Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Heroinabhängigkeit: Schuss auf Rezept

In der Frankfurter Heroinambulanz bekommen 100 Schwerstabhängige täglich reines Heroin. Das Programm bewahrt sie vor gesundheitlichen Risiken des Konsums, einem Leben auf der Straße und dem Absturz in Kriminalität oder Prostitution.
Saubere Droge

Morgens, halb 8 im Frankfurter Ostend. Vor der Heroinambulanz in der Grünen Straße bildet sich eine Schlange aus Menschen, die auf Einlass warten. Allesamt Schwerstabhängige, die ihre morgendliche Ration der Droge brauchen. Seit 2008 werden hier rund 100 Süchtige mit Diamorphin – pharmakologisch reinem Heroin – versorgt. Unter Aufsicht bekommen sie ihre individuelle, von Ärzten festgelegte Dosis, die sie sich selbst injizieren. Die meisten Klienten kommen aus Frankfurt oder der näheren Umgebung, und das bis zu dreimal täglich. Auch am Wochenende und an Feiertagen. Die Sucht macht keine Pause.
Eva (Name von der Redaktion geändert) steht mit in der Schlange. Die 41-Jährige war viele Jahre ganz unten. Drogensüchtig, arbeitslos, obdachlos. "Ich hab im Dreck gewühlt", sagt sie. Gehetzt und getrieben lebte sie Monate auf der Straße, immer auf der Suche nach dem nächsten Schuss: "Ich konnte an nichts anderes denken."
Erst mit der Heroinambulanz ging es bergauf. Seit drei Jahren kommt Eva hierher. Die Droge gibt es auf Rezept: Bezahlt wird die Behandlung von den Krankenkassen. Das hat sich bewährt, sagt Dietmar Paul, Chefarzt der Einrichtung. "Die Patienten profitieren enorm von der Behandlung mit Diamorphin." Zum Angebot gehört auch die psychosoziale Betreuung nebst ­Sozialberatung, finanziert von der Stadt Frankfurt. Die Patienten bekommen also auch Hilfe in alltäglichen Angelegenheiten wie Behördengängen.
Die Einrichtung ist in einer ehemaligen Weinhandlung untergebracht. Das Gebäude ist unscheinbar, gleicht aber einem Hochsicherheitstrakt. Mit Hilfe der Kriminalpolizei wurden die Räume umgebaut. Kameras außen und innen, Gitter vor den Fenstern, Panzerglas. Einbrechen zwecklos: Das Heroin, das von einem Schweizer Pharmaunternehmen produziert und einmal pro Woche per Sicherheitstransport geliefert wird, lagert im Tresor. Das Pulver wird vor Ort von den Mitarbeitern mit Wasser angerührt. 100 Gramm reichen für mehr als 100 Patienten.
Bis diese umfassende Betreuung Schwerstabhängiger möglich wurde, war es ein weiter Weg ...

Kennen Sie schon …

Spektrum - Die Woche – Der Umbau der Chemieindustrie

Täglich entstehen in riesigen Fabriken zahllose Stoffe, die wir in unserem Alltag nutzen – allerdings nur dank fossiler Rohstoffe und eines extrem hohen Energieverbrauchs. In dieser »Woche« geht es um den Umbau der Chemieindustrie hin zur Klimaneutralität. Außerdem: Gibt es sie, die »Zuckersucht«?

Spektrum Psychologie – Ist das eine Depression?

Wenn wir uns schlapp und bedrückt fühlen, kann das viele Ursachen haben. Wie Sie herausfinden, ob eine Depression dahintersteckt, erklären wir in dieser Ausgabe. Außerdem beleuchten wir, welche Rolle die Gesellschaft bei Depressionen spielt und widmen uns erfolgreichen Psychopathen.

Spektrum - Die Woche – Welche Psychotherapie passt zu mir?

Studien zufolge erkrankt jeder fünfte bis sechste Erwachsene mindestens einmal in seinem Leben an einer Depression. Doch wie finden Betroffene eine Therapie, die zu ihnen passt? Außerdem in dieser Ausgabe: Kolumbiens kolossales Problem, der Umgang mit Polykrisen und die Übermacht der Eins.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

  • Quellen

Haasen, C. et al.: Heroin-Assisted Treatment for Opioid Dependence. Randomised Controlled Trial. In: British Journal of Psychiatry 191, S. 55-62, 2007

Löbmann, R., Verthein, U.: Explaining the Effectiveness of Medical Treatment for Heroin Addicts on Crime Reductions. In: Law and Human Behavior 33, S. 83-95, 2009

National Institute on Drug Abuse: Heroin. Abuse and Addiction. Research Report Series 2005

Preller, K.H. et al.: Sustained Incentive Value of Heroin-Related Cues in Short- and Long-Term Abstinent Heroin Users. In: European Neurpsychopharmacology 23, S. 1270-1279, 2013

Simon, R. et al.: Heroin gestützte Behandlung - Stand der Forschung und Praxis. In: Sucht 58, S. 215-216, 2012

Strang, J. et al.: Supervised Injectable Heroin or Injectable Methadone versus Optimised Oral Methadone as Treatment for Chronic Heroin Addicts in England after Persistent Failure in Orthodox Treatment (RIOTT): A Randomised Trial. In: The Lancet 375, S. 1885-1895, 2010

Strang, J. et al.: New Heroin Assisted Treatment. Recent Evidence and Current Practices of Supervised Injectable Heroin Treatment in Europe and beyond. EMCDDA Insights 11, 2012

Strang, J. et al.: Cost-Effectiveness of Injectable Opioid Treatment v. Oral Methadone for Chronic Heroin Addiction. In: The British Journal of Psychiatry 203, S. 341-349, 2013

Termorshuizen, F. et al.: Long-Term Outcome of Chronic Drug Use. The Amsterdam Cohort Study among Drug Users. In: American Journal of Epidemiology 161, S. 271-279, 2005

Verthein, U. et al.: Long-Term Effects of Heroin-Assisted Treatment in Germany. In: Addiction 103, S. 960-966, 2008

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.