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Astrophysik: Jets – Schlüssel zur Sternentstehung

Sterne bilden sich durch Verdichtung riesiger Molekülwolken. Doch wenn Staub und Gase nach innen stürzen, warum schießt dann Materie in schmalen, energiereichen Strahlen nach außen?


Jeder hat schon einmal in einer sternklaren Winternacht das Sternbild Orion über dem Südhorizont gesehen. Mit seinem markanten "Gürtel" aus drei hellen Sternen ist es neben dem Großen Wagen eine der auffälligsten Sterngruppierungen überhaupt. Unterhalb des Gürtels befindet sich das so genannte Schwertgehänge, und in dessen Mitte lässt sich ein kleiner verwaschener Fleck erkennen. Hier, im legendären Orion-Nebel, liegt ein gigantischer Hort tausender neugeborener Sterne.

Im Orion-Nebel können die Vorgänge der Sternentstehung besonders gut studiert werden, da er mit 1500 Lichtjahren Entfernung der Erde relativ nahe ist und er viele Sterne unterschiedlicher Masse enthält. Zudem sind große Mengen an interstellarem Gas und Staub in Gestalt von riesigen Molekülwolken vorhanden. Es ist bekannt, dass solche Wolken das Ausgangsmaterial für neue Sterne sind. Die Vorgänge im Orion sind vermutlich ein gutes Abbild von den Ereignissen vor fünf Milliarden Jahren in unserem Teil des Milchstraßensystems, als sich unsere Sonne mit ihren Planeten gebildet hat.

Wie Sterne und Planeten entstehen, gehört zu den Schlüsselfragen der Astronomie. Viele Aspekte konnten bis vor kurzem noch immer nicht befriedigend beantwortet werden. Erst in den letzten Jahrzehnten ist hier neues Wissen erarbeitet worden. So hat sich gezeigt, dass junge Sterne eng gebündelte Materieabströmungen aufweisen. Diese "Jets" beziehen ihre Energie aus rotierenden Magnetfeldern. Sie stellen nicht nur ein faszinierendes Phänomen dar, sondern liefern den Astronomen auch Antworten auf eine Reihe ihrer Fragen.

Die Theorie der Entstehung von Sternen und Planeten hat eine ehrwürdige Geschichte. Vor 250 Jahren war der Philosoph Immanuel Kant davon überzeugt, dass sich die einzelnen Teilchen einer riesigen Nebelwolke zur Sonne und zu den Planeten zusammenballten. Dieser Nebularhypothese setzte vierzig Jahre später der französische Mathematiker Pierre-Simon Laplace eine Rotationshypothese entgegen: Die Schwerkraft habe die meiste Materie ins Zentrum des Nebels gezogen und so die Sonne geschaffen. Wegen des Drehimpulses der einströmenden Materie habe die Sonne sehr schnell rotiert und einen Teil der Masse ringförmig aus ihrer Atmosphäre ausgestoßen. Durch Verdichten dieser Materieringe hätten sich schließlich die Planeten gebildet. Moderne Simulationsrechnungen zeigten, dass der Prozess einsetzt, wenn eine Molekülwolke unter der Wirkung ihrer eigenen Schwerkraft zusammenstürzt. Die rotierende Wolke zerfällt rasch in kleinere, sich verdichtende Fragmente, aus denen sich einer oder mehrere Sterne bilden, die von einer protoplanetaren Materiescheibe und einer Hülle aus restlichem Gas (einzelnen Atomen und Molekülen) und Staub (Partikeln aus mehreren Atomen und Molekülen) umgeben sind (siehe "Die Entstehung der Sterne", Spektrum der Wissenschaft 11/91, S. 82).

