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„Ich war ein Brot“

Aus alt mach frisch: Die Wiederverwertung von Backwaren ist möglich

Frisches Brot macht Wangen rot, doch was am Tag nach der Auslieferung in den Regalen der Supermärkte liegt, hat kaum noch eine Chance auf Verkauf. Die Ansprüche des Verbrauchers sind hoch, deshalb laufen etwa zehn Prozent der Backwaren nach rund drei Tagen wieder in den Großbäckereien ein. Bislang wurde „Rückbrot“ nur an das liebe Vieh verfüttert und brachte auf diesem Weg nicht einmal die Kosten des aufgewendeten Mehles ein.

Am Institut für Lebensmitteltechnologie II der Technischen Universität Berlin haben Friedrich Meuser und seine Mitarbeiter mit Förderung der Umweltstiftung Osnabrück ein Verfahren entwickelt, um die hygienisch einwand-freien Backwaren stofflich wiederzuverwerten; Ziel ist ein geschlossener Stoffkreislauf. Dazu kombinierten die Wissenschaftler etablierte Techniken der Aufarbeitung von kohlenhydratreichen Rohstoffen, wie man sie auch zum Bierbrauen nutzt.

Zunächst mischen sie das zu Pulver vermahlene, vorgetrocknete Gut mit Wasser zu einer teigartigen Masse. Fehlchargen aus der Produktion der Großbetriebe gelangen ohne Trocknung hinein. Enzyme wandeln nun die Stärke in Glucose, und es entsteht eine Maische. Durch Milchsäurebakterien wird sie vergoren, also angesäuert, und so gegen andere Mikroorganismen geschützt.

Unlösliche Proteine und Ballaststoffe lassen sich nun abscheiden – Rohstoffe für neue Backwaren. In zwei Fermentern wird dann aus dem noch verbleibenden Überstand aerob (unter Sauerstoffzufuhr) Backhefe vermehrt und anaerob Alkohol sowie Kohlendioxid erzeugt. Insbesondere die Rückführung der Hefe in den Backprozeß senkt Kosten. Der durch Destillation separierte Alkohol kann nach einfacher Umstellung der Brenner auch Backöfen heizen. Gärungs-Kohlendioxid, durch Kompression verflüssigt, eignet sich zur Kühlung der Teige. Die letztlich verbleibende Flüssigkeit dient wieder als Säuerungsmittel.

Das Kreislauf-Verfahren eignet sich nach Angaben der Entwickler für alle Arten von Gebäck, gleich ob süß oder salzig. Auch gesundheitliche Bedenken bestehen nicht: Schimmelbefall ist aufgrund des durchschnittlichen Alters der Backwaren von drei Tagen kaum anzunehmen, verschiedene Kochstufen und die Hefefermentation würden ihm aber dennoch den garaus machen.

Leider ist der Aufwand recht hoch und somit nur für Großbäckereien oder Verbünde kleinerer Betriebe interessant. Ob sich das Brotrecycling tatsächlich rechnet, können die Entwickler noch nicht beantworten. Gesetzliche Auflagen erzwingen aber einen Recycling-Ansatz. Um die finanziellen Risiken dafür gering zu halten, wird wohl zunächst nur ein Teilprozeß – nämlich die Hefestufe – großtechnisch realisiert, weil sie die höchste Wertschöpfung bietet.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 9 / 1999, Seite 83
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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