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Durchhaltevermögen: Kinder schauen sich Hartnäckigkeit von Erwachsenen ab

Wenn Kleinkinder beobachten, dass Erwachsene beharrlich bei etwas bleiben, werfen sie anschließend auch selbst weniger schnell die Flinte ins Korn. Das entdeckten Forscherinnen um Julia Leonard vom Massachusetts Institute of Technology. Sie teilten rund 100 Kinder im Alter von 13 bis 18 Monaten per Zufall in eine von drei Gruppen ein. Probanden der ersten Gruppe beobachteten, wie eine Versuchsleiterin sich bemühte, eine Kiste zu öffnen und einen Schlüsselanhänger von einem Karabiner zu entfernen. Das gelang ihr jedoch nicht auf Anhieb: Für jede der Aufgaben brauchte sie mehrere Anläufe, erst nach jeweils 30 Sekunden schaffte sie es schließlich. Kinder der zweiten Gruppe wurden mit derselben Szene konfrontiert – allerdings konnte die Versuchs­leiterin in diesem Fall beide Aufgaben mühelos nach etwa jeweils zehn Sekunden bewältigen. Die dritte Gruppe fungierte als Kontrollgruppe und bekam gar nichts vorgeführt.

Im Anschluss mussten alle Kleinkinder selbst eine Aufgabe lösen: Die Forscherinnen zeigten ihnen eine Musikbox, die sich vorgeblich ganz einfach per Knopfdruck aktivieren ließ. In Wirklichkeit war der Knopf aber kaputt, so dass die kleinen Probanden so lange darauf herumdrücken konnten, wie sie wollten, es ertönte einfach keine Musik. Die Wissenschaftlerinnen zählten bei jedem Kind nach, wie oft es den Knopf während des zweiminütigen Experiments drückte.

Das Ergebnis war eindeutig: Hatten Kinder die Versuchsleiterin zunächst herumprobieren sehen, blieben sie bei ihrer eigenen Aufgabe ebenfalls länger am Ball als die Teilnehmer der beiden anderen Gruppen. Außerdem hielten sie länger durch, bis sie ihrer Frustration Luft machten und das Spielzeug zum Beispiel zu Boden pfefferten. Ein zweiter Versuch unter ähnlichen Bedingungen bestätigte den Effekt. Leonard und ihre Kolleginnen deuten dies als Hinweis darauf, dass sich offenbar schon Kleinkinder eine gewisse Beharrlichkeit von Erwachsenen abschauen. Allerdings lernten die Kleinen nur dann, am Ball zu bleiben, wenn die Vorführung der Versuchsleiterin mit gewissen "pädagogischen Schlüsselsignalen" verknüpft war – wenn sie die Kinder also zu Beginn des Versuchs mit ihrem Namen ansprach, ihnen ihr Vorhaben erklärte ("Schau mal, in der Kiste ist etwas drin! Ich möchte es herausholen. Wie ich das wohl am besten mache?") und während des Experiments immer wieder Augenkontakt hielt. In einem zweiten Experiment, in dem all diese Reize fehlten, hoben sich die Kinder aus der "Beharrlichkeitsgruppe" nur schwach von den anderen Probanden ab.

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  • Quelle
Science 357, S. 1290-1294, 2017
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