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SZIENTOMETRIE: Jede Menge Murks

Viele wissenschaftliche Studien lassen sich nicht reproduzieren. Das wirft Fragen zum Forschungsbetrieb auf – und zur Veröffentlichungspraxis von Fachzeitschriften.
Papierflieger

Es mutet wie Ironie an, dass ausgerechnet eine Studie über Vorahnungen bei vielen Psychologen das un­gute Gefühl auslöste, ihr Fachgebiet befinde sich in Schwierigkeiten. Der Sozialpsychologe Daryl Bem von der Cornell University in Ithaca (New York) hatte eine Aufsehen erregende Untersuchung durchgeführt. Er präsentierte Studenten 48 Wörter und bat sie anschließend darum, alle zu notieren, die sie im Gedächtnis behalten hatten. ­Später erhielten die Studenten eine zufällige Auswahl der Wörter, verbunden mit dem Auftrag, die Begriffe abzutippen. Dabei zeigte sich ein verblüffender Effekt: Einige Teilnehmer konnten sich im ersten Teil des Experiments besonders gut an jene Wörter erinnern, die sie im zweiten Teil des Experiments übten. Die Wirkung ging also der Ursache voraus.
Bem veröffentlichte seine Ergebnisse zusammen mit acht weiteren Experimenten im "Journal of Personality and So­cial Psychology". Er wollte damit Phänomene beweisen, die er als übersinnliche oder "Psi"-Effekte bezeichnete. Erwartungsgemäß stellten zahlreiche Wissenschaftler seine Behauptungen in Frage. Drei Teams versuchten unabhängig voneinander, die Effekte zu reproduzieren. Es gelang ihnen nicht. Als sie dieses Negativergebnis nun ihrerseits veröffentlichen wollten, stießen sie auf große Hürden: Zunächst wollte es niemand drucken. Für die Wissenschaftler war das ein Alarmsignal. Positive Ergebnisse in der Psychologie sind wie Gerüchte – leicht zu verbreiten, aber schwer zurückzunehmen. Sie prägen den Inhalt der meisten Fachzeitschriften, was kein Wunder ist, denn die Journale berichten mit Vorliebe über neue, spannende Studien. Versuche, diese zu reproduzieren, bleiben dagegen oft unveröffentlicht, insbesondere wenn sie scheitern ...

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Gehirn&Geist – Multiple Persönlichkeit: Was hinter der dissoziativen Identitätsstörung steckt

Manche Menschen scheinen verschiedene Ichs in sich zu tragen, die im Wechsel die Kontrolle über den Körper übernehmen – mit jeweils eigenem Alter, Namen und Geschlecht. Unsere Experten, die zu dissoziativen Phänomenen forschen, stellen die wichtigsten Fakten zur »Multiplen Persönlichkeit« vor. Ergänzend dazu geht die Psychologin Amelie Möhring-Geisler der Frage nach, ob rituelle Gewalt in der Kindheit gezielt Persönlichkeitsspaltungen herbeiführt. In dieser Ausgabe beginnt zudem eine neue Artikelserie zum Thema »Long Covid und ME/CFS«. Im Interview spricht Carmen Scheibenbogen von der Berliner Charité über Ursachen von ME/CFS, den Versorgungsmangel in Deutschland und Hoffnung auf Medikamente. Darüber hinaus berichten wir über das Glücksparadox, das besagt: Je mehr wir dem Glück hinterherjagen, desto weiter entfernt es sich. Wir stellen das Thema psychotherapeutische Patientenverfügung vor, die im psychischen Krisenfall eine große Hilfe sein kann, sowie die noch immer rätselhafte Schmerzerkrankung Fibromyalgie, über deren Ursachen noch viel spekuliert wird.

Spektrum - Die Woche – Wie viele sind wir wirklich?

Deutschland zählt genau – dachte man. Doch plötzlich fehlen 1,3 Mio. Menschen in der Statistik. Wie kann das sein? Und wie genau wissen wir eigentlich, wie viele Menschen weltweit leben? Die neue Ausgabe von »Die Woche« geht dieser Frage auf den Grund.

Gehirn&Geist – Hype um die Seele

Psychologie ist »in« und Fragen rund um die Seele füllen immer mehr populäre TV- und Podcast-Formate, ja sogar Bühnenshows. Wir berichten, wie dieses »Psychotainment« funktioniert. In dieser Ausgabe startet die neue Serie »Hirnentwicklung im Mutterleib« mit einem Bericht über die Plazenta und ihre Bedeutung. Daneben gehen wir der Frage nach, warum wir lachen. Ethologen, Primatologen und Neurowissenschaftler versuchen gemeinsam, die Mechanismen und Funktionen dieses Verhaltens aufzudecken. Weiterhin stellen wir den vor 80 Jahren erfundenen Persönlichkeitstest vor, was sich hinter den Myers-Briggs-Typen verbirgt und wie sie zu werten sind. Angststörungen haben bei Jugendlichen stark zugenommen und sind oft hartnäckig und kompliziert zu behandeln. Zwei Neurowissenschaftlerinnen erforschen, wie man die Therapie auf das Gehirn von Teenagern zuschneiden kann.

  • Quellen

Bargh, J. A., Chen, M. und Burrows, L. J.: Automaticity of Social Behavior: Direct Effects of Trait Construct and Stereotype-Activation on Action. In: Journal of Personality and Social Psychology 71, 230–244, 1996

Bem, D. J.: Feeling the Future: Experimental Evidence for Anomalous Retroactive Influences on Cognition and Affect. In: Journal of Personality and Social Psychology 100, S. 407 – 425, 2011

Doyen, S. et al.: Behavioral Priming: It’s All in the Mind, but Whose Mind? In: PLoS One 7, e29081, 2012

Fanelli, D.: Negative Results are Disappearing from Most Disciplines and Countries. In: Scientometrics 90, S. 891 – 904, 2012

Fanelli, D.: "Positive" Results Increase down the Hierarchy of the Sciences. In: PLoS ONE 5, e10068, 2010

Ioannidis, J. P.: Why Most Published Research Findings are False. In: PLoS Medicine 2, e124, 2005

John, L. K., Loewenstein, G. und Prelec, D.: Measuring the Prevalence of Questionable Research Practices with Incentives for Truth Telling. In: Psychological Science 23, S. 524-532, 2012

Pan, Z.: Local Literature Bias in Genetic Epidemiology: An Empirical Evaluation of the Chinese Literature. In: Public Library of Science Medicine, 2: e334, 2005

Ritchie, S. J., Wiseman, R. und French, C. C.: Failing the Future: Three unsuccessful Attempts to Replicate Bem's "Retroactive Facilitation of Recall" Effect. In: PLoS ONE 7, e33423, 2012

Simmons, J. P. et al.: False-Positive Psychology: Undisclosed Flexibi­lity in Data Collection and Analysis Allows Presenting Anything as Significant. In: Psychological Science 22, S. 1359 – 1366, 2011

Stapel, D. A. und Lindenberg, S.: Coping with Chaos: How Disordered Contexts Promote Stereotyping and Discrimination. In: Science 332, 251–253, 2011

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