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Nanotechnologie: Kaltes Glühen

Ein dreidimensionales Gitter aus winzigen Wolframstäben sendet beim Erhitzen kaum Wärmestrahlung aus, dafür umso mehr kurzwelligeres Licht - und verspricht so eine neue Generation energieeffizienter, umweltfreundlicher Glühbirnen.


Glühbirnen produzieren nicht nur Licht, sondern auch eine Menge Wärme – wie jeder weiß, der sich schon einmal die Finger daran verbrannt hat. Tatsächlich sind sie geradezu erschreckende Energieverschwender: Bei einer Effizienz von nur fünf bis zehn Prozent vergeuden sie mehr als neunzig Prozent der elektrischen Energie als infrarote Wärmestrahlung mit Wellenlängen von einigen Mikrometern (millionstel Metern). Gleiches gilt für die moderneren Halogenlampen, und selbst Fluoreszenzröhren wandeln nur etwa dreißig Prozent des Stroms in sichtbares Licht um.

Da rund ein Drittel der weltweit verbrauchten Elektrizität zur Beleuchtung dient, würden deutlich effizientere Lichtquellen einen enormen Beitrag zum Energiesparen leisten. Zu den aussichtsreichsten Kandidaten zählen Leuchtdioden auf Basis von Halbleitermaterialien, die Lichtausbeuten bis fünfzig Prozent erreichen. Allerdings sind weiße Leuchtdioden immer noch ziemlich teuer.

Ein Forscherteam um Jim Fleming von den Sandia-Nationallaboratorien in Albuquerque (New Mexico) hat nun einen völlig anderen Weg zu effizienteren Lampen eingeschlagen – zurück zur klasPhotonen der entsprechenden Energie können daher weder absorbiert noch ausgesandt werden. Über die geometrische Struktur des Kristalls lässt sich die optische Bandlücke gezielt einstellen. Platziert man sie in der Infrarotregion, wird die Aussendung von Wärmestrahlung unterdrückt. Glühbirnen mit einem derartigen Kristall sollten also kaum noch Energie in diesem Spektralbereich verschwenden. Dadurch könnten sie eine Effizienz von über sechzig Prozent erreichen – gut das Zehnfache derjenigen herkömmlicher Wolframbirnen.

Obwohl dieser Trick zur Herstellung kalter Glühbirnen nahe liegt, hat ihn bis vor kurzem niemand wirklich praktisch ausprobiert. Das liegt unter anderem da-ran, dass es immer noch ein kleines Kunststück ist, photonische Kristalle mit einer gewünschten inneren Struktur zu erzeugen. Außerdem lässt sich nicht von vorneherein sagen, was mit dem Energieanteil geschieht, dessen Abgabe als Wärmestrahlung blockiert wird. Kommt er überhaupt dem sichtbaren Spektralbereich zugute, sodass die Glühbirne tatsächlich heller leuchtet?

Photonische Kristalle enthalten gewöhnlich ein periodisches Gitter aus zwei Stoffen mit stark unterschiedlichem Brechungsindex. Licht breitet sich in den beiden Materialien unterschiedlich schnell aus. Man stelle sich etwa einen Glasblock vor, der mit winzigen, regelmäßig angeordneten Luftlöchern durchsetzt ist. Elektromagnetische Strahlung, deren Wellenlänge mit der Gitterperiode dieses "Kristalls" vergleichbar ist, wird in ihm so stark gestreut, dass es sich praktisch nicht darin fortbewegen kann. So entsteht die photonische Bandlücke.

Um eine solche Struktur zu erhalten, betrieben Fleming und seine Kollegen einigen Aufwand. Zunächst erzeugten sie mit erprobten lithografischen Verfahren der Halbleitertechnik Schichten aus Siliziumdioxid, in die Siliziumstäbchen vonetwa einem halben Mikrometer Durchmesser in Abständen von vier Mikrometern parallel nebeneinander eingebettet waren. Diese Schichten wurden, jeweils um 90 Grad verdreht, in vier Ebenen zu einem etwa sechs Mikrometer hohen Block übereinander gestapelt (Bild). Anschließend lösten die Forscher das Silizium durch ein Ätzverfahren heraus und füllten die Löcher mit Wolfram. Im letzten Schritt wurde schließlich auch das Siliziumdioxid weggeätzt.

Wärme wird in Licht verwandelt

Zurück blieb ein regelmäßiges Gerüst aus Wolframstäben und Luft, das als photonischer Kristall wirkt. Seine "Gitterkonstante" war gerade so bemessen, dass eine Bandlücke für elektromagnetische Strahlung mit Wellenlängen zwischen sechs und zwanzig Mikrometern entstehen sollte.

Genau das fanden die US-Forscher bestätigt: Egal aus welcher Richtung sie einen Infrarotstrahl auf den Kristall richteten – er konnte sich nicht darin ausbreiten und wurde reflektiert. Damit war der experimentelle Beweis erbracht, dass sich die Wärmeproduktion eines Wolfram-Glühfadens stark reduzieren lässt, wenn er nur geeignet strukturiert wird.

Noch aufregender war jedoch eine weitere Beobachtung: Zur großen Freude des Forscherteams enthielt der Kristall direkt neben der verbotenen Zone – bei fünf bis sechs Mikrometern – einen Bereich, in dem er elektromagnetische Strahlung ungewöhnlich stark absorbierte. Die Ursachen dieses Effektes sind noch nicht völlig geklärt; doch scheint die Erniedrigung der Lichtgeschwindigkeit am Rand der Bandlücke eine wichtige Rolle zu spielen.

Nun kann nach einem grundlegenden physikalischen Gesetz der Optik ein Absorptionsband stets zugleich als Emissionskanal dienen. Seine Existenz in dem photonischen Kristall der US-Forscher öffnet also eine Art Auslassventil für die Energie der unterdrückten Wärmestrahlung. Sie wird hochtransformiert und bei kürzeren Wellenlängen, also näher am sichtbaren Spektralbereich, abgegeben.

Das Faszinierende daran: Es ist prinzipiell möglich, dieses Emissionsband durch Anpassung der Kristallgeometrie in den sichtbaren Spektralbereich zwischen 400 und 750 Nanometern zu verschieben. Dazu müssen die Wolframstäbe nur näher zusammengerückt werden. Der Kristall würde dann beim Erwärmen auf etwa 1500 Grad Celsius kaum Wärme abstrahlen, da dieser Vorgang durch die Bandlücke unterdrückt ist, und dafür umso mehr sichtbares Licht aussenden.

Ob und wann Glühbirnen aus photonischen Kristallen industriell hergestellt werden können, ist noch offen – muss doch zunächst die Kristallgeometrie so modifiziert werden, dass das Emissionsband in den sichtbaren Spektralbereich rückt. Außerdem ist der Herstellungsprozess noch zu kompliziert und aufwendig. Dennoch demonstriert die Pionierleistung des Sandia-Teams das enorme Potenzial des electromagnetic engineering – der Schaffung von Materialien mit genau definierten optischen Eigenschaften.

Photonische Kristalle dienen bereits in der Telekommunikation zur Übertragung von Signalen sowie in Mobiltelefonen zur Verbesserung der Empfangsqualität. Wetten, dass sie sich einst auch in Ihrer Nachttischlampe finden?

Aus: Spektrum der Wissenschaft 11 / 2002, Seite 14
© Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH

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