Der Laplaceschen Idee eines Materiewirbels wurden immer wieder rivalisierende Theorien entgegengesetzt – etwa jene, die behauptete, dass sich die Planeten aus Materieballen bildeten, die ein nahe an der Sonne vorbeiziehender anderer Stern aus ihr herausgerissen habe. Noch vor 30 Jahren konnte die beobachtende Astronomie wenig zum Überprüfen solcher Vorstellungen beitragen. Denn die Sternentstehung läuft gewissermaßen im Verborgenen ab: Dichte Gas- und Staubmassen versperren den Blick auf die "Geburtsstätte" der Sterne. Zudem sollten die protoplanetaren Scheiben – wenn es sie überhaupt gibt – nur als winzige Objekte am Himmel erscheinen: Wenn die Ausdehnung von unserer Sonne bis zum sechs Milliarden Kilometer entfernten Pluto eine typische Größenordnung wäre, dann könnten erdgebundene Teleskope Objekte solcher Größe nur im Umkreis von 200 Lichtjahren auflösen. Der Bau immer größerer Teleskope nützt wenig, denn ihr Auflösungsvermögen ist in der Praxis durch die Luftunruhe der Atmosphäre begrenzt.

Fragen über Fragen

Auch versetzten theoretische Einwände die Astronomen in Zweifel. Sonnenähnliche Sterne im "jugendlichen" Alter von 100000 Jahren drehen sich einmal in wenigen Tagen um ihre Achse und sind vier- oder fünfmal größer als die heutige Sonne. Wenn sich diese Sterne weiter zusammenziehen, sollte ihre Umdrehungsgeschwindigkeit zunehmen – wie bei einer Eiskunstläuferin, die bei einer Pirouette ihre ausgestreckten Arme an den Körper führt. Doch unsere Sonne wurde offensichtlich abgebremst, denn sie benötigt tatsächlich einen Monat für eine Umdrehung. Irgendwann muss sie Drehimpuls verloren haben. Aber wie?

Ungeklärt war auch, warum Molekülwolken so lange bestehen können. Die eigene Anziehungskraft sollte zu einer Kontraktion und nach wenigen Millionen Jahren zu einem vollständigen Kollaps führen. Tatsächlich jedoch scheinen Molekülwolken über einige zehn Millionen Jahre hinweg stabil zu sein. Welcher Mechanismus bewirkt dies? Thermischer Druck kann es nicht sein, denn die Wolken sind mit nur 10 bis 20 Kelvin äußerst kalt. Interne Turbulenzen könnten die Wolken stabilisieren, aber woher sollten sie stammen? In großen Molekülwolken wie im Orion-Nebel könnten von sehr massereichen Sternen ausgehende Sternwinde und Stoßwellen solche Turbulenzen erzeugen, aber in vielen kleineren, alten Wolken gibt es solche Sterne überhaupt nicht.

Das erste Hindernis für die beobachtende Astronomie fiel in den späten 70er Jahren, als Astronomen Sternentstehungsgebiete bei Wellenlängen beobachten konnten, welche die Staubwolken durchdringen. Zwar absorbiert Staub das sichtbare Licht, aber Strahlung mit Wellenlängen, die wesentlich größer sind als der typische Durchmesser der Staubpartikel von einem tausendstel Millimeter, wird wenig behindert. Beobachtungen der Molekülwolke im Orion im Millimeterbereich – einem lange Zeit unzugänglichen Intervall des elektromagnetischen Spektrums zwischen den Infrarotstrahlen und den Radiowellen – zeigten dichte, dunkle und kalte Materieansammlungen, deren Größe ein bis einige Lichtjahre beträgt. Diese Kerne in Molekülwolken enthalten einige Sonnenmassen Material und kommen dem Bild der Laplaceschen rotierenden Wolken sehr nahe.

