächen werden beschleunigt und überfordern die Anpassungsfähigkeit der Wälder und anderer natürlicher Ökosysteme. Zahlreiche Wissenschaftler prognostizieren zum Teil erhebliche Ernteverluste und irreversible Schäden für die Biosphäre und somit für die Menschheit. Wenngleich ein Viertel der Weltbevölkerung in den Industrieländern für drei Viertel des Ressourcenverbrauchs, der Umweltbelastungen und den Klimawandel verantwortlich ist, werden deren gravierendste Auswirkungen für die jetzt schon unterversorgten Entwicklungsländer vorhergesagt. Die Klimaänderung gefährdet deshalb zunehmend – noch verstärkt durch das Bevölkerungswachstum – die Ernährung der Weltbevölkerung.


Handlungsempfehlungen

Die Enquete-Kommission hält es für unbedingt erforderlich, die Klimaänderung durch weltweite Anstrengungen wirkungsvoll einzudämmen – vor allem durch Verringern der Treibhausgas-Emissionen aus dem Energie- und Verkehrsbereich, aber auch aus der Landwirtschaft und der Waldvernichtung.

Das Land müsse künftig nachhaltig, also ressourcenschonend, standortgerecht und damit zugleich klima- und umweltschonend, bewirtschaftet werden. Zitat: "Aus betriebs- und volkswirtschaftlicher Sicht sowie aufgrund ökologischer und klimapolitischer Notwendigkeiten ist eine grundlegende Neuorientierung der nationalen und europäischen Agrarpolitik ... unumgänglich". Dazu empfiehlt die Enquete-Kommission unter anderem:

- die erhebliche Ausweitung der Förderung umweltgerechter Formen der Landbewirtschaftung (der ökologische Landbau kommt dem Ziel einer nachhaltigen und umweltverträglichen Landwirtschaft am nächsten und sollte daher vorrangig gefördert werden);

- die Rückführung der Überschußproduktion durch eine flächendeckend umweltverträgliche und extensive Bewirtschaftung;

- die Internalisierung der externen Kosten der umweltbelastenden Überschußproduktion durch eine Abgabe oder Steuer zum Beispiel auf Mineralstickstoff und Gülleüberschüsse, die Verteuerung von Bioziden und anderer Mittel sowie die Streichung aller Subventionen für die nicht umweltverträglich arbeitende Landwirtschaft;

- die Kopplung des Einkommensausgleichs innerhalb der EG-Agrarreform an regional ausdifferenzierte Kriterien der Umweltverträglichkeit;

- die Honorierung der ökologischen und landschaftspflegerischen Leistungen der Landwirtschaft durch staatliche Transferzahlungen;

- die Streichung der Landwirtschaftsklauseln im Naturschutzgesetz;

- das Verringern der Viehbestände durch Bindung der Tierhaltung an die landwirtschaftliche Nutzfläche (maximal 1,5 Großvieheinheiten je Hektar);

- die Verringerung des Futtermittelzukaufs und -imports;

- die Begrenzung der Stickstoffdüngung über die Festsetzung von Höchstmengen bei Wirtschaftsdüngern sowie Abgaben/Steuern auf Mineraldünger;

- die Durchsetzung verbindlicher Auflagen für Bodenschutzmaßnahmen;

- die Senkung des Energieverbrauchs in der Landwirtschaft;

- die Förderung der energetischen Nutzung organischer Rest- und Abfallstoffe aus der Land- und Forstwirtschaft sowie

- die Förderung nachwachsender Rohstoffe, jedoch nur unter Berücksichtigung von Öko- und Klimabilanzen.

Wie der Bericht betont, ist die "konsequente Umsetzung der Empfehlungen aus volks- und landwirtschaftlicher Sicht sowie nach derzeitigem Stand des Wissens und der Technik durch eine Verringerung der bisherigen Agrarüberschüsse und die Umverteilung der bisherigen Agrarmarktausgaben ohne Einkommensverluste der Landwirte möglich. Die Maßnahmen führen – neben weiteren Umweltentlastungen – mindestens zu einer Halbierung aller Treibhausgas-Emissionen aus dem Bereich der nationalen und europäischen Landwirtschaft".

