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Spezial Migranten: Wie wird man deutsch?

Rund 20 Prozent der deutschen Bevölkerung haben ausländische Wurzeln. Fühlen sie sich hier zu Hause? Der ­Sozialforscher Lars Leszczensky untersucht, worauf Schüler mit ­Migrationshintergrund ihre nationale Identität gründen.
Lars Leszczensky

Herr Leszczensky, was entscheidet darüber, ob sich Migranten und ihre Nachfahren mit Deutschland identifizieren?

Die Einheimischen müssen ihnen zunächst einmal das Gefühl geben, dass sie überhaupt die Möglichkeit haben, eine deutsche Identität anzunehmen. Eine Identität kann man nur entwickeln und aufrechterhalten, wenn andere einem den Eindruck vermitteln, dass man auch wirklich dazugehört. Zur EM 2008 gab es einen TV-Spot mit Eltern deutscher Fußballnationalspieler. Sie veranstalteten ein multikulturelles Grillfest und sahen ­anschließend gemeinsam ein Länderspiel ihrer Kinder. Der Spot warb dafür, dass Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen am deutschen Nationalgefühl teilhaben können. Auch Politiker bemühen sich häufig, solche Zeichen zu setzen. Allerdings passen diese offiziellen Signale nicht zwangsläufig zu dem, was Migranten im Alltag erfahren. Nur wenn die Möglichkeit dazuzugehören spürbar ist, können Mig­ran­ten entscheiden, ob sie das Angebot annehmen.

Und was liegt dieser Entscheidung zu Grunde?

Das haben wir Schüler der 5., 6. und 7. Klasse gefragt. Es zeigte sich, dass sie erst einmal vergleichsweise nüchtern überlegen, welcher Gruppe sie angehören. "Ich bin doch Deutscher, das steht in meinem Pass" und ähnliche Aussagen hörten wir häufig. Für einige war aber auch die eigene Herkunft beziehungsweise die der Eltern wichtig. Dies zeigen auch Interviews mit Fußballern, die Migranten der zweiten Generation sind und sich irgendwann entscheiden müssen, für welches Land sie spielen wollen. Einige sagen: "Meine Eltern sind türkisch, das heißt, ich bin auch türkisch – selbst wenn ich in Deutschland geboren bin." Solche Über­legungen allein machen aber noch keine vollständige Identität aus. Es spielt natürlich ebenso eine Rolle, welchem Land man sich gefühlsmäßig verbunden fühlt. ...

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  • Quellen

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Leszczensky, L., Schulz, B.: Native Friends and Host Country Identification Among Adolescent Immigrants in Germany: The Role of Ethnic Boundaries. In: International Migration Review 2015, doi: 10.1111/imre.12163

Leszczensky, L.: Do National Identification and Interethnic Friendships Affect One Another? A Longitudinal Test with Adolescents of Turkish Origin in Germany. In: Social Science Research 42, S. 775-788, 2013.

Leszczensky, L., Gräbs Santiago, A.: The Development and Test of a Measure of Youth’s Ethnic and National Identity. In: Methods, Data, Analyses 1, S. 87-110, 2015

Mewes, R. et al.: Perceived Discrimination and Impaired Mental Health in Turkish Immigrants and their Descendents in Germany. In: Comprehensive Psychiatry 62, S. 42-50, 2015

Michel, A. et al.: Language Shift among Adolescent Ethnic German Immigrants: Predictors of Increasing Use of German over Time. In: International Journal of Intercultural Relations 36, S. 248-259, 2012

Schachner, M. et al.: Family-Related Antecedents of Early Adolescent Immigrants’ Psychological and Sociocultural School Adjustment in Germany. In: Journal of Cross-Cultural Psychology 45, S. 1606-1625, 2014

Skrobanek, J.: Perceived Discrimination, Ethnic Identity and the (Re-)Ethnicisation of Youth with a Turkish Ethnic Background in Germany. In: Journal of Ethnic and Migration Studies 35, 535–554, 2009

Yagmur, K. van de Vijver, F.: Acculturation and Language Orientations of Turkish Immigrants in Australia, France, Germany, and the Netherlands. In: Journal of Cross-Cultural Psychology 2011, doi:10.1177/0022022111420145.

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