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Integrierte Haustechnik aus volkswirtschaftlicher Sicht


Wohl jeder hat sich schon einmal nach Verlassen der Wohnung die bange Frage gestellt, ob Bügeleisen und Herd auch wirklich ausgeschaltet und alle Fenster geschlossen seien; so manche Familie ist auf der Fahrt in den Urlaub noch einmal umgekehrt, um nach dem Rechten zu sehen, oder hat einen Nachbarn angerufen und darum gebeten. Systeme, die potentiell gefährliche Situationen im Privatbereich erkennen und den Bewohner rechtzeitig warnen – "Herdplatte glüht" oder "Terrassentür steht offen" – sind bislang nur ansatzweise verfügbar.

Seit den achtziger Jahre werden jedoch weltweit Konzepte für weitgehend automatische Geräte und Anlagen entwickelt, die ebendort die Sicherheit und überdies den Komfort erhöhen sollen. Dabei bildeten sich in Europa wie auch in Japan und den USA Forschungs- verbünde, die vielfältige technische Voraussetzungen für sogenannte intelligente Häuser schaffen wollen (unter intelligenten Systemen versteht man solche, die bestimmte Situationen erfassen und auf deren Änderungen selbständig reagieren können).

Die Ergebnisse dieser Kooperationen wurden in dem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Projekt "Entwicklungslinien in der Haushaltstechnik" an der Universität Frankfurt am Main untersucht. Auf dieser Grundlage erörtere ich im folgenden die Anforderungen aus der Sicht verschiedener Gruppierungen.


Interessen der Industrie

In Anlehnung an das vorherrschende Verständnis des Begriffs verstehe ich unter intelligenter – oder besser integrierter – Haustechnik eine Technologie für private Wohngebäude und auch für kleinere Zweckgebäude, die sich durch folgende Merkmale auszeichnet:

- Sie ermöglicht und regelt die Kommunikation unter zuvor unabhängigen Geräten und Systemen, so daß ihre Funktionen integriert sowie in ihrer Gesamtheit kontrolliert und gesteuert werden können.

- Dazu verwendet man mikroelektronische und mikrosystemtechnische Komponenten.

- Der Austausch von Daten zwischen ihnen muß standardisiert sein.

- Das System ist programmierbar und sollte zumindest teilweise lernfähig sein.

Aufgrund dieser Merkmale kann man jede technische Lösung danach bewerten, welches Bussystem sie verwendet, also welche aus Hard- und Protokollsoftware bestehende Netztechnologie, und welche Anwendungen sie ermöglicht. Diese Aspekte sind ungefähr vergleichbar mit der aus der Computerwelt bekannten Aufteilung in Hardware und Protokollstandard (einem Teil des Betriebssystems) einerseits und Anwendungsprogrammen wie etwa zur Textverarbeitung andererseits.

Erstaunlicherweise behindern bislang weniger technische Schwierigkeiten die Entwicklung als vielmehr, daß die beteiligten Unternehmen und Institutionen sich noch nicht auf einen gemeinsamen Protokollstandard zu einigen vermochten. Von dessen Ausgestaltung hängt unter anderem ab, welche Übertragungsmedien – beispielsweise Kabel oder Infrarotwellen – für den Informationsaustausch genutzt werden können, welche Prozessoren man für die intelligenten Einheiten benötigt und mit welcher Geschwindigkeit die Daten transportiert werden. Auch hier läßt sich eine Parallele zur Computerindustrie ziehen, die lange um den angeblich besten Betriebs- systemstandard gerungen hat – mit allen Nachteilen für die Kunden.

Diese Querelen rühren von ökonomischen Strategien her. Grundsätzlich gilt: Je größer das Potential eines Systems, desto teurer wird es für die Endkunden; eine erfolgreiche Vermarktung ist aber nur bei geringen Entwicklungs- und Produktionskosten und entsprechend günstigem Preis-Leistungs-Verhältnis gewährleistet. Deshalb neigen alle an der Protokollentwicklung beteiligten Unternehmen dazu, Beschränkungen nur in solchen Bereichen hinzunehmen, für die sie kaum Anwendungen bieten oder planen.

Beispielsweise sind bei der Lichtsteuerung überwiegend nur geringe Datenmengen und geringe Übertragungsgeschwindigkeiten erforderlich, große hingegen bei der Verknüpfung des Herdes mit einem elektronischen Kochbuch. Entsprechend unterschiedlich sind die Anforderungen an das Bussystem, die beispielsweise die Hersteller von Installationsartikeln und jene von weißer Ware gewährt wissen wollen: Die einen verlangen intelligente Technik in Zwischensteckern, die anderen in den Endgeräten, also etwa Herden oder Waschmaschinen. Je nachdem fällt schließlich der Wertschöpfungsanteil der jeweiligen Produzenten größer oder geringer aus.


Private und professionelle Nutzer

Nur wenn die Erwartungen derjenigen erfüllt werden, die mit einer neuen Technik umgehen sollen, kann sie sich auf dem Markt durchsetzen und behaupten. Freilich sind auch diese keineswegs gleichartig. Die Nutzer von Zweckbauten stellen sich leichter auf Innovationen ein als die von privaten Wohngebäuden; und beide Gruppen sind auch in sich unterschiedlich dafür qualifiziert. Außerdem benötigen sie verschiedene Funktionen und haben abweichende Vorstellungen von deren Wirtschaftlichkeit.

In Bürogebäuden oder Fabrikationshallen wird es in der Regel einen ausgebildeten Leitwartenführer geben, der das gesamte intelligente System überwacht. Neue Geräte und Funktionen kann geschultes Personal zudem selbst installieren, die Anlage geändertem Bedarf anpassen, Probleme erkennen und gegebenenfalls auch lösen.