Die Ernährung einer zunehmenden Weltbevölkerung in den unterversorgten Regionen der Welt erfordert eine standortgerechte und umweltverträgliche Produktionssteigerung in der dortigen Landwirtschaft. Gleichzeitig müßten aber erhebliche Anstrengungen zur Reduzierung des Bevölkerungswachstums unternommen und verschiedene regionale beziehungsweise globale Rahmenbedingungen der Landwirtschaft, des Welthandels und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit verbessert werden.


Maßnahmen zum Schutz der Wälder

Die Waldvernichtung und -degradation ist nicht nur ein Problem der Tropen, sondern findet weltweit statt. Um die Wälder und ihre vielfältigen Funktionen – vor allem für den Schutz des globalen Klimas – auch für künftige Generationen zu erhalten, empfiehlt die Kommission:

- die Verabschiedung einer verbindlichen internationalen Konvention zum Schutz der Wälder in allen Klimazonen;

- die Entwicklung und Umsetzung nachhaltiger Bewirtschaftungsmethoden in allen Klimazonen;

- die Ausweitung von Neuaufforstungen und

- die sparsame und effiziente Verwendung von Holz zur Herstellung umweltverträglicher, möglichst langlebiger Produkte sowie zur Energieerzeugung.

Die Kommission sucht sich mit ihrem Bericht für die weltweite Gestaltung und Durchsetzung dauerhaft tragfähiger und somit umwelt- und klimaverträglicher Formen der Land- und Waldbewirtschaftung und für den Erhalt der noch verbliebenen Wälder einzusetzen. Die "Grüne Erde" sei die Lebensgrundlage der Menschheit und müsse deshalb für künftige Generationen erhalten werden.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 7 / 1995, Seite 114
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

Kennen Sie schon …

Spektrum - Die Woche – Die Intelligenz des Lebens

Können Pflanzen, Pilze und Zellen denken? Die Diskussion um »minimal intelligence« fordert uns heraus, das Verständnis von Kognition zu überdenken und unsere Ansätze in vielen Lebensbereichen zu verändern. Lesen Sie mehr zu diesem Thema in der aktuellen Ausgabe »Spektrum - Die Woche«.

Spektrum der Wissenschaft – Klimakrise

Starkregen, Hitzewellen, Wirbelstürme – an Extremwetterereignissen wird die drohende Klimakatastrophe für jeden sichtbar. Die Schuldigen hierfür sind schnell ausgemacht: wir alle. Mit Hilfe der Attributionsforschung lässt sich inzwischen statistisch sehr präzise berechnen, inwieweit ein einzelnes Ereignis dem menschengemachten Klimawandel zuzuordnen ist. »Klimakrise« erklärt, welche Phänomene zum Extremwetter beitragen, was zum Klimaschutz unternommen wird und welche Technologien hierzu eingesetzt werden können. So ist der Wasserverlust in Deutschland nicht nur eine Folge klimatischer Einflüsse, sondern auch des schlechten Wassermanagements. Erfolgreiche Projekte zeigen, wie ein besserer Umgang mit Wasser funktionieren kann. Um die Klimaziele zu erreichen, wagt die Bundesregierung einen neuen Anlauf zum Endlager für Kohlenstoffdioxid.

Spektrum - Die Woche – »Für die Energiewende brauchen wir mehr heimische Rohstoffe«

Die Energiewende stellt die deutsche Industrie vor Herausforderungen. Kritische Rohstoffe stammen überwiegend aus dem Ausland. Im Interview erklärt Industrieexpertin Anne Lauenroth Ansätze zur Verringerung dieser risikoreichen Abhängigkeiten. Außerdem in dieser »Woche«: Solidarität in Krisenzeiten

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.