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Editorial: Heimliches Verschwinden

Redaktionsleiter Dr. Hartwig Hanser

Jetzt geht es wieder los im Garten: Überall sprießt und grünt es, die Vögel zwitschern um die Wette, dazu im Hintergrund das stete Summen und Brummen der zahllosen Insekten. Besonders faszinieren meine Familie und mich dabei die großen, dunklen Holzbienen mit ihrem charakteristischen sonoren Sound. Später im Sommer ziehen dann die Schmetterlinge ihre Show ab, die sich gern um den Sommerflieder tummeln.

Umso größer war meine Überraschung, als im Herbst 2017 die Ergebnisse der Krefelder Insektenstudie bekannt wurden. Offenbar geht es den kleinen Sechsbeinern nämlich ziemlich schlecht. Nicht nur die Artenzahl, vor allem auch schlicht die Biomasse, also die Anzahl an Individuen, hat in den letzten Jahrzehnten dramatisch abgenommen, in Extremfällen um bis zu 80 Prozent.

Kaum zu glauben – belegte nicht das rege Leben vor unserer Tür das Gegenteil? Aber dann erinnerte ich mich daran, wie früher regelmäßig die Blüte unseres Kiwistrauchs für ein Spektakel sorgte: Massen an Hummeln drängelten sich um die Blüten, das dröhnende Brummen war überwältigend. In den letzten Jahren dagegen waren dort oft nur einzelne Tiere zu sehen. Zwar liefert die Pflanze weiterhin üppige Ernten – doch was, wenn die Bestäuber ganz ausbleiben?

Geht es um die Insektenfauna, mag der eine oder andere insgeheim ja ganz froh sein, falls es weniger lästige Fliegen, Mücken oder Wespen geben sollte. Und vergisst dabei, wie wichtig diese und andere Arten im ökologischen Kontext sind: Sie dienen zahllosen Vögeln und Fledermäusen als Nahrung und spielen darüber hinaus eine entscheidende Rolle als Bestäuber jener Nutzpflanzen, von denen wir uns ernähren. Auf diese Zusammenhänge weist Josef Settele in seinem Artikel ab S. 12 hin. Für Spektrum hat der Professor am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle und Schmetterlingsexperte den aktuellen Forschungsstand zu Diversität und Häufigkeit der Insekten zusammengetragen – und macht die wahrscheinlichsten Ursachen hinter den Veränderungen fest.

Besonders bedenkenswert finde ich seinen Hinweis, dass jeder Einzelne von uns etwas tun kann. Selbst auf dem Balkon lassen sich Pflanzen kultivieren, die für Insekten wichtige Nahrung liefern, und »Insektenhotels« aufhängen. Und in etwas größeren Gärten stört es sicher nicht, wenn man in einer Ecke einfach mal ein paar alte Äste stapelt, die den kleinen Helfern ein Zuhause bieten können. Wir halten es jedenfalls so bei uns; und vielleicht ist das ja der Grund, warum uns immer noch Wildbienen und Schmetterlinge umschwirren, wenn wir im Sommer vor die Tür treten.

Herzlich, Ihr

Hartwig Hanser

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