Von privaten Nutzern sind solche Kenntnisse nicht zu erwarten; selbst technisch Versierte dürften kaum bereit sein, sich in Bedienungshandbücher für intelligente Wohnungs- oder Eigenheimsysteme einzuarbeiten. Mithin

- ist die Nutzerschnittstelle so zu gestalten, daß auch Unkundige derartige Anlagen einfach bedienen können;

- müssen sich neue Anwendungen durch Einstecken von Zusatzgeräten ergeben, wozu allenfalls einige wenige Tasten zu bedienen oder voreingestellte Parameter auszuwählen wären (das ist bislang aber erst für simple Funktionen gelungen);

- müssen die Komponenten stabiler und fehlerfreundlicher gestaltet sein als solche für professionelle Kunden.

Dies stellt hohe Anforderungen sowohl an die Kommunikationsprotokoll- als auch an die Anwendungssoftware. Fehlerhafte Eingaben oder gar unsachgemäße Eingriffe müssen selbst von Laien wieder zu beheben sein und dürfen keinesfalls den Ausfall des Systems zur Folge haben. Andererseits darf der Nutzer aber nicht den Eindruck haben, er sei auf bestimmte vorgegebene Möglichkeiten festgelegt und quasi nicht Herr im eigenen Hause.

Das integrierte Management eines Zweckbaus hat demgegenüber klar definierte Ziele mit eindeutigen Bewertungskriterien. Intelligente Systeme müssen sich dort auszahlen, indem sie den Einsatz von Ressourcen etwa durch effizientere Steuerung von Licht-, Heiz- und Klimaanlagen optimieren, die innere und äußere Sicherheit – also den Schutz etwa gegen Brand beziehungsweise Einbruch – verbessern oder Leistungsabrechnung und Gerätewartung erleichtern.

Im privaten Wohnbereich ist all dies gleichfalls von Interesse; doch kommen weitere Bedürfnisse hinzu, und die Kriterien lassen sich nicht so scharf nach Kosten-Nutzen-Gesichtspunkten, also in Mark und Pfennig fassen. Beispielsweise sollen Beleuchtung und Heizung vor allem eine behagliche Atmosphäre schaffen. Alte und behinderte Menschen können von unkomplizierter technischer Unterstützung profitieren. Komfortsteigernde Neuerungen wie der kochbuch- gesteuerte Herd oder solche mit reinem Unterhaltungswert wie Audio- und Video-Angebote über den Fernsehanschluß steigern zwar den Lebensstandard; doch ist ein Wert dafür kaum zu berechnen. All solche Einrichtungen müssen aber unmittelbar überzeugen und einfach zu nutzen sein. Ideal ist die intelligente Technik, so aufwendig an umgesetzten Ideen sie sein mag, die man so gut wie gar nicht wahrnimmt (Bild).

Vermutlich sind überdies viele künftige Anwendungsfelder überhaupt noch nicht bekannt. Um so wichtiger ist es, diese Technologie zukunftsoffen zu gestalten, um Innovationen jederzeit einbinden zu können.


Entwicklungsperspektiven

So unterschiedlich wie die Bedürfnisse der Nutzergruppen sind auch ihre finanziellen Möglichkeiten. Für einen aufwendigen Büroneubau können die Anbieter intelligenter Haustechnik eine kundenorientierte komplette Ausstattung ausarbeiten. Im privaten Haushalt werden hingegen Geräte und Systeme meist nur nach und nach angeschafft; deshalb müssen auch Komponenten von Systemen unterschiedlicher Hersteller miteinander zu koppeln sein.

Auch bei der Installation haben kommerzielle Betreiber Vorteile. Zweckbauten werden in relativ kurzen Abständen renoviert, und das technisch-wirtschaftlich optimale Medium für den Datentransport zwischen den Einheiten eines intelligenten Haussystems – Klingel- oder Telephondraht – läßt sich dabei kostengünstig und umstandslos verlegen. Hingegen sind Ein- und Mehrfamilienhäuser, zumindest in Europa, durchweg solide gebaut, so daß Grundsanierungen erst nach Jahrzehnten erforderlich werden. Für das technische Nachrüsten setzt man deshalb vor allem auf bereits vorhandene Kabel, insbesondere auf das Stromnetz, oder auf kabellose Medien wie Funk und Infrarot. Sie alle stellen aber höhere Ansprüche an die Netztechnologie; gerade die Übertragung über Stromkabel ist mitunter sehr proble- matisch.

Derzeit ist des weiteren die Nachfrage nach solcher integrierter Haustechnik für den privaten Bereich noch gering. Kostensenkung durch Fertigung großer Serien bedarf aber einer kritischen Masse. Vorerst kann ein Kunde also kaum davon profitieren, daß sich bereits andere für ein System entschieden haben. Je eher sich die Unternehmen auf einen gemeinsamen Standard für das Netzprotokoll einigen und je mehr Hersteller häuslicher Anwendungen ihre Produkte danach ausrichten, desto attraktiver wird das Angebot und desto rascher dürfte der Markt wachsen. Deshalb wird nun ein gemeinsames europäisches Bussystem entwickelt, und die Industrie will dabei Anforderungen privater Nutzer verstärkt berücksichtigen. Bis Ende dieses Jahres soll ein entsprechender Entwurf beim Comité Européen de Normalisation Electrotechnique (CENELEC), der europäischen Standardisierungsorganisation für Elektrotechnik, vorliegen.


Aus: Spektrum der Wissenschaft 11 / 1997, Seite 106
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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