Die Entdeckung von Herbig und Haro


Aber sofort tauchten neue Fragen auf. Zwar scheinen sich einige Molekülwolken in der Tat weiter zu verdichten, doch die meisten werden offenbar durch einen noch nicht bekannten Prozess stabilisiert. Was schließlich den Gravitationskollaps auslöst, ist ebenfalls wenig verstanden – vielleicht könnte die Explosion einer nahen Supernova den Anstoß dazu geben. Das größte Rätsel ist indes die Richtung, in der sich die Materie bewegt. Die Astronomen erwarteten natürlich, Anzeichen für eine nach innen, in die verdichteten Bereiche der Molekülwolken gerichtete Gasströmung zu finden. Zu ihrer Überraschung sahen sie jedoch nur Gas, das nach außen strömt. Im Allgemeinen entdeckten sie immer zwei riesige Gasblasen, die von gegenüberliegenden Seiten des jungen Sterns radial weggeschleudert werden. Diese Blasen sind selbst einige Lichtjahre groß und an Masse dem jungen Stern vergleichbar. Sie schießen mit einer Geschwindigkeit von einigen zehn Kilometern pro Sekunde auseinander (siehe "Gasströme in Dunkelwolken", SdW 9/82, S. 88).

Die beobachteten Blasen ähneln auf eigentümliche Weise den wesentlich größeren Auswürfen von heißem Plasma, die man in der Nähe von aktiven Galaxien oder Quasaren sieht. Astronomen wissen schon seit Jahren, dass Jets diesem Phänomen zu Grunde liegen. Mit fast Lichtgeschwindigkeit ausströmend reichen diese Materiestrahlen einige Millionen Lichtjahre weit in den intergalaktischen Raum (siehe "Quasare – die kosmischen Mahlströme", SdW 8/98, S. 40). Kann vielleicht eine verkleinerte Version dieses Phänomens die in Molekülwolken und Sternentstehungsgebieten vorhandenen Jets erklären?

Diese Idee geht auf eine Entdeckung von George H. Herbig and Guillermo Haro in den frühen fünfziger Jahren zurück. Herbig, damals am Lick-Observatorium in Kalifornien, und Haro am Tonantzintla-Observatorium in Mexiko hatten unabhängig voneinander einige sehr lichtschwache, diffuse Nebelflecken im Orion gefunden. Ursprünglich dachte man, diese so genannten Herbig-Haro-Objekte seien die gesuchten Orte der Sternentstehung. (In einigen populärwissenschaftlichen Büchern wird dies auch heute noch behauptet.) Richard D. Schwartz von der Universität von Kalifornien in Santa Cruz konnte jedoch 1975 im optischen Spektrum der Herbig-Haro-Objekte Linien nachweisen, die sonst nur im Zusammenhang mit gewaltigen Supernova-Explosionen zu beobachten sind. Eine Analyse der Doppler-Verschiebung der Spektrallinien ergab dabei Geschwindigkeiten in der Größenordnung von einigen hundert Kilometern in der Sekunde.

Jets: gebündelte Materieströme


Das war zwar weniger als die Geschwindigkeiten bei einer Supernova-Explosion, aber Schwartz vermutete einen ähnlichen Mechanismus in beiden Fällen: Herbig-Haro-Objekte könnten aus heißem Gas bestehen, das sich von einem zentralen Stern wegbewegt. Die hohen Temperaturen stammen dabei, wie auch in der Hülle einer Supernova, aus der Bewegung des Gases selbst. Stoßwellen wandeln kinetische Energie in thermische Energie und letztlich in elektromagnetische Strahlung um. Die Hypothese von Schwartz wurde weiter erhärtet, als Astronomen Fotografien von Herbig-Haro-Objekten verglichen, die im Abstand von mehreren Jahren aufgenommen worden waren: Die Objekte bewegten sich. Durch ein Zurückrechnen dieser Bewegung ließ sich in diesem Falle der räumliche Ursprung der Objekte bestimmen: Es war ein nur wenige hunderttausend Jahre alter Stern.

