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Autismus : Wie ein normaler Junge

ADHS, Zwangsstörung, Magersucht – ­solche Diagnosen werden häufig bei Mädchen gestellt, die in Wirklichkeit an etwas ganz anderem leiden: Autismus.
Mädchen

Als Kleinkind fing Frances spät an zu krabbeln und zu sprechen. Erst im Alter von drei Jahren reagierte sie auf ihren Namen. Trotz dieser Hinweise auf eine gestörte Entwicklung dachten ihre Eltern nie an Autismus. "Frances war ein sehr kontaktfreudiges, glückliches und pflegeleichtes Baby", erinnert sich ihr Vater Kevin Pelphrey.

Pelphrey, der am renommierten Child Study Center der Yale University in New Haven (USA) arbeitet, zählt zu den führenden Autismusforschern. Dennoch hat selbst er die Störung seiner Tochter, die schließlich im Alter von fünf Jahren diagnostiziert wurde, nicht erkannt.

Heute ist Frances ein schlankes, leicht sommersprossiges zwölfjähriges Kind mit leuchtenden braunen Augen. Wie viele Mädchen ihres Alters ist sie zwar etwas schüchtern, weiß aber auch ganz genau, was sie will und was nicht. Typische Zankereien mit ihrem siebenjährigen Bruder gehören zum normalen Familienalltag: "Mama, er hat mich getreten!"

Bei Frances' Bruder Lowell wurde die Entwicklungsstörung dagegen bereits mit 16 Monaten erkannt. Mutter Page weiß noch, wie unterschiedlich die Diagnosesuche bei ihren beiden Kindern verlief: Bei Lowell gab es schnell Klarheit, mit Frances pilgerten die Eltern von Arzt zu Arzt. Es hieß, sie sollten einfach beobachten und abwarten; körperliche Ursachen wie etwa Frances' Schielen könnten ebenfalls schuld an der Entwicklungsverzögerung ihrer Tochter sein. "Es gab beliebig viele kleine Diagnosen", erzählt die Mutter. "Die Ärzte sagten immer wieder: 'Oh, ein Mädchen – dann ist es kein Autismus.'"

Tatsächlich basieren die Kriterien zur Diagnostizierung der so genannten Autismus-Spektrum-Störung (ASS) – einer Entwicklungsstörung, bei der die Kommunikationsfähigkeit und das Sozialverhalten beeinträchtigt sind und die sich durch stereotype, starre Verhaltensmuster auszeichnet – auf Daten, die fast ausschließlich aus Studien mit Jungen resultieren ...

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  • Quellen und Literaturtipp

Literaturtipp

Simone, R.: Aspergirls. Die Welt der Frauen und Mädchen mit Asperger. Beltz, Weinheim 2016
Rudy Simone, selbst ein "Aspergirl", schildert ihre persönlichen Erfahrungen mit dem Asperger-Syndrom.


Quellen

Auyeung, B. et al.: Foetal Testosterone and Autistic Traits in 18 to 24-Month-Old Children. In: Molecular Autism 1, 11, 2010

Baron-Cohen, S.: The Extreme Male Brain Theory of Autism. In: Trends in Cognitive Sciences 6, S. 248-254, 2002

Baron-Cohen, S. et al.: Do Girls with Anorexia Nervosa Have Elevated Autistic Traits?In: Molecular Autism 4, 24, 2013

Baron-Cohen, S. et al.: Elevated Fetal Steroidogenic Activity in Autism. In: Molecular Psychiatry 20, S. 369-376, 2015

Cassidy, S. et al.: Suicidal Ideation and Suicide Plans or Attempts in Adults with Asperger's Syndrome Attending a Specialist Diagnostic Clinic: A Clinical Cohort Study. In: The Lancet Psychiatry 1, S. 142-147, 2014

Dworzynski, K. et al.: How Different Are Girls and Boys above and below the Diagnostic Threshold for Autism Spectrum Disorders?In: Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry 51, S. 788-797, 2012

Frazier, T. W. et al.: Behavioral and Cognitive Characteristics of Females and Males with Autism in the Simons Simplex Collection. In: Journal of the American Academy of Child and Adolescent Psychiatry 53, S. 329-340, 2014

Grandin, T.: Ich bin die Anthropologin auf dem Mars. Mein Leben als Autistin. Droemer Knaur, München 1997

Grandin, T., Panek, R.: The Autistic Brain. Thinking across the Spectrum. Houghton Mifflin Harcourt, 2013

Head, A. M. et al.: Gender Differences in Emotionality and Sociability in Children with Autism Spectrum Disorders. In: Molecular Autism 5, 19, 2014

Jacquemont, S. et al.: A Higher Mutational Burden in Females Supports a "Female Protective Model" in Neurodevelopmental Disorders. In: American Journal of Human Genetics 94, S. 415-425, 2014

Kosidou, K. et al.: Maternal Polycystic Ovary Syndrome and the Risk of Autism Spectrum Disorders in the Offspring: A Population-Based Nationwide Study in Sweden. In: Molecular Psychiatry, 10.1038/mp.2015.183, 2015

Lai, M.-C. et al.: Biological Sex Affects the Neurobiology of Autism. In: Brain 136, S. 2799-2815, 2013

Westwood, H. et al.: Using the Autism-Spectrum Quotient to Measure Autistic Traits in Anorexia Nervosa: A Systematic Review and Meta-Analysis. In: Journal of Autism and Developmental Disorders 46, S. 964-977, 2016

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