Direkt zum Inhalt

Hirschhausens Hirnschmalz: Weihnachtliches Rudelsingen

Gemeinsam Lieder zu schmettern ist der schnellste Weg, um ein Gefühl von Verbundenheit zu schaffen.
Eckart von Hirschhausen

"How many roads must a man walk down …" Das Charmante an diesem Song ist, dass er mit zwei Akkorden zu begleiten ist. Und wie er auf die Begleitung wirkt. Minnesänger wussten schon immer, dass der Weg zum Herzen durch Musik gebahnt wird. Eine englische Arbeitsgruppe um den Evolutionspsychologen Robin Dunbar wollte nun herausfinden, ob gemeinsa­mes Singen auch die Gruppenbildung beschleunigt.

Die Psychologen verglichen in einem Feldexperiment über sieben Monate hinweg die Teilnehmer verschiedener Freizeitkurse: kreatives Schreiben, Handwerken und Singen. Am schnellsten fühlten sich die Teilnehmer, die zusammen trällerten, miteinander verbunden. Bei den übrigen Aktivitäten dauerte das Auftauen länger. Die Autoren vermuten, dass sich Singen in der Menschwerdung bewährt hat, um schnell einen Draht zu allen in einer Gruppe zu entwickeln, auch wenn man nicht jedem einen Brief schreiben oder mit ihm basteln mag. "Wo man singt, da lass dich ruhig nieder, böse Menschen haben keine Lieder", meinte ­Johann Gottfried Seume. Zumindest wachsen dort offenbar Vertrauen und Kooperation.

Wenn Sie gemeinsam mit anderen singen, singen Sie …?

  1. a) lauter
  2. b) leiser
  3. c) schöner
  4. d) schiefer

Leider haben böse Menschen im Dritten Reich auch die Psychologie des Singens derartig missbraucht, dass erst mehrere Generationen später in Deutschland wieder ohne schlechte Gefühle zusammen Volkslieder geschmettert werden. Aber es tut sich viel, zum Beispiel gibt es die Initiative "Singende Krankenhäuser". Gemeinsam zu musizieren, wirkt entspannend und lindert Schmerzen, denn es setzt Oxytozin und Endorphine frei. Ein weiteres neues Phänomen ist das "Rudelsingen": Ein Leittier vorne mit Light-Show, sprich Vorsänger und Projektion der Texte, genügt, um Menschen aller Generationen mit "Sieben Fässer Wein" zu einem Rudel zusammenzuschweißen, ohne dass Alkohol fließen muss. Durch die Texttafeln fällt die größte Hürde, denn wer kennt schon noch Liedtexte auswendig? Auf welchen musikalischen Bildungskanon kann man sich hier zu Lande noch einigen, wenn selbst das beliebteste Geburtstagslied das englische "Happy Birthday" ist statt "Viel Glück und viel Segen"?

Ich vermute ja, dass auch Männer im Fußballstadion nicht primär das Spiel interessiert – das ließe sich daheim am Bildschirm viel besser verfolgen. Es geht ums Rudelgröhlen! Wann haben Sie das letzte Mal gesungen, also nüchtern und freiwillig? Oder haben Sie doch nur eine CD eingelegt? Immerhin gibt es in Deutschland noch mehr Chöre als Fußballvereine.

Der Advent ist eine schöne Gelegenheit, um sich in der Dunkelheit von Weihnachtsmarkt oder Kirche mal wieder zu trauen, mitzusingen. Bis "Owi" lacht, in der stillen Nacht. Und sollte wegen der globalen Erwärmung kein Schnee liegen, gibt es wenigstens dazu eine lokale Erwärmung in der Herzregion. Jauchzet, frohlocket! Singt unter der Dusche oder "in the rain". Und wenn einer fragt "Was soll das?", entgegnet etwas von Grönemeyer. Oder stimmt den Kanon an: "Froh zu sein bedarf es wenig, und wer froh ist, ist ein König!" Den ganzen Winter durch, bis der Eisbrecher-Effekt Mensch und Natur vom Eise befreit und es heißt: "Es tönen die Lieder, der Frühling kehrt wieder!"

Kennen Sie schon …

Spektrum der Wissenschaft – Vögel - Gefiederte Vielfalt

Die kognitiven Fähigkeiten von Vögeln erstaunen selbst Fachleute immer wieder. Wie schaffen es Vögel, trotz ihres winzigen Gehirns, Werkzeuge zu benutzen oder sich im Spiegel zu erkennen? Wie kam es zum Gesang der Vögel und was verbirgt sich dahinter? Wie kommt es zu den vielfältigen Farben und Mustern des Federkleids? Studien zur Embryonalentwicklung zeigen, auf welchen theoretischen Grundlagen die Farb- und Formenfülle im Tierreich beruhen. Und die Vorfahren der Vögel, die Dinosaurier, erwiesen sich als fürsorgliche Eltern.

Gehirn&Geist – Musikalität

Manche Menschen können schon mit vier meisterhaft Klavier spielen, anderen fällt es zeitlebens schwer, im Takt zu klatschen. Was bestimmt, wie musikalisch wir sind? Welche Rolle spielen dabei die Gene, welche das Elternhaus, und wie wichtig ist eisernes Üben? Außerdem: Wenn Geiseln Zuneigung für ihre Peiniger entwickeln, ist schnell die Rede vom »Stockholm-Syndrom«. Handelt es sich dabei wirklich um krankhaftes Verhalten, wie der Ausdruck »Syndrom« suggeriert? Nach Überzeugung einiger Mediziner bekämpft Botox nicht nur Falten, sondern auch Depressionen. Es gibt aber Kritik an dieser Theorie. Wie gesund ist Yoga wirklich? Der Psychologe Holger Cramer erforscht die Wirkung von Yoga auf Körper und Geist und deckt dabei ebenso die Grenzen auf. Im Gehirn repräsentieren einzelne Neurone jeweils bestimmte Zahlen. Ein bislang unbekannter Mechanismus könnte dafür sorgen, dass dieser Zahlensinn bis zur Anzahl von vier kaum Fehler macht.

Gehirn&Geist – Resilienz - Was stärkt uns für schwierige Zeiten?

Zum Leben gehören neben Höhen auch Tiefen. Wie können wir solche negativen Ereignisse überstehen? Erfahren Sie, wie Stress den Darm trifft und was hilft, die Beschwerden zu lindern. Warum ältere Menschen oft stressresistenter sind und was jeder daraus lernen könnte. Wann uns ein Trauma nicht zerbricht, sondern wir am Widerstand wachsen. Wie Genussfähigkeit mit negativen Gefühlen, Leistung und Lebenserfolg zusammenhängt. Warum Tanz und Musik wie Lebenselixiere wirken. Oder ob Haustiere uns wirklich glücklich machen.

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

  • Quelle

Pearce, E. et al.: The Ice-Breaker Effect: Singing Mediates Fast Social Bonding. In: Royal Society Open Science 10.1098/rsos.150221, 2015

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.