Die Einführung von CCDs (Charge Coupled Devices, die später auch in Video- und Digitalkameras Verwendung fanden) bestätigte diesen Zusammenhang. Reinhard Mundt und Josef Fried vom Max-Plank-Institut für Astronomie in Heidelberg beobachteten 1983 erstmals stellare Jets mit diesen elektronischen Detektoren. Spätere Arbeiten von Mundt, Bo Reipurth von der Europäischen Südsternwarte Eso und anderen (mich eingeschlossen) zeigten Jets, die mehrere Lichtjahre vom Zentralstern in den Raum reichten. Die Jets sind eng mit den Herbig-Haro-Objekten verknüpft. Einige erwiesen sich als nichts anderes als die hellsten Kondensationen von Jets. Andere Herbig-Haro-Objekte wurden als "Schallmauern" oder Machsche Kegel von Jets identifiziert, wenn diese mit Überschallgeschwindigkeit durch das umgebende Gas pflügen, ähnlich wie der Druckkegel eines Projektils in Luft. Jets haben eine typische Temperatur von etwa 10000 Kelvin und eine Dichte von 100 Atomen pro Kubikzentimeter – dichter als ihre Umgebung, aber immer noch 10000 mal leerer als ein gutes technisches Vakuum. Nahe dem Stern sind die Jets sehr schmal mit einem Öffnungswinkel von wenigen Grad. Weiter außen fächern sie sich jedoch auf und sind etwa so groß wie unser Sonnensystem.

Welchen Zusammenhang gibt es nun zwischen den Jets und Herbig-Haro-Objekten, die hauptsächlich aus Atomen und Ionen bestehen, und den Blasen in den Molekülwolken? Als letztere entdeckt wurden, vermuteten die Wissenschaftler, sie bestünden aus Gas, das in der Nähe der jungen Sterne beschleunigt worden sei. Aber mit dieser Idee gab es eine Reihe von Problemen. Die Gasströme, selbst wenn sie mit massearmen Sternen in Verbindung stehen, enthalten oft das Mehrfache der Sonnenmasse. Wenn all dieses Material vorher vom Stern eingesammelt wurde, um dann anschließend wieder ausgestoßen zu werden, wäre die Sternentstehung ein sehr ineffizienter Prozess. Überzeugender ist die Erklärung, dass Gas aus der Umgebung von den durchschießenden Jets mitgerissen wird.

Noch immer war der eigentliche Kern der Sache nicht beobachtet: die Scheibe um den sich bildenden Stern. Indirekte Hinweise gab es zwar genug. So hatte in den frühen 80er Jahren der Infrared Astronomical Satellite (IAS) für viele neue Sterne mehr Infrarot-Strahlung nachgewiesen als vom Stern selbst erzeugt werden konnte. Die wahrscheinlichste Quelle dieser Überschusswärme schien aufgeheizter Staub in einer den Stern umgebenden Scheibe zu sein.

Ungefähr zur gleichen Zeit ermittelten Radioastronomen durch Messungen im Millimeterwellen-Bereich, dass die Masse der zirkumstellaren Scheibe zwischen 0,01 und 0,1 Sonnenmassen beträgt – gerade die richtige Menge für die Bildung eines Planetensystems. Mitte der 80er Jahre untersuchte schließlich ein Team um Edward B. Churchwell von der Universität von Wisconsin den Orion-Nebel im Radiowellenbereich. Die Wissenschaftler fanden Radioquellen von der Größe unseres Sonnensystems und deuteten sie als Wolken von heißem Gas, das von einer Scheibe verdampft ist. Die direkte Beobachtung der Scheiben scheiterte aber noch immer an ihrem extrem kleinen Winkeldurchmesser. Erst das Hubble-Weltraumteleskop und neue Teleskope auf der Erdoberfläche mit adaptiver Optik schafften hier Abhilfe. 1993 gelang es schließlich C. Robert O’Dell von der Rice University und seinem Team mit dem Hubble-Teleskop, im Orion-Nebel protoplanetare Scheiben nachzuweisen. Die Scheibenmaterie schien langsam zu verdampfen, ausgelöst durch die starke Strahlung und den Teilchenstrom von nahen massereichen Sternen. O’Dell nannte diese Scheiben "proplyds" (ein englisches Kunstwort aus protoplanetary disks). Diese Bezeichnung mag den Kern der Sache nicht ganz treffen, denn die Scheiben lösen sich innerhalb weniger Millionen Jahre auf, vermutlich noch bevor sich Planeten bilden können. Aber ähnliche Scheiben in weniger harschem Umfeld können in der Tat so lange stabil bleiben, bis Planeten entstanden sind.

