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Phänomen Zeit (Teil II): Im Rückwärtsgang in die Zukunft

Nach dem Zeitverständnis des Alten Orients lag das Ideal von Gesellschaft und Staatswesen keineswegs in einer besseren Zukunft, sondern in einer fernen Vergangenheit.
Zikkurat
Wer heute Passanten zu Füßen des Kölner Doms befragt, in welcher Blickrichtung die Zukunft und in welcher die Vergangenheit zu verorten wäre, dürfte wohl meist ein irritiertes Kopfschütteln ernten. Wie kann man eine solche Frage nur stellen? Selbstverständlich liegt das Vergangene hinter uns, während der Blick in die Zukunft nach vorn gerichtet ist.

Könnten wir uns nun mit einer Zeitmaschine zurück in das alte Zweistromland begeben, um die Umfrage im Schatten des Turms von Babylon fortzusetzen, wäre die erste Reaktion vielleicht nicht anders, die Antworten hingegen würden völlig anders ausfallen. Die babylonischen Zeitbegriffe, die uns aus Keilschrifttexten wohlbekannt sind, zeigen dies deutlich. "Vergangenheit" wurde im Babylonischen nämlich wörtlich "Vorderseitiges" oder "im Angesicht Daliegendes" genannt, während der für "Zukunft" verwendete Begriff exakt übersetzt "das im Rücken Liegende" lautet.

Ein Babylonier meinte also auf eine vor ihm liegende Vergangenheit zu schauen, wohingegen er das Kommende hinter sich wähnte und damit der unmittelbaren Ansicht verschlossen. Während wir "der Zukunft zugewandt " auf der Zeitachse nach vorne zu schreiten glauben, bewegten sich die Mesopotamier nach eigenem Dafürhalten rückwärtsgehend in die Zukunft. Ihre Vergangenheit hielten sie dabei fest im Blick. Wie stark das Augenmerk der mesopotamischen Kultur tatsächlich der Vergangenheit galt, wie mächtig die alles durchdringende normative Kraft des Alt(hergebracht)en war, zeigte sich im Babylonien des 2. und 1. vorchristlichen Jahrtausends auf Schritt und Tritt, sei es im Umgang mit Sprache und Schrift, sei es in Architektur, Handwerk und Kunst. So wie jede andere Sprache wandelte sich im Lauf der Jahrhunderte auch das Babylonische.

Vom Beginn des 2. vorchristlichen Jahrtausends bis zum Ende der Keilschriftkulturen um die Zeitenwende wurden Briefe, Abrechnungen und Verwaltungsurkunden, Testamente, Schuldscheine und andere Dokumente in der stets sich fortentwickelnden babylonischen Sprache des Alltags...

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