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Hirschhausens Hirnschmalz: Gibt’s in der Klapse was zu lachen?

Eckart von Hirschhausen

"Willkommen bei den Hartmanns" ist ein sehr komischer Film über eine Münchner Familie, die einen Flüchtling aufnimmt. Doch an einer Stelle hab ich mich sehr geärgert: Als der Sohn durch ein Missgeschick in die Psychiatrie eingewiesen wird, laufen dort alle Patienten in weißen Nachthemden herum und spielen mit einem Luftballon vor sich hin kichernd Kinderspiele. Vielleicht soll das Satire sein, aber dafür fehlt die zweite Ebene. Vielmehr scheinen sich immer noch jene Klischees hartnäckig zu halten, die schon in dem Film "Einer flog über das Kuckucksnest" vor 40 Jahren mehr zur Angst als zur Aufklärung über psychische Erkrankungen beitrugen.

Wir leben in einem Land, das im weltweiten Vergleich sehr gut mit Psychotherapieplätzen ausgestattet ist. Und dennoch fehlt es oft an Grundwissen über seelische Gesundheit. Hartnäckig halten sich Ideen wie "Einmal psychisch krank, immer psychisch krank" oder "Die Patienten werden eingesperrt und mit Medikamenten vollgedröhnt". Dabei sind die allermeisten Betroffenen heilfroh über kompetente Hilfe!

Fünf Psychiater haben in einem aktuellen Überblick das Image der Psychiatrie in Deutschland analysiert. Es gibt Lichtblicke: Depression etwa wird heute weniger stigmatisiert als noch vor 15 Jahren. Doch insgesamt haben sich die Einstellungen kaum verändert – oder sogar verschlechtert. So glaubt die Hälfte der Bevölkerung, dass Zwangsjacken immer noch verwendet werden. Ebenso vielen wäre es unangenehm, auf einer Feier neben einem Psychiater zu sitzen. Selbst Medizinstudenten hegen solche Vorurteile.

Kaum jemand weiß, dass ein Psychiater ein "richtiger Arzt" ist, der Medizin studiert hat. Das hat Konsequenzen: Depressionen etwa bleiben immer noch zu oft unerkannt. Insgesamt ist der Psychomarkt für Laien schwer zu durchschauen. Wer ahnt schon, dass "Psychologische Psychotherapeuten" ein Studium und anschließend drei bis fünf Jahre Fortbildung brauchen, während es den "Heilpraktiker für Psychotherapie" nach einer Prüfung beim Gesundheitsamt gibt? Man kann dafür vorbereitende Kurse besuchen, man muss aber nicht. Zahnbehandlung ist Zahnärzten vorbehalten, doch an der Seele herumdoktern – dazu braucht es offenbar noch nicht mal ein Studium.

Was, glauben Sie, ist der Unterschied zwischen einem Psychologen, einem Psychotherapeuten und einem Psychiater?

  1. A) Bin froh, dass ich das nicht weiß!
  2. B) Hab ich verdrängt. Ist das schlimm?
  3. C) Keiner, die haben alle eine Macke.
  4. D) Ich frag mal meinen Heilpraktiker...

Da bleibt Psychiatern oft nichts anderes als Humor. Eine Eigenschaft, die auch etwas über den Zustand der Patienten verrät. Das erlebte ich vor Jahren in Johannesburg, Südafrika, wo ich auf einer psychiatrischen Sta­tion Dienst tat. Ein Raum mit 40 Betten. Wegen chronischen Personalnotstands ließen die Ärzte mich Anfänger allein im weißen Kittel Gespräche führen. Und so fand ich mich bald von 40 mehr oder minder psychotischen Männern umgeben, von denen jeder einzelne deutlich stärker war als ich. "Herr Doktor, Sie müssen mich entlassen!", verlangte der Wortführer. Ich schaute in die Akte und fragte: "Hören Sie denn noch die Stimmen in Ihrem Kopf?" – "Ja, na klar." – "Und was sagen die Ihnen?" – "Dass Sie mich entlassen sollen!" Was war das wichtigste Anzeichen, dass er auf dem Weg der Gesundung war? Dass er selbst darüber lachen musste.

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  • Quellen

Möller­Leimkühler, A. M. et al.: EPA Guidance on Improving the Image of Psychiatry. In: European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience 266, S. 139–154, 2016


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