Magnetfelder als Ursache


Jetzt, nachdem alle Bestandteile der modernen Version der Laplaceschen Theorie bekannt waren (rotierende Wolken, Massenausflüsse und Scheiben), begannen die Astronomen das Wechselspiel dieser Bausteine untereinander zu studieren. Meine Kollegen und ich, zusammen mit einer weiteren Gruppe unter Christopher J. Burrows vom Space Telescope Science Institute in Baltimore (Massachusetts) schauten uns Herbig-Haro 30 genau an, ein Objekt mit zwei genau entgegengesetzten Jets. Zu unserer Überraschung zeigten die Bilder dort, wo der Ausgangspunkt der Jets sein sollte, zwei gekrümmte Nebelchen. Der Struktur war ein dunkles Band überlagert. Bald war uns klar, dass wir hier auf eine Scheibe senkrecht zu den Jets blicken. Aus unserer Perspektive verdeckt die Scheibe den Zentralstern, und die Nebelchen sind vom Zentralstern beleuchtete Staubwolken. Jets schießen nach außen hervor und führen zu den Herbig-Haro-Objekten. Wie Teile eines großen Puzzles passte nun alles zusammen.

In aktiven Galaxien sind Scheiben entscheidend für das Hervorbringen von Jets. Aber wie funktioniert dieser Prozess bei der Sternentstehung? Ein interessanter Zufall hat hierzu eine wichtige Erkenntnis geliefert. Alle Jets und Ausflüsse in der Umgebung von Herbig-Haro 30, mit nur einer Ausnahme, besitzen die gleiche räumliche Orientierung: Alle sind parallel zum Magnetfeld der Molekülwolke ausgerichtet, in der sie sich befinden. Dies war ein Hinweis darauf, dass Magnetfelder mit den Ausflüssen von jungen Sternen zu tun haben – solche Überlegungen hatten Ralph E. Pudritz und Colin A. Norman, beide damals an der Universität Cambridge in England, und Frank Shu von der Universität von Kalifornien in Berkeley entwickelt.

Das Universum ist voll mit Beispielen von der Wechselwirkung zwischen Magnetfeldern und ionisiertem Gas. Zum Beispiel werden Nordlichter durch geladene Teilchen verursacht, die den Feldlinien des Erdmagnetfelds folgen und schließlich auf die obere Atmosphäre treffen. In gleicher Weise können sich die ionisierten Teilchen von einer zirkumstellaren Scheibe an die magnetischen Feldlinien der Scheibe oder des zentralen Sterns hängen. Da die Scheibe rotiert, erfahren die Teilchen eine Zentrifugalkraft und werden den Feldlinien entlang nach außen geschleudert. An anderer Stelle fällt hingegen Materie ein, so dass ein kontinuierlicher Prozess entsteht. Das meiste Material sammelt sich auf dem Stern an, doch etwa 10 Prozent der einfallenden Masse werden wieder ausgestoßen. Rechnersimulationen zeigen, dass die Vorgänge eruptiv ablaufen, was die beobachteten knotenartigen Strukturen in den Jets erklärt.

Der Schleier lüftet sich


Das Wissen um das Vorhandensein von Jets im Sternentstehungsprozess löst einige Probleme der Theoretiker. Wenn Teilchen nach außen weggeschleudert werden, nehmen sie einen Teil des Drehimpulses von ihrer Quelle mit. Dies kann zumindest teilweise erklären, warum sich "reife" Sterne langsamer drehen. Jets können aber auch die umgebende Wolke im wahrsten Sinne des Wortes umrühren, wobei Turbulenzen erzeugt werden, die einen Kollaps verhindern oder zumindest doch stark verzögern.

