Direkt zum Inhalt

Höhere Aufwendungen - aber wer profitiert davon?

Wer kennt sie nicht, die Klage, Deutschland investiere zu wenig in die Wissenschaft? Die neuesten Zahlen zu den Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten sowie zum Innovationsverhalten der Wirtschaft lassen aufhorchen.

Die gute Nachricht zuerst: Schon seit fünf Jahren steigen die gesamten Aufwendungen für Forschung und Entwicklung (FuE) deutlich an. Die schlechte: Dies ist kein Verdienst des Staates, sondern allein der Wirtschaft. Nach Stagnation, ja sogar Reduktion in der ersten Hälfte der neunziger Jahre haben die FuE-Aufwendungen der Wirtschaft nun kräftig zugelegt: von 58,6 Milliarden Mark im Jahre 1995 auf 70,7 Milliarden Mark 1998. Dies entspricht einer Steigerung von 20,6 Prozent. Für 1999 – genaue Daten für das letzte Jahr liegen noch nicht vor – ist ein weiterer Anstieg auf etwa 75,7 Milliarden Mark zu erwarten. Diese Zahlen verkündete die Wissenschaftsstatistik GmbH, eine Tochtergesellschaft des Stifterverbands für die Deutsche Wissenschaft, im Februar in Berlin.

Hingegen stagnieren die Ausgaben der öffentlichen Hand für staatliche und private Forschungseinrichtungen weiter. Von 1995 bis 1998 betrugen sie jeweils 12,5 Milliarden Mark, wie dem jüngsten Bericht des Bundesforschungsministeriums zur technologischen Leistungsfähigkeit Deutschlands zu entnehmen ist. Die Forschungsausgaben für die Hochschulen erhöhten sich in diesem Zeitraum nur wenig von 14,4 auf 15,4 Milliarden Mark. Trotzdem erreicht Deutschland heute mit rund 100 Milliarden Mark einen neuen Höchststand der Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Mehr als zwei Drittel davon bezahlt die Wirtschaft, ein knappes Drittel entfällt auf Staat und Hochschulen.

Bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt ist allerdings wieder Stagnation zu erkennen: Von 1995 bis 1998 blieb der Anteil der FuE-Aufwendungen konstant bei 2,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Im internationalen Vergleich ist dies kein Spitzenwert. Zwar ist in Frankreich und vor allem in Großbritannien der Anteil unter 2,3 Prozent gefallen, doch können die USA und Japan Werte von 2,7 beziehungsweise 2,9 Prozent vorweisen. Ende der achtziger Jahre investierte Deutschland einen ähnlich hohen Anteil des Bruttoinlandsprodukts in Forschung und Entwicklung. Die Aussichten, wieder dorthin zu gelangen, scheinen gering zu sein.

Auch drei weitere Erkenntnisse geben Anlass zum Nachdenken:

- Die Politik hebt oft die große Bedeutung kleiner und mittlerer Unternehmen für das Innovationspotenzial hervor. Nach den Zahlen des Stifterverbandes erfüllen sie diese Erwartung aber nicht: Die FuE-Aufwendungen der Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten sind von 1995 bis 1999 nur um 14,8 Prozent von 8,1 auf 9,3 Milliarden Mark gestiegen, diejenigen der größeren Unternehmen dagegen von 49,7 auf 65,6 Milliarden Mark, also um satte 32 Prozent. Diese Diskrepanz nimmt weiter zu, denn für das Jahr 2000 planen nur 36 Prozent der kleinen, aber 44 Prozent der großen Unternehmen, ihre FuE-Aktivitäten zu steigern. Der Mittelstand scheint also Gefahr zu laufen, den Anschluss zu verlieren.

- Von dem finanziellen Aufschwung profitierten weder die Wissenschaftler in den Unternehmen noch die Hochschulen und die anderen außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Verglichen mit den gestiegenen Aufwendungen ist der – wie es der Stifterverband formulierte – „mäßig positive Trend“ bei der Anzahl von Stellen für Forscher und Entwickler in der Wirtschaft eigentlich ein Stillstand. Denn die Stellenzahl stieg von 1995 bis 1998 um noch nicht einmal zwei Prozent auf 288000 so genannte Vollzeit-äquivalente. Noch 1991 waren immerhin 34000 Menschen mehr in der industriellen Forschung und Entwicklung tätig gewesen. In Nordrhein-Westfalen, Hessen und neuerdings auch in Bayern wurde das FuE-Personal zum Teil drastisch reduziert. Und der Anteil der FuE-Aufträge der Wirtschaft an die Hochschulen und Forschungseinrichtungen hat sich zwischen 1995 und 1997 um fast 15 Prozent verringert.

- Der Anteil des Umsatzes, den FuE treibende Unternehmen mit neuen und verbesserten Produkten erzielten, die so genannte Innovationsrate, stagnierte zwischen 1995 und 1997 bei rund 54 Prozent. Das zusätzliche Engagement in FuE hat sich also in dieser Hinsicht noch nicht ausgezahlt. Doch eindrücklich appelliert der Stifterverband: „Forschung lohnt sich, denn Unternehmen mit FuE verdienen deutlich mehr mit neuen Produkten als solche ohne FuE.“ Dies gilt zur Zeit besonders für die zukunftsträchtigen Branchen Büromaschinen, Datenverar-beitung, Kommunikationstechnik und Medizingeräte.

Bemerkenswert ist eine andere Tendenz: 1997 haben die Unternehmen mit rund 9 Milliarden Mark fast dreimal so hohe Summen für Aufträge nach außen – an andere Firmen und Forschungseinrichtungen – vergeben als 1983. Der Anteil dieser „externen Aufwendungen“, der dabei ins Ausland geflossen ist, hat sich im gleichen Zeitraum fast verdoppelt und beträgt nun etwa 20 Prozent. Diesen Eindruck verstärkt der Bericht des Bundesforschungsministeriums zur technologischen Leistungsfähigkeit: Deutsche Tochterunternehmen im Ausland gaben dort 1997 rund 12,5 Milliarden Mark für FuE aus. Andererseits wurden in ausländischen Tochterunternehmen in Deutschland rund elf Milliarden Mark für FuE aufgewendet. Die Globalisierung schreitet also in diesem Bereich rasch voran.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 4 / 2000, Seite 98
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.