Direkt zum Inhalt
Login erforderlich
Dieser Artikel ist Abonnenten mit Zugriffsrechten für diese Ausgabe frei zugänglich.

Sekten: Im Bann des Systems

Sektenmitglieder fügen sich oft Regeln, die nahezu unglaublich erscheinen, und geben sogar ihre eigene Individualität auf. Wie kommt es dazu? Anhand vieler Gespräche mit ehemaligen Bewohnern der "Colonia Dignidad" in Chile zeichnet die Psychologin Susanne Bauer die Leidensgeschichte der Be­troffenen nach.
Susanne Bauer

Vor gut einem halben Jahrhundert immigrierte eine Gruppe von 350 Deutschen – Männern, Frauen und Kinder – nach Chile und siedelte sich etwa 500 Kilometer südlich der Hauptstadt Santiago an. Die Gemeinschaft unterstand dem Jugendpfleger und evangeli­schen Laienprediger Paul Schäfer aus Troisdorf bei Köln. Er hatte bereits in den frühen 1950er Jahren Anhänger seiner freikirchlichen Bewegung um sich geschart, darunter viele Heimatvertriebene aus ehemaligen deutschen Ostge­bieten. 1956 bezog die Sekte mit dem unscheinbaren Namen "Private Soziale Mission" ein Haus zur gemeinsamen Arbeit und zum Gebet.
Schäfer nahm vor allem Kinder aus sozial schwachen Familien auf, denen er angeblich den Weg zu Gott weisen wollte. In die "Mission" aufgenommen wurde allerdings nur, wer sich ihr voll und ganz weihte und alle Kontakte zu Nichtmitgliedern aufgab. Kinder und Jugendliche trennten sich auf Schäfers Drängen von ihren Verwandten, Eltern durften ihre Sprösslinge nur unter strengen Auflagen besuchen; ihr Nachwuchs, erklärte man ihnen, sei auch ohne sie glücklich. In manchen Fällen gelang es Schäfer sogar, Frauen von ihren Männern zu trennen, indem er diese als Betrüger darstellte.
Die familiären Spaltungen gingen mit räumlicher Abkapselung einher ...

Schreiben Sie uns!

Beitrag schreiben

Wir freuen uns über Ihre Beiträge zu unseren Artikeln und wünschen Ihnen viel Spaß beim Gedankenaustausch auf unseren Seiten! Bitte beachten Sie dabei unsere Kommentarrichtlinien.

Tragen Sie bitte nur Relevantes zum Thema des jeweiligen Artikels vor, und wahren Sie einen respektvollen Umgangston. Die Redaktion behält sich vor, Zuschriften nicht zu veröffentlichen und Ihre Kommentare redaktionell zu bearbeiten. Die Zuschriften können daher leider nicht immer sofort veröffentlicht werden. Bitte geben Sie einen Namen an und Ihren Zuschriften stets eine aussagekräftige Überschrift, damit bei Onlinediskussionen andere Teilnehmende sich leichter auf Ihre Beiträge beziehen können. Ausgewählte Zuschriften können ohne separate Rücksprache auch in unseren gedruckten und digitalen Magazinen veröffentlicht werden. Vielen Dank!

  • Quellen und Literaturtipp

Literaturtipp

Schnellenkamp, R.: Geboren im Schatten der Angst. Ich überlebte die Colonia Dignidad. Herbig, München 2007
Autobiografischer Bericht eines Exmitglieds


Quellen

Bauer, S.: Über die Bedeutung und den Einfluss von Musik auf Menschen in extremen Lebenssituationen am Beispiel der Sekte "Colonia Dignidad" in Chile. In: Grätzel, S., Schlimme, J. E. (Hg.): Psycho-Logik. Jahrbuch für Psychotherapie, Philosophie und Kultur 8. Alber, Freiburg 2013, S. 198-221

Bauer, S.: Psychologische Behandlungsmöglichkeiten für religiös traumatisierte Menschen am Beispiel der Sekte Colonia Dignidad. In: Utsch, M. (Hg.): Pathologische Religiosität. Genese, Beispiele, Behandlungsansätze. Kohlhammer, Stutt­gart 2012, S. 67-105

Biedermann, N. et al.: "Colonia Dignidad" - Psychotherapie im ehemaligen Folterlager einer deutschen Sekte. In: Zeitschrift für Politische Psychologie 14, S. 111-127, 2006

Bitte erlauben Sie Javascript, um die volle Funktionalität von Spektrum.de zu erhalten.