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Evolution: Plötzlich Haare an unüblichen Stellen

In bestimmten Bereichen des Erbguts können Mutationen schlagartig neue Körpermerkmale hervorbringen.
Drosophila melanogaster

Schon kleine Veränderungen im Genom bewirken manchmal, dass heranwachsende Lebewesen höchst ungewöhnliche Eigenschaften ausprägen. Von einer Generation auf die nächste können so plötzlich neue Körpermerkmale entstehen. Die gängige Synthetische Evolutionstheorie tut sich schwer damit. Denn sie setzt den Gradualismus voraus, nimmt also an, dass evolutionäre Anpassungen über diverse Zwischenschritte erfolgen und nicht auf einen Schlag.

Manche Beobachtungen widersprechen dieser Sichtweise. Ein bekanntes Beispiel ist die Polydaktylie, das Auftreten zusätzlicher Finger oder Zehen bei Neugeborenen. Unvermittelt erscheinen hier bei den Nachkommen komplexe, neue morphologische Strukturen mit Haut, Knochen, Muskeln, Blutgefäßen und Nerven. Und das ohne Zwischenschritte, denn den Betroffenen wachsen ja keine halben oder viertel Finger.

So etwas kann eintreten, wenn sich regulatorische Abschnitte der DNA verändern. Das sind Bereiche im Erbgut, die kontrollieren, wie aktiv bestimmte Gene sind. Mutieren solche Regulationselemente, dann erhöht oder erniedrigt sich häufig die Menge gewisser Proteine in der Zelle. Betrifft das Eiweiße, die Entwicklungsprozesse steuern, prägt der heranwachsende Organismus oft deutlich veränderte Merkmale aus. Das Fachgebiet der Evolutionären Entwicklungsbiologie (»Evo-Devo« von englisch evolutionary developmental biology) befasst sich mit solchen Vorgängen: Evo-Devo-­Forscher untersuchen, was die individuelle Entwicklung der Lebewesen reguliert und welche Rolle es im evolutionären Geschehen spielt.

Neue Erkenntnisse dazu liefern nun Wissenschaftler um Timothy Fuqua und Justin Crocker vom Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) in Heidelberg. Die Forscher haben an Taufliegen (Drosophila melanogaster) getestet, wie sich Veränderungen in einem regulatorischen DNA-Abschnitt auf die Entwicklung der Larven auswirken. Konkret ging es um einen Bereich namens E3N, der zu den so genannten Enhancern gehört – DNA-Sequenzen, die helfen, Gene anzuschalten. E3N kontrolliert, wie aktiv das Gen Shavenbaby ist. Dieses sorgt unter anderem dafür, dass die Fliegenlarven auf ihrer Bauchseite behaarte Streifen bilden. »Je aktiver Shavenbaby in einer bestimmten Körperregion, umso mehr Haare wachsen den Larven dort«, sagt Fuqua. (...)

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  • Quellen

Fuqua, T. et al.: Dense and pleiotropic regulatory information in a developmental enhancer. Nature, doi.org/10.1038/s41586-020-2816-5, 2020

Kvon, E.Z. et al.: Comprehensive In Vivo Interrogation Reveals Phenotypic Impact of Human Enhancer Variants. Cell 180, 2020

Stern, D.L., Frankel, N.: The structure and evolution of cis-regulatory regions: the shavenbaby story. Philosophical Transactions B 368, 2013

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