Andererseits bleiben noch viele Fragen offen. So wurden nur bei der Hälfte aller optisch sichtbaren jungen Sterne zirkumstellare Scheiben beobachtet. Die andere Hälfte hatte womöglich ebenfalls solche Scheiben, doch könnten aus denen inzwischen Planeten entstanden sein. Solche nicht leuchtenden, kleinen Himmelskörper entziehen sich aber der Beobachtung. Ein weiteres Problem der Sternentstehung ist die Verteilung der Massen in große und kleine Sterne. Warum ist das Verhältnis von massereichen zu massenarmen Sternen überall im gesamten Milchstraßensystem mehr oder weniger gleich? Hierbei scheint es sich um eine allgemeine Eigenschaft der Molekülwolken zu handeln, die noch nicht geklärt ist. Auch über die frühen Phasen der massereichen Sterne wissen die Astronomen noch sehr wenig, denn diese Objekte entwickeln sich vergleichsweise rasch, so dass überhaupt nur wenige von ihnen in diesem Stadium bekannt sind.

Mit diesem Wissen und den erwähnten Lücken können die Astronomen heute recht schlüssig den Sternentstehungsprozess beschreiben. Sterne bilden sich aus interstellaren Wolken, die aus den Rückständen früherer Sterngenerationen bestehen. Der Staub entstand aus Material, das aus Sternwinden von den äußeren Schichten der Atmosphäre der Ahnen herrührt. Schwerere Elemente wie Sauerstoff und Wasserstoff stammen aus dem Inneren von noch früheren, längst verschwundenen Sternen. Turbulenzen und Magnetfelder stabilisieren zunächst die Wolken, aber letztlich kollabieren sie infolge ihrer eigenen Anziehungskraft, weil die Magnetfelder langsam verschwinden, Turbulenzen abklingen oder eine nahe Supernova-Explosion den Kollaps auslöst. Während des Einfalls fragmentiert die große Wolke in mehrere kleinere, von denen jede ein kleines, primordiales Sternsystem ergibt. In großen Molekülwolken, wie im Schwertgehänge des Orion, kann man sie in ein paar Lichtwochen Abstand voneinander finden (im Gegensatz zu Lichtjahren). Die meisten Sterne in unserer Galaxis, unsere Sonne eingeschlossen, sind wohl aus solchen Aggregationen entstanden.

Jets übernehmen nun den Abtransport von Drehimpuls und halten den Masseneinfall aufrecht. Auch unsere Sonne muss früher einmal eng gebündelte Jets aufgewiesen haben, die einige Lichtjahre nach außen reichten. Warum die Jets dann wieder verschwanden, ist noch ungeklärt. Möglicherweise hängt dies mit dem späteren Nachlassen des Masseeinfalls zusammen. Vielleicht wurde der Rest der Gas- und Staubhülle von der wegströmenden Materie einfach weggeblasen. In diesem Szenario hätten die Jets indirekt die Masse der Sonne reguliert. Um die gleiche Zeit bildeten sich damals aus kondensiertem Staub die Vorgänger der Planeten. Diese Verdichtungen könnten zum Abklingen der Jets beigetragen haben, indem sie das restliche Gas aufsammelten. Schließlich sollte der Massenausstoß der Sonne (und der aus den benachbarten neuen Sternen) alle verbleibenden Gas- und Staubreste weggeblasen haben. Nach ein paar Millionen Jahren schließlich blieben die Sterne ohne Molekülwolke übrig, die durch ihre Eigenbewegung langsam auseinander drifteten. Der nächste Stern zur Sonne ist heute vier Lichtjahre entfernt.

Literaturhinweise


Protosterne. Wo, wie und woraus entstehen sie? Von V. G. Surdin und S. A. Lamzin, Johann Ambrosius Barth, 1998.

Protostars and Planets IV. Herausgegeben von Vince Mannings, Alan P. Boss und Sara S. Russell. University of Arizona Press, 2000.

The Origin of Stars and Planetary Systems. Herausgegeben von Charles J. Lada und Nikolaos D. Kylafis. Kluwer Academic Publishers, 1999.

Young Stars and Their Surroundings. Von C. Robert O’Dell und Steven V. W. Beckwith in: Science, Bd. 276, S. 1355, 1997.

Aus: Spektrum der Wissenschaft 12 / 2000, Seite 34
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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