Schwerelosigkeit: Leichter denken
Herr Professor Schneider, die Informationsverarbeitung im Gehirn beruht auf elektrischen und chemischen Prozessen – hat die Schwerkraft darauf überhaupt einen Einfluss?
Das Blut im Körper verteilt sich mit dem Eintritt in die Schwerelosigkeit um – normalerweise zieht die Schwerkraft es ja in die Beine. Deshalb bekommen Astronauten "puffy faces", diese dicken, geschwollenen Gesichter. Mit dem Blutvolumen im Kopf ändert sich eventuell auch der Hirninnendruck. Das könnte sich auf neuronale Prozesse auswirken – ob oder wie es das tatsächlich tut, wissen wir allerdings nicht, die Forschung steht noch am Anfang.
Gilt denn nicht: mehr Blut im Gehirn gleich bessere Leistung?
So einfach ist es wohl nicht. Sonst müssten wir in der Schule nur noch im Liegen unterrichten, denn in liegender Position haben Sie natürlich ebenfalls mehr Blut im Kopf. Und von Astronauten gibt es Berichte, aus denen man schließen könnte, dass der erhöhte Blutdruck im Kopf langfristig wohl auch Schwierigkeiten macht, etwa zu Sehproblemen führt. Leider haben wir aber nur Einzelfallberichte und keine Daten mit echter Beweiskraft – letztlich wissen wir es also nicht. Hinzu kommt: Ein Leben in Isolation – wie auf der ISS oder, noch etwas weiter in die Zukunft geschaut, während einer mehrjährigen Reise zum Mars – geht natürlich mit diversen anderen, dauerhaften Stressoren einher. Das fängt beim Essen an, hier werden Abwechslung und Menge zu wünschen übrig lassen. Es geht weiter über fehlende Kontakte zu Freunden und Familie bis hin zu den unausweichlichen Spannungen in multinationalen und multikulturellen Teams. Da ist kaum zu unterscheiden, welche Effekte von der Schwerelosigkeit herrühren und welche von den sonstigen Lebensumständen in einer, salopp gesagt, Blechbüchse irgendwo im Weltall. ...
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